Datenauswertung zur LandnutzungHier hat sich die Schweiz am stärksten verändert
In den letzten dreissig Jahren hat sich die Siedlungsfläche um fast ein Drittel ausgeweitet. Finden Sie mit unserer interaktiven Gemeindesuche heraus, wie sich Ihr Wohnort verändert hat.
Wer mit dem Zug quer durch die Schweiz fährt, dem fällt auf, dass nur noch wenig Land unbebaut ist. Dieser Eindruck wird auch von den Zahlen bestätigt. Die Nutzung des Kulturlandes in der Schweiz hat sich massiv verändert: Rund ein Fünftel des Bodens wird heute anders verwendet als vor 30 Jahren. Während des vom Bundesamt für Raumentwicklung untersuchten Zeitraums von 1985 bis 2018 hat sich die Siedlungsfläche um fast ein Drittel ausgeweitet.
Dies ging zulasten der Landwirtschaftsfläche: Fast 90 Prozent des neuen Siedlungsgebietes wurden durch Einzonung von ehemaligem Acker- und Weideland gewonnen. Die Wohnareale wuchsen derweil um zwei Drittel und damit doppelt so stark wie die Bevölkerung. Dennoch macht die Siedlungsfläche nur 8 Prozent der Landesfläche der Schweiz aus. Das entspricht 3270 km² oder etwa der Fläche des Kantons Waadt.
Der Anteil der Reihen- und Terrassenhäuser explodiert
Von 1985 bis 2018 wurde im Durchschnitt jeden Tag eine Fläche von der Grösse von neun Fussballfeldern neu bebaut. Das stärkste Siedlungswachstum fand im Mittelland in den Agglomerationsgürteln der grossen Ballungszentren, aber auch in den städteübergreifenden Einzugsgebieten wie im Dreieck Olten-Winterthur-Luzern oder zwischen Genf und Lausanne statt. Auch die Talböden des Wallis und des Alpenrheins sowie die Magadinoebene und das Südtessin konnten durch die rege Bautätigkeit einen massiven Zuwachs verzeichnen. Im Wallis lag die Zunahme mit 49 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt.
Dass der Zuwachs von neuer Siedlungsfläche zu 90 Prozent auf Kosten von neu eingezontem Acker- und Weideland geht, lässt sich durch zwei Faktoren erklären: Die bestehenden Siedlungsgebiete sind in der Regel von Landwirtschaftsflächen umgeben, und der gesetzliche Schutz dieser Flächen ist relativ gering. Demgegenüber entstanden nur 10 Prozent des neuen Siedlungsgebietes durch den Verlust von Wald. Wie der Rückgang der Waldfläche genau zu erklären ist, wird anhand der Daten allerdings nicht klar. Abholzungen müssen per Gesetz durch neue Anpflanzungen kompensiert werden. Diese Gesetzgebung ist schon viel älter als das Raumplanungsgesetz.
Adrienne Grêt-Regamey, Professorin für Landschaftsplanung an der ETH Zürich, erstaunt die seit 1985 beobachtete Zersiedelung wenig: Historisch seien neue Siedlungen schon immer in der Nähe von produktiven Landwirtschaftsflächen entstanden, da dadurch die Wege zu den regionalen Märkten sehr kurz waren und Transportkosten reduziert werden konnten.
Ein Treiber der Zersiedelung ist zudem der steigende Wohlstand: «Wohlstandswachstum führt auch zu Siedlungswachstum», wie Grêt-Regamey betont. Zudem wird durch die Motorisierung und die gute Erschliessung auch abgelegener Gebiete die Bebauung am Siedlungsrand und im ländlichen Raum weiter gefördert. Auch werde in den ländlichen Gebieten, wo sich die Baureserven befinden, die Verdichtung in die Höhe aufgrund des ruralen Ortsbildes weniger stark vorangetrieben.
Nur 43 Prozent der Gemeinden haben die Nutzungspläne angepasst
Die im revidierten Raumplanungsgesetz 2012 beschlossene Verdichtung der Siedlungsfläche wurde wegen der Langsamkeit der politischen Prozesse bis anhin nur punktuell umgesetzt. Immerhin konnte seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 2014 eine Verlangsamung des Siedlungswachstums festgestellt werden, erklärt die Landschaftsplanerin. Bis heute hätten aber nur 43 Prozent der Gemeinden angepasste Nutzungspläne.
