Europäisches Nachtzugnetz ÖBB fordern mehr Engagement von den SBB
Fehlende Waggons, keine Schweiz-tauglichen Garnituren: Die Österreichischen Bundesbahnen haben zu kämpfen. Nun will ihr Fernverkehrschef andere Bahnen in die Pflicht nehmen – und macht ein Versprechen.
Es war wieder einmal so ein Tag, der mit Pannen und Verspätungen begann. Der erste Railjet der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) von Wien nach Zürich schaffte es nur bis Buchs SG, dann mussten die Fahrgäste in den Interregio der SBB umsteigen: «Technisches Gebrechen.» Der folgende Railjet aus Bratislava über Wien nach Zürich hatte beim Grenzübertritt 90 Minuten Verspätung und wurde ebenfalls schon in Buchs SG abgestellt.
«Im Moment sind wir etwas ausser Tritt», sagt am selben Tag Kurt Bauer, der Leiter des Fernverkehrs der ÖBB, im Gespräch mit dieser Redaktion: «Das merkt man leider überall.» Erst vor kurzem berichtete diese Redaktion über die Unzufriedenheit der SBB mit den verspäteten Zügen aus dem Ausland. Das betrifft zwar vor allem die Eurocity-Züge auf der Strecke München–Zürich sowie die Alpenquerungen von Mailand nach Zürich oder Basel. Aber auch mit der Pünktlichkeit der Züge aus Österreich seien die SBB nicht zufrieden, weshalb verschiedene Verbesserungsvorschläge erörtert würden.
Züge ohne Zulassung für die Schweiz
ÖBB-Fernverkehrschef Bauer sieht kurzfristig jedoch kaum Möglichkeiten für eine Verbesserung der Situation. Der Fahrplan sei auf die lange eingleisige Strecke über den Arlberg abgestimmt und deshalb kaum veränderbar. Derzeit haben die ÖBB insgesamt nicht genügend Züge, um den Fahrplan stabil zu halten. Deshalb werden auf der Verbindung Wien–Zürich in Ausnahmefällen auch Railjet-Garnituren eingesetzt, die keine Zulassung für die Schweiz haben. Und die können bis zum Grenzbahnhof Buchs, aber nicht weiter nach Zürich fahren.
Kurt Bauer kündigt eine erste leichte Entspannung im Fernverkehr für Ende April an. Dann werden die ÖBB 30 im Ausland gemietete Waggons und zusätzlich im Italien-Verkehr neue Railjet-Garnituren einsetzen, die derzeit vom Hersteller Siemens mit grosser Verspätung ausgeliefert werden: «Ab dann können wir für den Verkehr in die Schweiz immer Schweiz-taugliche Garnituren einsetzen», sagt Bauer. Weitere Fernverkehrszüge haben die ÖBB bei Stadler Rail bestellt, die kommen aber erst 2026.
Pünktlichkeitsproblem Nummer eins wird jedoch der Nachtverkehr bleiben. Vor allem von und nach Deutschland. Da behinderten manchmal bis zu neun Baustellen den Nachtzug Zürich–Berlin, sagt Bauer: «Da kann ich nicht einmal mehr einen Sonderfahrplan erstellen.» Hinzu kommt eine aufwendige Manipulation der Züge: Die Liege- und Schlafwagen kommen aus verschiedenen europäischen Städten, werden auf halbem Weg zu einem gemeinsamen Zug vereint, später wieder getrennt, und fahren zu verschiedenen Zielorten. Das kann nur funktionieren, wenn alle Züge pünktlich unterwegs sind. «Wenn da irgendwo eine Störung ist, überträgt sich das auf das ganze System», sagt Kurt Bauer. Der gesamte Nachtzugverkehr in Europa müsse deshalb einfacher werden, «ganz ohne aufwendiges Rangieren».
