Nach Kritik an steigenden PreisenÖBB wehren sich: Die vielen Preisanfragen verteuern Nachtzüge
Die österreichische Bahn verteidigt ihr neues Preismodell. In der Schweiz melden sich Befürworter der Subventionen: Ohne sie würden Nachtzüge noch teurer.
Die Kritik von Ex-SBB-Generaldirektor Benedikt Weibel an den Nachtzügen ist massiv. Dieser Redaktion sagte er, dass die dem Klima nichts bringen würden und die Bahnen besser auf mehr Zugverbindungen am Tag setzen sollten, mit denen viele Menschen reisen könnten. Sein Fazit daher: «Deshalb bin ich der Meinung, dass man keinen einzigen Subventionsfranken in einen Nachtzug stecken sollte.»
Das wiederum wollen die Befürworter von Nachtzügen nicht auf sich sitzen lassen. Ueli Stückelberger, der Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr, sagt: «Nachtzüge haben eine Berechtigung und eine Zukunft – wie auch zusätzliche internationale direkte Tageszüge.» Es brauche beides. «Wir sollten das nicht gegeneinander ausspielen.» Das Bedürfnis der Kundinnen und Kunden sei gross. Stückelberger sagt: «Die Nachfrage boomt!» Für weiter entfernte Destinationen wie Wien, Hamburg, Berlin oder Barcelona seien Nachtzüge sehr attraktiv, weil eine Tagesreise mit dem Zug sehr lange dauert.
Laut Stückelberger ist eine Gesamtbetrachtung der Nachtzüge notwendig: «Im ÖV kann nicht immer jedes Element für sich ein lohnendes Geschäftsmodell sein. Viele Reisende legen einen Weg mit dem Nachtzug zurück und den anderen mit dem Tageszug.» Unter dieser Betrachtungsweise sei die Bahn konkurrenzfähig zum Flugverkehr. Damit das weiterhin möglich sei, brauche es aber die Unterstützung des Bundes. «Die im CO2-Gesetz vorgesehene Anschubfinanzierung von bis zu 30 Millionen Franken, die der Nationalrat am kommenden Donnerstag, 21. Dezember, behandelt, ist wichtig und nötig.»
Forderung nach Subventionen
Auch Pro Bahn, die Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs, fordert Subventionen. «Das Problem ist: Das Angebot an Nachtzügen reicht nicht aus, und wenn man den Markt spielen lässt, steigen die Preise», sagt Noam Schaulin. Deshalb müsse die Politik Nachtzüge unterstützen, wenn sie auf nachhaltiges Reisen setzen wolle. «Die nötigen Gelder müssen gesprochen werden», so Schaulin.
Wie bescheiden die Zahl der Nachtzugpassagiere ist, zeigt eine Überschlagsrechnung: Laut den SBB sind 2022 insgesamt rund 500’000 Personen mit allen Nachtzügen in die Schweiz ein- oder abgereist. 2023 soll die Zahl höher liegen. Die bei Zugpassagieren beliebteste Strecke ist diejenige nach Amsterdam. Genaue Angaben zur Passagierzahl legt die Bahn nicht offen. Doch allein die Flugverbindungen von Zürich nach Amsterdam haben eine grössere Kapazität als die aller Nachtzüge. So bieten die von Zürich und Basel aus durchgeführten täglichen Flüge nach Amsterdam Platz für rund 700’000 Personen pro Jahr. Wobei viele davon Amsterdam als Umsteigeflughafen nutzen.
Kritik an schlechter Qualität
Schaulin sieht aber ein anderes Problem bei den angebotenen Nachtzügen: «Was angeboten wird, rechtfertigt die Preise nicht.» Zur Erinnerung: Die ÖBB haben kürzlich bei den von ihnen betriebenen Nachtzügen die Preise drastisch erhöht. Und das betrifft beispielsweise auch die Nachtzüge von Zürich nach Berlin, Hamburg und Wien. Dabei kommen verstärkt dynamische Preise zum Zug. Das heisst, bei einer grossen Nachfrage werden die Tickets teurer.
Die höheren Preise würden nicht mit der gebotenen Leistung zusammenpassen. «Die Qualität der Nightjets hat in letzter Zeit definitiv abgenommen», so Schaulin. Die gebuchten Plätze im Schlaf- oder Liegewagen seien oft nicht erhältlich, und bei einem Downgrade, also einer Umbuchung auf einen schlechteren Platz, gebe es nur «lächerlich geringe Entschädigungen. Das kann nicht sein.»
Offenbar häufen sich auch die technischen Probleme. Probleme gebe es nicht nur bei den älteren Kompositionen, sondern auch bei den neuen, mit denen die höheren Preise in Verbindung gebracht werden: «Wenn zum Beispiel beim Rangieren in der Nacht der Strom abgestellt wird, geht in allen Wagen die volle Beleuchtung an, und es dauert endlos, bis das grelle Licht wieder gelöscht werden kann», sagt Schaulin. Er sagt: «Schon der allererste neue Nightjet aus Wien kam am Montagmorgen mit drei Stunden Verspätung in Hamburg an. Und am Dienstagabend fuhren die neuen gar nicht mehr.»
ÖBB wehren sich
Trotz der Kritik verteidigen die ÖBB die höheren Preise. «Wir bieten zukünftig eine breitere Spanne an Preisen an, um besser auf die Nachfrage reagieren zu können», so ein Sprecher. Dass derzeit die Preise besonders stark anstiegen, habe einen technischen Grund. «Aktuell sind beim Fahrplanwechsel kurzfristig durch sehr viele Preisabfragen die ausgewiesenen Preise im System hochgeschossen», so der Sprecher. In den nächsten Tagen werde das System die Preise neu bewerten, und es sei wieder mit deutlich günstigeren Angeboten zu rechnen.
Auch würden einzelne Verbindungen durch das Preismodell günstiger. «Verbindungen, die beispielsweise sehr gering ausgelastet sind, erhalten ein höheres Kontingent an Tickets in sehr niedrigen Preisstufen.» Aber klar: «Jene Verbindungen zur Hochsaison oder an den am häufigsten genutzten Reisetagen werden im Allgemeinen teurer.» Dies, da auch die Zahlungsbereitschaft der Kundinnen und Kunden für diese Fahrten deutlich höher sei.
Die ÖBB haben sich für diese gut betuchte Kundschaft noch einen besonderen Service einfallen lassen. So werde es künftig auch die Möglichkeit geben, Restplätze für besonders beliebte Zugverbindungen zu bekommen – es sei ein Service für die besonders «zahlungsbereite» Kundschaft.
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