Billettkauf im InternetWieso es bei SBB-Reisen ins Ausland so viele Hürden gibt
Bei Infrastruktur und Pünktlichkeit sind die Schweizerischen Bundesbahnen top. Anders schaut es bei Onlinebuchungen für Auslandsreisen aus.
Eine Zugreise ins nahe Ausland ist für viele eine gleichwertige Alternative zum Flug – etwa mit Blick auf den Umweltgedanken. Allerdings ist es gar nicht so einfach, via Website der SBB solche Zugreisen zu buchen. Auf der App ist es gar nicht möglich.
Aus der Leserschaft kamen verschiedene Hinweise, wonach Reservationen auf sbb.ch mit einigen Stolpersteinen verbunden sein können. Drei Beispiele:
Reservation nur bis London
Ein Leser berichtet, dass er von der Schweiz aus gerne mit dem Zug nach Grossbritannien fährt, um dort per Schiene das Land zu erkunden. Aber: Mit der SBB ist nur die Fahrt bis nach London buchbar. Billette für alle weiteren Strecken ab London müsse er direkt bei den verschiedenen britischen Netzbetreibern kaufen, so der Leser. «Da wird es kompliziert, weil es weit über ein Dutzend grosse private Bahngesellschaften gibt, deren Websites man ansteuern muss.» Zwar könne er solche Fahrten über spezialisierte Portale wie Trainline oder Omio buchen. Dafür falle allerdings eine Servicegebühr an.
Keine Online-Umbuchung möglich
Beim zweiten Beispiel geht es um eine Reise von Bern nach London via Paris. Ein Leser hatte dafür «Flex»-Tickets gekauft und wollte den geplanten Ausflug mit dem Zug umbuchen. «Online wurde ich für die Etappe von Paris nach London auf die Eurostar-Site umgeleitet und konnte dort die Umbuchung problemlos machen», sagt er. Aber: «Den TGV von Bern nach Paris musste ich am Schalter umbuchen.» Das sei etwas seltsam, meint der Leser. Digital gekaufte TGV-Tickets liessen sich offenbar im Internet nicht umbuchen – «etwas, was bei jeder Fluggesellschaft problemlos geht».
Ticketsystem erkennt das GA nicht
Bei Reisen nach Italien und Österreich rechnet das Online-Ticketportal der SBB das Generalabonnement (GA) für die Fahrt bis an die Grenze nicht an – selbst wenn die Kundschaft bei Swiss Pass eingeloggt ist. Will heissen: Strecken innerhalb der Schweiz werden in diesen Fällen verrechnet.
Auf den ersten Blick scheinen diese drei Beispiele nur wenig miteinander zu tun zu haben. Zu Buchungen für Zugreisen in Grossbritannien ausserhalb von London teilen die SBB mit, dass dafür die Nachfrage zu gering sei. Der Aufwand für ein solches Angebot sei deshalb zu gross.
Beim Wunsch nach Umbuchungen im Internet verweisen die SBB auf die Komplexität einer solchen Funktion. Es brauche dafür abgestimmte Prozesse mit Bahnbetreibern im Ausland, «die Airlines nicht in der gleichen Tiefe und Breite benötigen».
Zur automatischen Ermässigung für GA-Kunden heisst es, dass die entsprechende Funktion noch nicht vorhanden sei. Das habe mit den Prioritäten zu tun, die bei der Entwicklung neuer Funktionen eingeräumt würden: Mehrwert, Anzahl der betroffenen Kunden und Rentabilität seien ausschlaggebend.
Auf den zweiten Blick haben alle drei Beispiele durchaus eine Gemeinsamkeit: Es sind Schnittstellen zu Ticketsystemen von ausländischen Anbietern erforderlich, damit das grenzüberschreitende Buchen überhaupt funktioniert. Das gilt für die Website wie für die App. Umgekehrt sind die ausländischen Betreiber angewiesen, Zugang zum Ticketsystem der SBB zu haben.
