Simple TrainSie machen Zugfahren leichter – mit Service, den die SBB nicht bieten
Fünf junge Schweizer haben eine Firma gegründet, die Zugticket-Käufe für Auslandreisen einfach macht. Wir haben sie nach ihren Buchungstricks gefragt.
![Zwei Personen vom Gründerteam von Simple Train stehen auf einem Bahnhofsgleis in Zürich. Im Hintergrund sind Bahngleise und Gebäude zu sehen.](https://cdn.unitycms.io/images/4XDpAEUOais9kO3BAnF2Xc.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=EAyI5SI6Tkw)
- Simple Train ist ein Start-up aus dem Zürcher Oberland, das sich auf die Buchung von internationalen Bahnverbindungen spezialisiert.
- Eben wurde das Start-up mit dem neuen Zürcher Zukunftspreis ausgezeichnet.
- Das junge Unternehmen will zur Mobilitätswende beitragen und sucht für die Nutzer auf Strecken in Europa attraktive Zugverbindungen.
- Wo die Bahngesellschaften der einzelnen Länder nicht oder schlecht kooperieren, springt Simple Train in die Lücke und bietet Zugverbindungen aus einer Hand.
Wer mit dem Flieger verreisen will, kann sein Ticket mit wenigen Klicks auf dem Handy buchen. Wer aber schon mit dem Zug ins Ausland gereist ist, womöglich noch über mehrere Landesgrenzen hinweg, weiss: Die richtigen Tickets zu lösen, kann ganz schön kompliziert sein. Das nervt. Vor allem, wenn man diese Art des Reisens bewusst gewählt hat, um die Umwelt zu schonen.
Doch jetzt gibts Hilfe. Simple Train, ein Zürcher Start-up, verkauft Zugtickets in wirklich jede Ecke Europas und sogar nach Nordafrika. Und das erst noch so günstig wie möglich.
In einem Altstadtbau in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs sitzen die Jungunternehmer, die hinter Simple Train stecken, dicht gedrängt in einem kleinen Büro. An die Wände sind Karten und Zettelchen angepinnt, in der Ecke steht ein Drucker für Bahnbillette. Was es hier indes nicht gibt: fixe Arbeitsplätze für die Angestellten, geschweige denn festgefahrene Strukturen. Hier ist alles provisorisch, ein bisschen wie damals in der Garage von Steve Jobs im kalifornischen Los Altos, denkt man.
Okay, der Vergleich mit Apple ist vielleicht etwas verwegen. Pioniergeist herrscht aber auch bei Simple Train. Und Begeisterung: «Es ist cool, zu sehen, wie sich unsere Firma entwickelt», sagt Saskia Bilang und strahlt. Und ihr Geschäftspartner Austin Widmer nickt und doppelt nach: «Das ist unser Herzensprojekt.»
Als Kind viel mit dem Zug gereist
Simple Train entstand kurz vor der Coronapandemie. Das Projekt aus der Taufe hob Marius Portmann, der mit Bilang und Widmer ins Gymi gegangen war. (Oder besser: mit Saskia und Austin. Auf der Firmenwebsite werden alle nur mit Vornamen vorgestellt.) Schon als Kind war seine Familie immer mit dem Zug in die Ferien gereist – und so wurde aus ihm ein leidenschaftlicher Bahnfan.
Nach der Matur begann er, via Facebook eine Dienstleistung anzubieten, die sich mit seiner Leidenschaft deckte: Gegen Bezahlung suchte er Bahnverbindungen ins Ausland – und besorgte auch gleich die Tickets. Eine simple Idee, aber offenbar auch ein Bedürfnis: Sich im Dschungel der europäischen Fahrpläne und Tarifsysteme zurechtzufinden, ist wirklich nicht einfach. Doch was andere als mühsam empfinden, sah Portmann als Herausforderung – und je mehr er sich in die Materie vertiefte, desto besser wusste er Bescheid.
Die Nachfrage war von Anfang an gross und wurde schnell grösser. Schon nach wenigen Wochen hatte sich Portmanns Kundenstamm über seinen Kollegenkreis hinaus erweitert, und er kam mit der Arbeit nicht mehr nach. Damals stiessen Austin Widmer und Linus Egli hinzu und wenig später Saskia Bilang und Karin Hugentobler, allesamt ehemalige Schulfreunde aus der Kantonsschule Zürcher Oberland. «Fünf Freunde aus dem Oberland», sagt Saskia grinsend und spielt damit auf die Bücher von Enid Blyton an, die nicht nur sie als Kind verschlungen hat.
Von Migros und ZKB gefördert
Im September 2020 machten die Freunde Ernst. Die Firma wurde offiziell gegründet – der Name war schnell gefunden: Simple Train –, sie bekam eine eigene Website samt einem einfachen Buchungssystem. Das Team wurde grösser, es stiessen IT-Spezialisten und Kommunikationsfachleute hinzu. Simple Train schloss Vertriebspartnerschaften mit den wichtigsten europäischen Bahn- und Fährgesellschaften ab, und die Jungunternehmer bemühten sich um Bankkredite.
![Saskia Bilang und Austin Widmer von Simple Train stehen vor einem Hochgeschwindigkeitszug auf einem Bahnsteig.](https://cdn.unitycms.io/images/60ly9XlK41bA45slCTxnxE.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=37lGJIVFZsw)
«Am Anfang waren wir vollkommene Grünschnäbel», erinnert sich Austin lachend. Doch sie lernten schnell hinzu und vor allem: «Wir hatten keine Angst.» Häufig klappte etwas nicht im ersten Anlauf, doch die Simple-Train-Gründer liessen sich nicht so rasch abschütteln. «Wir waren hartnäckig bis zur Aufsässigkeit, haben manchmal auch den Chef verlangt, so lange, bis die Verträge unterzeichnet waren.»
