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Studie zur Steueramnestie
Schweiz liegt vorne bei der Steuerhinterziehung – 66 Milliarden Franken vor Fiskus versteckt

Luftaufnahme eines Ferienhauses in Castelferrus, Frankreich; Symbolbild.
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Über das Ausmass der Steuerhinterziehung in der Schweiz gibt es kaum gesichertes Wissen. Der Bund hat das letztmals 1962 untersucht, seither gibt es nur Schätzungen mit sehr unterschiedlichen Resultaten. Im März 2019 lehnte es der Nationalrat ab, vom Bundesrat einen Bericht über das Ausmass der Steuerhinterziehung zu verlangen.

Nun bringt eine wissenschaftliche Untersuchung etwas Licht ins Dunkel. Sie stellt fest: Steuerhinterziehung ist in der Schweiz weitverbreitet.

Seit 2010 bleiben Steuersünder straflos, wenn sie sich selbst anzeigen und die hinterzogenen Steuern nachzahlen. Wie viel Vermögen im Zuge dieser Amnestie legalisiert wurde, wird allerdings von der Steuerverwaltung nicht erfasst – das ist Sache der Kantone. 

Enea Baselgia, Autor der Studie und Doktorand an der Universität St. Gallen, hat die Resultate bei den Kantonen erhoben und die erste umfassende Quantifizierung der im Rahmen der Amnestie offengelegten Vermögen vorgenommen.

Im Schnitt versteckten die Steuersünder ein Drittel ihres Vermögens

Demnach haben von 2010 bis 2020 rund 156’000 Steuerpflichtige an der Amnestie teilgenommen. Das sind fast 3 Prozent aller Steuerpflichtigen.

Insgesamt deklarierten sie versteckte steuerpflichtige Vermögenswerte in Höhe von mindestens 66 Milliarden Franken. Das entspricht 3,5 Prozent des gesamten in der Schweiz deklarierten steuerpflichtigen Vermögens.

«Die Ergebnisse der Steueramnestie zeigen, dass die Steuerehrlichkeit in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ niedrig ist.»

Enea Baselgia, Doktorand der Universität St. Gallen und Studienautor

Die Offenlegungen führten zu Steuernachzahlungen in der Höhe von 5,6 Milliarden Franken für den untersuchten Zeitraum 2010 bis 2020.

Diese Zahlen sollten als Untergrenze angesehen werden, betont der Autor. Das liegt unter anderem daran, dass insbesondere die Kantone Zug und Waadt nicht bereit waren, Daten zu liefern, sodass deren Werte aufgrund der anderen Kantone geschätzt werden mussten. 

Die Vermögen der amnestierten Steuersünder erhöhten sich durch die Deklarierung um durchschnittlich 50 Prozent. Das bedeutet umgekehrt, dass sie vor der Offenlegung im Schnitt ein Drittel ihres Vermögens vor dem Fiskus versteckt hielten.

Der Schweiz wurde in der Vergangenheit eine relativ hohe Steuermoral attestiert, so etwa in einer Studie von Andreas Bühn und Friedrich Schneider aus dem Jahr 2012. Die neuen Daten bringen diese Beurteilung ins Wanken.

«Die Ergebnisse der Steueramnestie zeigen, dass die Steuerehrlichkeit in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ niedrig ist», sagt Enea Baselgia.

Steueramnestie wurde viel mehr genutzt als in anderen Ländern

Sowohl die Zahl der Teilnehmenden als auch der Umfang der aufgedeckten Vermögenswerte – rund 10 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts – sind wesentlich grösser als bei Amnestien in anderen Ländern. In den nach Einwohnern doppelt so grossen Niederlanden nahmen von 2002 bis 2018 nur rund 27’000 Personen an der Steueramnestie teil. Sie legten insgesamt rund 12 Milliarden Euro offen, also etwa 1,6 Prozent des BIP. Auch in skandinavischen Ländern war die Amnestiebeteiligung sehr viel geringer als in der Schweiz.

Das hohe Ausmass der Steuerhinterziehung führt Baselgia darauf zurück, dass Finanzvermögen durch das Bankgeheimnis geschützt waren. Ihre Besteuerung beruhte vollständig auf Selbstdeklaration. Das Risiko, erwischt zu werden, war folglich minim – bis 2017, als die Schweiz den Automatischen Informationsaustausch (AIA) einführte.

Seither fliessen die bisher durch das Bankgeheimnis geschützten Daten über die Grenzen – auch solche über auslän­dische Konten von Schweizer ­Bürgern.

Damit schützt das Bankgeheimnis nur noch Konten im Inland. Für Hinterzieher mit Konten im Ausland erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, mit einem Schlag drastisch.

Baselgia zeigt in seiner Arbeit erstmals auf, wie stark sich der Automatische Informationsaustausch auf die Steuerehrlichkeit ausgewirkt hat. Sieben von zehn an der Amnestie Teilnehmenden wurden erst durch die Einführung des AIA zur Offenlegung gezwungen.

Mehr als die Hälfte der aufgedeckten Vermögenswerte können darauf zurückgeführt werden.

Im internationalen Vergleich scheint das Amnestie-Vermögen in der Schweiz viel gleichmässiger verteilt zu sein. Während in anderen Ländern fast ausschliesslich Steuerpflichtige mit den allerhöchsten Vermögen an Amnestien teilnehmen, machten in der Schweiz auch viele aus mittleren bis hohen Vermögensschichten mit. Diese legten auch Immobilienvermögen offen, das vom Automatischen Informationsaustausch eigentlich nicht erfasst wird.

Andererseits liefert die gleichmässigere Verteilung gemäss Baselgia auch ein Indiz, dass der Automatische Informationsaustausch bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung bei den grössten Vermögen «nicht allzu wirksam sein könnte».