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Werden Gas und Strom knapp?
Schweiz ergreift auch dieses Jahr Massnahmen gegen Energiemangel

Wirtschaftsminister Guy Parmelin und die damalige Energieministerin Simonetta Sommaruga haben im August 2022 die Bevölkerung gemeinsam zum Energiesparen aufgerufen.
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Heute vor einem Jahr war es das grosse Thema: Hat die Schweiz im Winter genügend Gas und Strom? Oder werden wir frieren müssen? «Jede Kilowattstunde zählt», sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin im August 2022 und startete zusammen mit der damaligen Energieministerin Simonetta Sommaruga eine Sparkampagne. Später entwarf der Bundesrat auch einen Notfallplan mit einer maximalen Raumtemperatur von 20 Grad und schlimmstenfalls vorübergehenden Stromabschaltungen.

Der Winter war dann jedoch sehr milde, und der Bund musste den Notfallplan nicht umsetzen. «Fehlalarm», dachten sich wohl viele. Jetzt, einen Sommer später, ist ein möglicher Energiemangel im Winter kaum mehr ein Thema. Obwohl der Krieg in der Ukraine andauert und das russische Gas nach wie vor fehlt. Es gibt freilich auch Grund zur Zuversicht: Vor einem Jahr mussten viele französische Atomkraftwerke wegen Wartungsarbeiten vorübergehend vom Netz genommen werden. Inzwischen ist das Angebot an Kernenergie deutlich grösser, auch wenn Deutschland in diesem April seine drei letzten AKW abgeschaltet hat. Kommt hinzu, dass vermehrt Flüssiggas importiert werden kann und die Speicherseen in den hiesigen Alpen gegenwärtig gut gefüllt sind.

Entsprechend entspannt ist die Situation an den Strommärkten – auch im Hinblick auf den kommenden Winter. Wer heute eine Megawattstunde für Januar 2024 kaufen will, kann dies für rund 200 Franken tun. Das ist etwas mehr als vor dem Krieg in der Ukraine, aber im letzten Spätsommer war der Preis vorübergehend rund fünfmal höher. Auch am Gasmarkt hat sich die Situation wieder beruhigt. Dennoch schliessen die Fachleute einen Strommangel nicht aus. Denn vieles hängt von den Temperaturen im nächsten Winter ab. Leidet ganz Europa unter klirrender Kälte, braucht es viel mehr Gas und Strom als erwartet.

Klimastreik kündigt Widerstand an

Der Bund ergreift daher auch für dieses Jahr Vorsichtsmassnahmen. Dazu gehört etwa die sogenannte Wasserkraftreserve. Dabei verpflichten sich Kraftwerksbetreiber, gegen eine Entschädigung Wasser zurückzuhalten, das sie bei einer Mangellage turbinieren können. Ein Teil dieser Reserve wurde bereits geordert, der Rest soll bis September ausgeschrieben werden.

Darüber hinaus hat der Bundesrat die Schweizer Gasnetzbetreiber verpflichtet, auch für diesen Winter eine physische Gasreserve im Umfang von 15 Prozent des Jahresverbrauchs zu beschaffen. Bloss gibt es in der Schweiz selbst keine bedeutenden Gasspeicher, in welchen diese Reserven gelagert werden könnten. Die Gasvorräte müssen daher in den Nachbarländern gespeichert werden – in der Hoffnung, dass sie im Notfall wie vereinbart zur Verfügung stehen.

Bundesrat Albert Rösti hat mit Italien ein Gasabkommen unterschrieben.

Energieminister Albert Rösti konnte Anfang Juli mit Italien eine Vereinbarung unterzeichnen. Sie erlaubt es der Schweiz, aus Italien Gas zu beziehen, falls via Deutschland keines mehr geliefert würde. Im Gegenzug verpflichtet sich unser Land, kein Gas aus der Transitpipeline zu entnehmen, das durch die Schweiz zum südlichen Nachbarn fliesst. 

Zur Verfügung stehen auch die Reservekraftwerke in Birr, Cornaux und Monthey, die aus Gas notfalls Strom machen könnten. Die Verträge für diese Kraftwerke gelten noch bis 2026. Für die Zeit danach hat das Bundesamt für Energie (BFE) am Freitag eine Ausschreibung gestartet, um sich diese Reserveleistung für fünfzehn weitere Jahre zu sichern. Darauf kündigte der Klimastreik umgehend «auf allen Ebenen Widerstand gegen die geplanten fossilen Kraftwerke» an.

Schliesslich will der Bund auch dieses Jahr ans Energiesparen appellieren. «Dafür reicht eine Erinnerung, denn die Leute wissen ja bereits vom letzten Winter her, wie es geht», sagt BFE-Sprecher Fabien Lüthi. Eine eigentliche Sparkampagne werde man nur lancieren, wenn es wirklich nötig sei. «Aber wir sind vorbereitet, wir haben alles in der Schublade», so Lüthi.

Strompreise steigen wohl um mehr als 10 Prozent

Sollte es dennoch zu einer Strommangellage kommen, wird der Bundesrat seinen Notfallplan umsetzen. Dieser sieht Schritt für Schritt immer strengere Eingriffe vor. Nach eindringlichen Sparappellen müssten die Leuchtreklamen in der Nacht abgeschaltet werden, dann würden Schneekanonen verboten und dürften die Läden weniger lang geöffnet sein. Anschliessend könnte sogar der Strom für Firmen kontingentiert werden – und im Extremfall würde das Netz vorübergehend abgeschaltet. Dies möchte der Bund aber mit seinen Vorsichtsmassnahmen verhindern.

So oder so werden wir uns auf höhere Strompreise einstellen müssen. Die Hälfte der Grundversorger dürfte im kommenden Januar die Preise um 12 Prozent und mehr erhöhen. Das prognostiziert der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen aufgrund einer Umfrage bei seinen Mitgliedern. Bereits dieses Jahr haben sie im Mittel um 27 Prozent aufgeschlagen.

Der Grund für die andauernden Preiserhöhungen liegt darin, dass die meisten Stromversorger die Elektrizität langfristig beschaffen. Ein Teil des Stroms für 2024 wurde also 2022 gekauft, als er besonders teuer war. Kommt hinzu, dass auch die Zuschläge für den Netzbetreiber Swissgrid und die Vorsichtsmassnahmen des Bundes gestiegen sind. Bis Ende August haben die Stromversorger Zeit, ihre Tarife für 2024 zu melden.