Restaurant Neue TaverneGemüse mit Starpotenzial
Im modernen Traditionslokal in der Altstadt inszeniert Fabian Fuchs Gemüse so, dass man nie auf die Idee kommt, Fleisch oder Fisch zu vermissen.
Die traditionelle Formel, dass der Höhepunkt mit dem Hauptgang kommt? Davon hält man in der Neuen Taverne wenig. Der Abend im Traditionslokal in der Zürcher Altstadt startet fulminant: mit Kaviar und Trüffel. Die Edelzutaten sind Teil von zwei Specials, die sich seit der Eröffnung des Restaurants Ende 2020 zu Klassikern entwickelt haben. «Es gibt Leute, die rufen wegen der Trüffelbrötchen an, um diese vorzubestellen», sagt Fabian Fuchs, der die Küche verantwortet.
Dabei handelt es sich um eine fluffige Brioche (17 Fr./Stück), auf der eine Parmesancreme und eine luftig-dicke Schicht Wintertrüffel thront. Man beisst sozusagen in Trüffelluft – und versteht alle, die dafür hierher zurückkehren. Das zweite Special ist nicht weniger exquisit. «Kaviar des Feldes» (28 Fr.) heisst die in der typischen Blechdose und mit Blini-Scheiben servierte Kreation. Dabei handelt es sich nicht um Störrogen. Die feinen Perlen sind Knospen der Sommerzypresse, welche bezüglich Konsistenz dem Fischoriginal ziemlich nahe kommen. Für zusätzlichen Geschmack sorgen zwei darunter liegende Cremen: einmal auf Schnittlauch-, einmal auf Eigelbbasis.
Spätestens damit ist auch klar, was die Küche der Neuen Taverne ausmacht: Hier wird vegetarisch gekocht. Wobei das Gemüse so zubereitet wird, dass es auch anspruchsvolle Fleisch- und Fischessende glücklich macht.
Die Küchencrew der Neuen Taverne hat man beim Essen im Blick
So traditionell die Lokalität ist – die Holzeinrichtung ist denkmalgeschützt –, so modern ist das, was zum Essen serviert wird – und wie. Die Küchencrew werkelt in der offenen Küche, die für die meisten Gäste einsehbar ist. Chefkoch Fabian Fuchs hat den besten Platz. Er steht vorne am Pass, der Theke zwischen Küche und Gastraum. Hier vollendet er konzentriert die Teller, die er gemeinsam mit seiner Crew in hoher Kadenz produziert. Der Koch übernahm den Posten vor knapp drei Jahren. Fabian Fuchs war damals ein Spitzentransfer ins Gastronetzwerk von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem. Davor hatte sich Fuchs bereits im Equitable Punkte und Sterne erkocht.
Seine Position am Pass erinnert an jene eines DJ im Club: Er überblickt den ganzen Raum und steuert mit seinen Kreationen das Ambiente im Lokal. «Ich geniesse die Abende, das Anrichten wie ein Dirigent, der das Tempo bestimmt, mal pusht und bremst, je nachdem», sagt er.
In der Neuen Taverne hat man die Wahl zwischen einer Tavolata (105 Fr./Person) und einer Reihe von À-la-carte-Gerichten. Wir entscheiden uns für erstere Variante. Es gibt hübsche Radicchio-Blätter, gefüllt mit eingelegter Orange. Danach ein Tatar aus Rüebli, Randen und Sellerie, welche dryaged wurden, eine Technik, die man sonst primär bei Rindfleisch zur Geschmacksintensivierung anwendet. Beide Kombinationen sind geschmacklich rund und zugleich ambitioniert: Sie bestehen aus so vielen Komponenten, dass es kaum möglich ist, jede herauszuschmecken.
Darauf folgt ein Gericht mit gegrillten Pilzen und Sellerie an einem intensiven Gemüsejus – unser erstes Highlight im Menü, die Kombination strotzt nur so vor Umami. Der Teller hat nur ein Manko: Die Portion ist viel zu schnell weg. Aber es folgen ja noch weitere Gänge. Der geschmorte Spitzkohl mit Miso-Glasur etwa kann es bezüglich Geschmackspower mit den Pilzen aufnehmen. Der Kohl liegt auf einem Püree aus Cashewnüssen und Topinambur – das ist moderne Wohlfühlküche.
Der Hauptgang, ein Kartoffelknödel mit einer Zwiebel-Beurre-blanc hat nach diesen zwei Knallern einen schweren Stand, auch wenn als Kombination tadellos.
Ein Schlussakkord aus Tonka, Schokolade und Sanddorn
In der Küche bestimmt Fuchs das Tempo, doch die Taktgeber sind wir, weil die Bedienung, die ihrer Arbeit mit einer angenehmen Lockerheit nachgeht, uns immer mal wieder fragt, ob der nächste Gang folgen dürfe. Darf er: Gerade beim Essen zu zweit schätzen wir es, wenn die Pausen nicht zu lange werden.
Entsprechend folgt dann auch schon bald das Dessert: Bei der Kombination von Tonkaparfait, Mascarponeschaum, Schokoladenerde und Sanddorngranité hat am Gaumen jede Komponente ihren Auftritt. Ein harmonischer Schlussakkord.
Neue Taverne, Glockengasse 8, 8001 Zürich, neuetaverne.ch. Mo–Sa 12–14.30, 18–23.30 Uhr. Für unsere Restaurantkritiken besuchen wir die Gaststätten anonym und unangekündigt.
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