Das Problem dabei: «Es gibt einen Mangel an Standardisierung, weil jeder Bahnbetreiber ein eigenes System für seinen nationalen Markt lanciert hat», sagt Alexander Gellner, Leiter internationaler Vertrieb bei den SBB.
Diese eigenständigen Vertriebssysteme müssen die SBB deshalb in ihrer eigenen Informatik abbilden. Erschwerend hinzu kommen laut Gellner Faktoren wie Fahrplanänderungen durch Baustellen, regionale Tarifverbünde oder die Reservationspflicht im Fernverkehr in gewissen Ländern wie Italien und Frankreich. Diese müssten ebenfalls berücksichtigt werden.
SBB machen bei europäischer Initiative mit
Auf europäischer Ebene sind die Bahnbetreiber bestrebt, grenzüberschreitende Buchungen zu erleichtern. Dazu wollen sie zusammen ein sogenanntes offenes Verkaufs- und Distributionsmodell einführen.
Im Rahmen der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB) mit Sitz in Brüssel haben die SBB bei einer Arbeitsgruppe eine führende Rolle übernommen. Der Zeitplan sieht vor, bis 2030 «eine nahtlose Benutzererfahrung für die Fahrgäste bei der Suche, der Auswahl und dem Kauf ihrer Bahndienstleistungen» anzubieten.
Eine Sprecherin der Gemeinschaft stellt erste Meilensteine bereits für das kommende Jahr in Aussicht. Geplant seien unter anderem eine «vollständige Digitalisierung von Tickets» sowie «Echtzeitinformationen während der Reise». Die Mitglieder der Gemeinschaft seien dazu angehalten worden, ihre Fristen für die angestossenen Projekte vorzuziehen.
Die verbleibende Dauer von sechs Jahren möge zwar im beschleunigten Zeitalter von Digitalisierung und Internet als lange erscheinen, gesteht die GEB-Sprecherin ein. Ticketsysteme aus verschiedenen Ländern aufeinander abzustimmen, sei jedoch kompliziert und erfordere Zeit.
Dafür brauche es nicht nur ein Engagement der Europäischen Kommission, der EU-Mitgliedstaaten und Partnern wie der Schweiz, sondern auch von den Bahnbetreibern.
Verbesserungen bei Preisvergleich und Online-Erstattung
Zu ihrem eigenen Zeitplan mit konkreten Eckpunkten machen die SBB keine Angaben. Eine Firmensprecherin räumt indes ein, beim internationalen Ticketing «noch nicht am Ziel» zu sein. Die Bundesbahnen seien sich bewusst, dass dies ein grosses Kundenbedürfnis sei.
Die SBB-Sprecherin verweist auf zwei Verbesserungen: Zum einen würden seit Ende 2023 bei den meisten Fahrplanabfragen die jeweils günstigsten Preise unmittelbar angezeigt. Ferner sei ein Preisvergleich über mehrere Tage möglich.
Zum anderen sei seit Anfang August 2024 die Online-Erstattung gekaufter Billette für Reisen nach Frankreich, Italien und Österreich möglich. «Weitere Länder, darunter vor allem Deutschland, sowie der Umtausch folgen schrittweise zu einem späteren Zeitpunkt», sagt die SBB-Sprecherin.
Mit den Verbesserungen rennen die SBB bei Konsumentenorganisationen wie der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr (Igöv) offene Türen ein: «Die Online-Buchungsmöglichkeiten der SBB sind im internationalen Vergleich sehr schlecht», sagt die Baselbieter Grünen-Nationalrätin und Igöv-Präsidentin Florence Brenzikofer.
Das Unternehmen könne sich an ausländischen Bahnbetreibern ein Beispiel nehmen, etwa bei der Rückerstattung oder Entschädigung bei Verspätungen. «Wenn man bei der Deutschen Bahn ein Ticket online bucht, erfolgt die Entschädigung unmittelbar, weil das System die Echtzeitverspätungen der Züge kennt», sagt Brenzikofer.
Fehler gefunden?Jetzt melden.