Mit der Firmengründung geriet Simple Train ins Visier von Talentspähern: «Wir wurden vom Migros-Pionierfonds gescoutet», erzählt Austin Widmer. Mittlerweile ist die dreijährige Förderpartnerschaft mit der Migros zwar zu Ende. Doch eben wurde Simple Train mit dem Zürcher Zukunftspreis ausgezeichnet, den der Zürcher Kantonsrat dieses Jahr erstmals vergeben hat. «Das macht uns stolz», sagt Saskia Bilang. Die 16’000 Franken aus der Jubiläumsdividende der Kantonalbank werde man in die weitere Automatisierung des Buchungstools investieren.
Und wie gehts weiter? «Simple Train steht im Moment an der Schwelle, ein ernst zu nehmender Player im Bahnticketing zu werden, wie etwa Trainline in Grossbritannien», sagt Austin Widmer.
Alle möglichen Reisen, aber keine Hotelbuchungen
In den ersten Monaten mussten alle Bestellungen manuell erledigt werden. Inzwischen ist das Buchungstool so weit entwickelt, dass ein Grossteil der Tickets an die wichtigsten Destinationen der Nachbarländer automatisch erledigt werden kann.
Wenn die Anfragen komplizierter werden, Spezialwünsche wie Velotransport oder Hundetickets dazukommen und Rückfragen nötig sind, wird allerdings noch immer von Hand gearbeitet. Grundsätzlich wird mit Ausnahme von Hotelbuchungen jede Bestellung erledigt, auch für Reisegruppen. So hat Simple Train schon Reisen nach Marokko oder nach Kirgistan organisiert.
Und was das Versprechen des günstigsten Tarifs angeht, so hat sich die Truppe im Laufe der Zeit schon einige unkonventionelle Kniffe angeeignet. So werden zum Beispiel bisweilen Interrail-Tickets ausgestellt oder die Carte Avantage eingesetzt, eine Art französisches Halbtax. «Weitere Buchungstricks werden nicht verraten», sagen Saskia Bilang und Austin Widmer schmunzelnd. Nur so viel: Auf gewissen Strecken könne es günstiger sein, eine Reise ab Zürich im Ausland zu buchen. Mit solchem Know-how bietet Simple Train inzwischen so manche Dienstleistung an, die es am SBB-Schalter nicht gibt.
Bis heute hat Simple Train rund 10’000 Reisewünsche erfüllt. Und der Kundenstamm wächst. Regelmässig würden auch ältere Personen über sie buchen, die mit dem digitalen Ticketing nicht so vertraut sind. «Das zeigt uns, dass unser Tool einfach zu nutzen ist», sagt Austin Widmer. Vor einiger Zeit haben auch Reisebüros begonnen, Zugreisen über Simple Train zu buchen.
Und wie läuft eine solche Buchung nun ab? Wer Simple Train nutzen will, muss das mindestens fünf Tage vor der Reise tun; kurzfristigere Buchungen können nicht berücksichtigt werden. Sobald eine Onlineanfrage eintrifft, erkennt das System, ob der Auftrag automatisiert oder manuell erledigt werden kann.
Dann wird für Neukunden eine Bearbeitungsgebühr von 25 Franken fällig, die beim Abschluss eines Auftrags angerechnet wird. Innerhalb von 48 Stunden erhalten die Kunden eine Offerte, meist mit verschiedenen Reisevarianten. Bei Fragen steht eine Chatfunktion zur Verfügung.
Sobald der Auftrag gebucht wird, stellt Simple Train alle Tickets aus, die für eine Reise nötig sind. Weil die meisten Bahngesellschaften jeweils eigene Ticketsysteme haben, sind oft viele verschiedene Tickets nötig – die Dateien, welche die Kunden zugeschickt bekommen, können also ganz schön gross ausfallen. Manchmal müssen die Tickets auch ausgedruckt werden. Freigeschaltet oder verschickt wird alles erst, nachdem die Zahlung eingegangen ist.
Zugreisen sind romantischer
Und was ist die Hauptmotivation für die Jungunternehmer, ihr Beitrag zum Klimaschutz oder der Ehrgeiz, eine gute Dienstleistung zu erbringen? Beides, finden Saskia Bilang und Austin Widmer übereinstimmend. Von der Flugschambewegung möchten sie sich aber distanzieren. «Wir machen hier keine Politik», sagt Widmer. Es gehe ihm vielmehr darum, eine altmodische Branche aufzumischen und die Bahngesellschaften zu motivieren, ihre Angebote besser zu koordinieren.
Und weshalb soll man eine 40-Stunden-Reise nach Kreta mit Zug und Schiff buchen, wenn man die Strecke zum gleichen Preis auch in vier Stunden per Flugzeug bewältigen kann?
Da gibt es für Bilang und Widmer zwei Gründe. Erstens verursache die Reise über Land und Wasser nur ein Zehntel an Treibhausgasen. Zweitens könne man sich auf der langen Reise besser auf die Ferien einstimmen. «Es ist romantischer, im Zug zu reisen, und es kann einem schöne Begegnungen bescheren», sagt Saskia. «Ich habe so schon ein gemeinsames Yogatraining auf dem Bahnsteig erlebt.»
Mehr Infos: simpletrain.ch
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