Geradezu explodiert ist die Fläche, die von den wenig platzeffizienten Reihen- und Terrassenhäusern in Beschlag genommen wird. Hier beträgt die Zunahme 156 Prozent. Dafür ist der Zuwachs bei den flächenschonenderen Mehrfamilienhäusern mit 74 Prozent deutlich grösser als bei den Ein- und Zweifamilienhäusern, deren Areal um 53 Prozent gewachsen ist.
Die Strassen, welche 27 Prozent der Siedlungsfläche beanspruchen, erschweren wegen ihres grossen Platzbedarfes und ihres teils ungünstigen Verlaufs, die Verdichtung zusätzlich. So konnten in der Stadt Zürich wegen der strengen Lärmschutzbestimmungen rund 3000 neue Wohnungen nicht realisiert werden, weil die Lärmgrenzwerte nicht eingehalten werden. Die Gesetzgebung wurde von den beiden Kammern in der Sommersession abgeschwächt.
Braucht es mehr Akzeptanz für Verdichtung?
Grêt-Regamey betont die noch ungenügende Akzeptanz für eine Verdichtung in die Höhe: Hier müsse ein gewisser Mindestlevel an Qualität erreicht werden, sonst werde die erhöhte Nutzung nicht akzeptiert. «Heutzutage ist die Baukultur nicht sehr gut. Es geht zu oft um schnellen Gewinn, und man fokussiert zu wenig auf die Eigenheiten des jeweiligen Standortes.» Darum würden Projekte oft negativ wahrgenommen. «Viele schnell wachsende Siedlungsgebiete sind schlecht an den jeweiligen Kontext angepasst. Dies verhindert eine Identifikation mit dem Ort und kann auch zu einem Verlust des sozialen Zusammenhangs führen.»
Ein Treiber der Zersiedelung ist zudem der stetig ansteigende Bedarf an Wohnraum pro Person. Grêt-Regamey findet, dass hier ein Umdenken stattfinden müsse, wenn die Verdichtung gelingen soll: «Mit mehr Multifunktionalität von Räumen könnte man die oft zu geringe Nutzungsdichte erhöhen.»
Hinzu kommt der demografische Wandel der Gesellschaft: Viele ältere Leute verbleiben nach dem Auszug der Kinder in zu grossen Wohnungen oder ganzen Häusern, und immer mehr Partnerschaften werden in Doppelhaushalten gelebt. «Es braucht neue Modelle, um den Wohnraum flexibler zu gestalten, zum Beispiel nach dem Lebensabschnitt. Wenn die Kinder aus dem Elternhaus ausziehen, sollte ein Umzug in eine kleinere Mietwohnung keine finanziellen Nachteile haben.» Hier fehlten der Ansporn für eine Mobilisierung und Finanzierungsanreize, hebt Grêt-Regamey hervor.
Das Bundesamt für Raumentwicklung geht davon aus, dass alle Gemeinden bis 2030 ihre Nutzungspläne so angepasst haben sollen, dass sie die Verdichtung der bestehenden Siedlungsfläche und die Verkleinerung von Bauzonen durch Rückzonungen berücksichtigen. Im Bundesgesetz gibt es aber keine fixe Deadline für die Gemeinden. Besonders ländliche Ortschaften hinken hinter.
In der Herbstsession 2023 hat das Parlament die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes verabschiedet. Auch sie zielt auf die Reduzierung der Zersiedelung ab: Die Anzahl Gebäude und die versiegelte Fläche ausserhalb der bestehenden Bauzonen sollen stabilisiert werden. Gemäss der neusten Erhebung stehen 618’000 Gebäude ausserhalb der Bauzone.
Wie sich die Schweiz an Ihrem Wohnort verändert hat
Die Zersiedelung und veränderte Nutzung der Kulturlandschaft kann auf der Gemeindeebene am genausten beobachtet werden. Finden Sie hier heraus, wie sich Ihr Wohnort in den vergangenen dreissig Jahren entwickelt hat.
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