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Verbindung Schweiz–London
Direktzüge sind deutlich wahrscheinlicher geworden

Ein Eurotunnel-Shuttle verlässt den Kanaltunnel nahe Calais, Frankreich, mit Autos aus London am 1. Juli 2010.
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In Kürze:
  • Neue Direktverbindungen von der Schweiz nach London sind mittlerweile deutlich mehr als nur ein unrealistischer Wunsch.
  • Die Firma Getlink, die den Eurotunnel betreibt, strebt umweltfreundliche Zugreisen von unter sechs Stunden zwischen London und der Schweiz an.
  • Grosse Herausforderungen sind die Sicherheitsabfertigung und Infrastrukturkosten.
  • Nicht nur staatliche, sondern auch private Unternehmen zeigen Interesse an Eurotunnel-Verbindungen.

Wer heute aus der Schweiz ins Vereinigte Königreich reist, wählt in aller Regel das Flugzeug als Transportmittel: Der Billettpreis ist in den meisten Fällen tiefer als im Zug, die gesamte Reisezeit zudem deutlich kürzer – dem Auto gegenüber sowieso. Täglich heben von Zürich, Basel und Genf rund 50 Flüge in Richtung der verschiedenen Londoner Flughäfen ab. So gefragt ist bei den Schweizer Flugpassagieren keine andere Destination.

An diesem Bild könnte sich bald etwas ändern: Getlink, die französische Betreibergesellschaft des Eurotunnels zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich, bemüht sich um neue Direktverbindungen zwischen dem Londoner Hochgeschwindigkeitsbahnhof St. Pancras und dem europäischen Festland. Das hat das Unternehmen am Donnerstag mitgeteilt. Sie hat dazu eine Absichtserklärung mit jener Firma abgeschlossen, die St. Pancras und die britische Zubringerstrecke zum Eurotunnel betreibt.

Die Schweiz steht dabei explizit im Fokus. «Wir wollen attraktive Möglichkeiten für umweltfreundliche Reisen nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz», lässt sich Getlink-Chef Yann Leriche in der Medienmitteilung zitieren. Ziel dabei ist es, Zugreisen mit weniger als sechs Stunden totaler Reisezeit anzubieten. Alles unter dieser Limite gilt als konkurrenzfähig gegenüber dem Flugzeug.

Zwar ist die eigentliche Fahrzeit im Zug damit noch deutlich länger als im Flugzeug; zwischen Zürich und London beträgt die Flugzeit gut anderthalb Stunden. Doch macht die Eisenbahn einen Teil ihres Temponachteils dadurch wett, dass die Bahnhöfe anders als die Flughäfen jeweils an Zentrumslage gebaut sind. Auch lässt sich im Zug oft besser arbeiten und angenehmer speisen als im Flugzeug. Ausserdem ist Zugfahren deutlich umweltfreundlicher als Fliegen, was die Entscheidung eines Teils der Kundschaft beeinflusst.

Heute dauert eine Zugreise von Genf oder Zürich nach London mindestens sieben Stunden, von Basel sind es sechs. Besonders unattraktiv daran ist, dass dafür in Paris jeweils ein Bahnhofswechsel per Métro oder Regionalzug nötig ist. Die SBB wälzen die Idee einer Direktverbindung darum schon seit längerem. Zur jüngsten Entwicklung wollten sie am Wochenende keine Stellung beziehen.

Hingegen verweisen sie darauf, dass sie dazu 2022 eine Machbarkeitsstudie in Zusammenarbeit mit der französischen Staatsbahn SNCF in Auftrag gegeben hatten. Sie hätte bereits 2024 abgeschlossen sein sollen, scheint jedoch Verspätung zu haben. Die Hoffnung ist, dem Beispiel von Paris zu folgen: Der Flugverkehr zwischen der französischen Hauptstadt und London halbierte sich in den 25 Jahren nach der Eröffnung des Eurotunnels 1994 beinahe.