Besonders störungsanfällig war der brandneue Nightjet mit den erstmals eingeführten «Minicabins». Seit Mitte Dezember fährt dieser ÖBB-Zug zwischen Wien und Hamburg. Aber seine Pünktlichkeit lag im vergangenen Monat gemäss der Website Zugfinder.de unter 40 Prozent. Besserung zeichne sich ab, verspricht Kurt Bauer. In die Schweiz sollen die neuen Züge ohnehin erst ab Mitte 2025 fahren.
Warten auf den Nachtzug Zürich–Rom
33 neue Nightjets haben die ÖBB bestellt. Wenn sie alle ausgeliefert seien, «können wir damit ein sinnvolles Nachtzugnetz für Mitteleuropa anbieten», sagt Bauer. Mehr sei für die österreichische Bahn nicht zu stemmen. Um Verbindungen nach Barcelona oder Stockholm sollten sich andere Bahnverwaltungen kümmern: «Jetzt müssen auch andere in das Nachtzugnetz investieren. Die ÖBB können doch nicht mit ihren Nachtzügen die Welt retten. Aber wir können mit unserem Know-How die Partner unterstützen.»
Auch die SBB hätten gern, dass die österreichischen Nachbarn noch mehr neue Garnituren für den Nachtverkehr kaufen. Etwa für die Strecke Zürich–Rom. Die Schweizer Bahn hatte die Wiedereinführung des Nachtzugs schon für das Frühjahr 2022 angekündigt. Doch der Start wurde immer wieder verschoben. «Zürich–Rom würde super funktionieren», ist der österreichische Fernverkehrschef überzeugt: «Da wären wir jede Nacht ausgebucht. Aber wir haben im Moment einfach nicht die Züge dafür.»
Die SBB bestätigen dieser Redaktion, dass weiterhin geplant sei, Nachtzüge nach Rom und Barcelona zu führen. Für diesen grenzüberschreitenden Personenverkehr habe der Bundesrat in seiner Botschaft zu einem neuen CO2-Gesetz bis zu 30 Millionen Franken pro Jahr vorgesehen. Freilich: Ein neu aufgelegtes CO2-Gesetz muss erst vom Volk an der Urne angenommen werden. Dafür gibt es noch nicht einmal einen Termin. Zum Zeitpunkt, ab dem zwischen Zürich und Rom wieder Nachtzüge fahren könnten, wollen die SBB deshalb keine Angaben mehr machen.
Für den ÖBB-Manager Bauer ist die Schweizer Bahn dennoch «der beste Nightjet-Partner: «Die SBB haben gemeinsam mit den ÖBB den Nachtzug gerettet.» Zwar seien die Schweizer dabei eher im Hintergrund geblieben, aber «ohne die SBB gäbe es das Nachtzugnetz nicht mehr».
«Vernünftiges Niveau» bei den Nachtzugpreisen
Als die ÖBB Ende vergangenen Jahres ohne Ankündigung die Preise für Liege- und Schlafwagen massiv erhöhten, war die Aufregung allerdings gross. Selbst eingefleischte Fans der nächtlichen Bahnfahrten erklärten, nun nie wieder in einen Nachtzug zu steigen. Die Einführung der flexiblen Preise «ist wirklich nicht optimal gelaufen», sagt Kurt Bauer.
Doch die Aufregung habe sich wieder gelegt, sagt der Fernverkehrschef. Das Niveau der Preise bezeichnet er als «vernünftig»: Dass die langfristigen Buchungen seit der Preisumstellung zurückgegangen seien, sei beabsichtigt gewesen. So sei es jetzt wieder möglich, auf der Destination Zürich–Hamburg auch eine Woche vor Reiseantritt noch Liegewagentickets zu bekommen. Bei der Belegung der Züge «liegen wir heute über den Zahlen von Anfang 2023», so Bauer. Cashcow könne der Nachtzugverkehr niemals werden: «Aber wir hatten immer eine schwarze Null. So wird es auch bleiben.»
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