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Luftbrücke für Baby-Milchpulver
Schweiz hilft den USA aus der Patsche

Um die Knappheit an Säuglingsnahrung zu bekämpfen, fliegen die USA 22 Tonnen Babymilchpulver von Nestlé ein.
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Es klingt wie eine Szene aus einem Kriegsgebiet: Militärmaschinen werden losgeschickt, um eilig Milchpulver einzufliegen, damit Säuglinge genug zu trinken kriegen. Geschehen ist das aber in den Vereinigten Staaten von Amerika, der reichsten Wirtschaftsmacht der Welt: Diese Woche hat US-Präsident Joe Biden eine Luftbrücke eingerichtet, gestützt auf altes Kriegsrecht, weil die Lagerbestände von Milchpulver um fast die Hälfte eingebrochen waren und sich Tausende Eltern beschwerten, sie müssten stundenlang durch die Gegend fahren, um Nahrung für ihre Babys zu finden.

Nun hat die Schweiz als erstes Land ausgeholfen. Wie die US-Botschaft in Bern am Freitag mitteilte, haben amerikanische Militärflugzeuge am Donnerstag in der Schweiz 1,5 Millionen Büchsen mit speziellem Milchpulver abgeholt. Das von Nestlé hergestellte Produkt ist für Kinder mit Milchallergie geeignet; diese Spezialmischung sei in den USA besonders knapp.

Sympathiepunkte für die Schweiz

Für die Schweiz ist das durchaus auch ein politischer Erfolg. Die amerikanische Botschaft in Bern schreibt selbst, die Lieferung «unterstreicht die Stärke der dynamischen US-Schweizerischen Beziehung und die Wichtigkeit unserer robusten wirtschaftlichen Partnerschaft». Das sind überaus wohlwollende Töne aus einem Land, dem das Weisse Haus noch vor kurzem vorgeworfen hatte, die Sanktionen gegen Russland nur ungenügend umzusetzen.

Es dürfte auch Balsam auf die Seelen jener sein, die auf ein rasches Freihandelsabkommen mit den USA gehofft hatten, von der Biden-Regierung aber jäh ausgebremst wurden. Die Milchpulver-Lieferung dürfte die Prioritäten im Weissen Haus nicht plötzlich umstürzen; Sympathiepunkte hat die Schweiz aber mit Sicherheit gesammelt.

Insgesamt importieren die USA rund 22 Tonnen Babymilchpulver der drei Sorten Alfamino Infant, Alfamino Junior und Gerber Good Start Extensive HA von Nestlés Pharmasparte Nestlé Health Science (NHSc).  Die Produkte, die die USA von Nestlé kaufen, sind speziell für Babys geeignet, die keine Kuhmilch vertragen. Sie hätten bei der Einfuhr Vorrang erhalten, weil sie «einem wichtigen medizinischen Zweck dienten und in den Vereinigten Staaten nur begrenzt verfügbar» seien, sagte ein Sprecher der US-Botschaft in der Schweiz gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.

Das gesamte Afalmino für den amerikanischen Markt wird laut einer NHSc-Sprecherin in der Fabrik von NHSc im bernischen Konolfingen hergestellt. Um die zusätzlichen Mengen produzieren zu können, habe man in den letzten Monaten die Produktion hochgefahren. «Es gibt keine Auswirkungen auf das Angebot für andere Märkte», betonte die Sprecherin. Wie viel Geld der zusätzliche Auftrag Nestlé einbringt, legte sie allerdings nicht offen.

Schliessung von Abbott-Fabrik sorgt für Knappheit

Normalerweise wird fast der gesamte Bedarf an Säuglingsnahrung in den USA im Inland hergestellt. Gleichzeitig ist der Markt aber nur auf wenige Hersteller verteilt. Auch die Nestlé-Tochter Gerber stellt in den USA Babymilchpulver her, ist dort aber laut der Sprecherin nur ein sehr kleiner Player.

Ganz anders als der US-Konzern Abbott, der mit Abstand am meisten Säuglingsnahrung für die grösste Volkswirtschaft der Welt produziert – was natürlich ein erhebliches Klumpenrisiko birgt: Im Februar musste Abbott seine grösste Fabrik in den USA schliessen, weil es Hinweise auf Verunreinigungen von Babynahrung gab. Das hat dann zur aktuellen Knappheit geführt.

Verstärkt wird diese Angebotslücke zusätzlich durch die nach wie vor herrschenden Lieferengpässe und den anhaltenden Personalmangel, die auch Hersteller von Milchpulver trifft.

Der Chef der US-Gesundheitsbehörde FDA liess zwar kürzlich durchblicken, dass das Abbott-Werk den Betrieb demnächst wieder aufnehmen darf, der Mangel ist aber offenbar schon akut: Diverse Medien berichten davon, wie Eltern im Supermarkt vor leeren Milchpulver-Regalen stehen. Besonders Babys, die besondere Ernährungsansprüche haben wie zum Beispiel eine Kuhmilchallergie, haben es aktuell schwer, ihren Muttermilchersatz zu bekommen.

Kriterien werden gelockert

Das Ganze ist auch bereits zum Politikum geworden: Abgeordnete wie etwa die Republikanerin Elise Stefanik werfen Präsident Joe Biden vor, sich nicht schnell genug um eine Lösung gekümmert zu haben. Am Mittwoch legte der Präsident dann den Plan mit dem Namen «Operation Fly Formula» vor.

Dieser sieht vor, dass die Einfuhr von Säuglingsnahrung, die ursprünglich nicht für den US-Markt gedacht war, vereinfacht und vor allem beschleunigt werden soll. «Die Unternehmen müssen jedoch Informationen vorlegen, anhand derer die FDA beurteilen kann, ob ihr Produkt sicher verwendet werden kann und ob es eine angemessene Ernährung bietet», so der Botschafts-Sprecher.

Dazu gehörten etwa die Etikettierung, Informationen über die Nährwerte sowie Angaben über Lebensmittelsicherheit und Inspektionen in den Fabriken. «Aufgrund der Knappheit werden von der FDA vorrangig Produkte zugelassen, die die Sicherheit und ernährungsphysiologische Angemessenheit nachweisen können und über die grösste verfügbare Produktmenge verfügen», sagte er. Da Nestlé in Konolfingen aber bereits für den amerikanischen Markt produziert, musste das Unternehmen in diesem Fall keine speziellen Anforderungen erfüllen. 

(Mit Material von den Agenturen)