Die grösste Hürde ist die Sicherheitskontrolle

«Basel–London in rund fünf Stunden, das ist möglich», sagte Philipp Mäder, Leiter Internationaler Personenverkehr der SBB, laut dem Fachportal «Travelnews» schon vor anderthalb Jahren über das Szenario einer Direktverbindung. Als Problem identifizierte Mäder die Verbindung unter dem Ärmelkanal: «Die Infrastruktur ist auf dieser Strecke – unter anderem wegen der Fahrt durch den Eurotunnel – teuer.»

Die Zeichen, dass Bewegung in diese Sache kommt, sind in der jüngsten Mitteilung deutlich zu erkennen. Sie wollten «bisherige und neue Bahnbetreiber ermutigen, neue Ziele anzufahren», schreiben die Betreiber des Eurotunnels und des britischen Teils der Strecke. Dafür sollen «Fahrzeiten verkürzt, Fahrpläne besser koordiniert und enger an Wachstumspläne angepasst werden». Damit wollen die Firmen die Kapazität des Tunnels von aktuell 1800 durchfahrenden Fahrgästen pro Stunde auf 5000 erhöhen.

Für eine erfolgreiche Direktverbindung zwischen der Schweiz und London braucht es allerdings mehr als Kapazitätserweiterungen und Preisabschläge im Unterseetunnel. Die grösste Hürde besteht in der Sicherheitsabfertigung: Wer Züge vom Festland in Richtung Vereinigtes Königreich besteigt, muss heute eine Kontrolle passieren, die jenen am Flughafen ähnelt.

Dies nicht nur, weil das Vereinigte Königreich nicht Teil des Schengen-Systems ist, sondern auch, um Anschläge auf den Eurotunnel zu verhindern. Im Schweizer System der offen zugänglichen Perrons für wenige Züge pro Tag eine solche Kontrollinfrastruktur einzurichten, wäre herausfordernd.

Richard Branson will Züge durch den Eurotunnel anbieten

«Wir schauen derzeit, mit wem wir zusammenarbeiten und welche Züge eingesetzt werden könnten», sagte zudem SBB-Präsidentin Monika Ribar im Herbst den Zeitungen von CH Media. Die schnellsten Züge im Besitz der SBB - die Giruno, die insbesondere im Verkehr durch den Gotthard zum Einsatz kommen - sind mit ihren maximal 250 Kilometern pro Stunde zu langsam für das französische Hochgeschwindigkeitsnetz.

Denkbar wäre eine engere Zusammenarbeit mit der SNCF, mit der die SBB die Lyria-Züge nach Paris im Gemeinschaftsunternehmen betreiben. Die SNCF ist Mehrheitseignerin des Unternehmens Eurostar, das bisher als einziges durch den Eurotunnel fährt. Aufgrund der hohen Brandschutzanforderungen dürfen nur eigens zugelassene Züge durch den Tunnel fahren.

Eurostar wird auf der Tunnelstrecke nur noch für kurze Zeit der einzige Anbieter sein. Verschiedene private Unternehmen haben in den vergangenen Monaten Interesse an eigenen Verbindungen angekündigt. Zu ihnen gehört neben den Start-ups Evolyn (Spanien) und Heuro (Niederlande) auch der britische Mischkonzern Virgin im Besitz des Milliardärs Richard Branson.

Bundesrat will sich nicht selbst engagieren

Wollten diese Firmen bis in die Schweiz fahren, wäre das ein Politikum: Inwiefern die Schweiz ihre Strecken auch ihnen zur Verfügung stellen muss, war Teil der Verhandlungen des Bundesrats mit der EU über ein neues Vertragspaket. Es sieht eine gewisse Öffnung des Schweizer Netzes für ausländische Unternehmen vor, allerdings unter strengen Bedingungen.

Im Grundsatz scheint sich die Schweizer Politik eine Direktverbindung nach London zu wünschen. Das bekräftigte der Bundesrat vor zwei Jahren als Reaktion auf einen parlamentarischen Vorstoss. Selbst wolle er sich jedoch nicht für die neue Verbindung engagieren, schrieb er damals. Das sei Aufgabe der Branche.