Kolumne «Dorfgeflüster»Schneller als ein Bombenalarm
Gemeindeversammlungen haben ihre Gesetzmässigkeiten. Manchmal auch nicht.
Gemeindeversammlungen sind immer Gradmesser für die politische Stimmung im Dorf. Stehen nur unbestrittene Geschäfte auf der Traktandenliste, bleibt der Saal fast leer, und nach weniger als einer Stunde ist alles vorbei. Kommen viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, liegt Brisanz in der Luft. Wenn es viel länger dauert als gedacht, dann weil sich ein Gewitter des Widerstands entlädt.
So läuft das normalerweise. Ausser es gibt Umstände, die solche Faustregeln aufheben. Die Corona-Pandemie hat das in den letzten 16 Monaten gelehrt. Gemeindeversammlungen wurden verschoben oder durch Urnenabstimmungen ersetzt. Fanden sie statt, erschienen meist nur wenige. Aber das war nicht immer ein Garant für Friede, Freude, Eierkuchen, wie jüngst Zollikon und Herrliberg erfahren mussten. Die unverdächtig tiefe Zahl von Stimmberechtigten bot dem Gemeinderat jeweils mehr als von ihm erhofft die Stirn.
Auch ein Monarch beeinflusst die direkte Demokratie: König Fussball. Männedorf hatte Riesenglück, dass seine Gemeindeversammlung genau eine Woche vor dem Spiel Schweiz - Frankreich stattfand. Ansonsten hätte Gemeindepräsident André Thouvenin wohl nicht einmal die 35 aufrechten Stimmberechtigten begrüssen können, die zur unbestrittenen Jahresrechnung erschienen waren. Nach kaum einer halben Stunde fertig, sagt er zum ZSZ-Reporter: «So schnell konnten Sie wahrscheinlich noch nie Ihren Bericht schreiben.»
Doch, konnte ich. Mein Rekord liegt bei rund 20 Minuten Gemeindeversammlung. Das war in Meilen 1994 – auch dort ging es nur um die Jahresrechnung. Ratzfatz war sie zu Ende, denn abends spielte die Schweiz erstmals nach 28 Jahren wieder an einer Fussball-WM. Ein Bombenalarm hätte die Kirche damals nicht schneller leeren können als das rasant gesprochene Schlusswort des Gemeindepräsidenten.
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