Bahnfahren zwischen Zürich und Wien Hohe Preise und defekte Züge: Österreichs Bahn fährt in die Krise
Mit der versteckten Preiserhöhung bei Nachtzügen, Verspätungen und ständigen Zugausfällen droht den ÖBB ein massiver Imageschaden. Von den Problemen sind auch Züge in die Schweiz betroffen.
Zürich Hauptbahnhof, 22. Dezember: Der ÖBB-Nightjet aus Wien ist zwar fast ausgebucht, aber nicht gerade pünktlich unterwegs. An diesem Tag kommt er mit beachtlichen zwei Stunden Verspätung an. Immerhin: Er kommt an. Der Nightjet von Hamburg nach Zürich ist in dieser Nacht gleich ganz ausgefallen. Grund dafür seien die Unwetter in Deutschland, heisst es auf der Homepage der ÖBB. Die SBB hingegen kommunizieren den Ausfall auf ihrer Seite überhaupt nicht.
Seit die ÖBB mit dem Fahrplanwechsel die Preise für ihre Nightjets heimlich aber signifikant erhöhten, ist der Nachtverkehr auf Schienen auch in der Schweiz ein heiss diskutiertes Thema.
Die österreichische Staatsbahn kann zwar zurecht mit Stolz darauf verweisen, dass sie als eine der wenigen Bahnverwaltungen in Europa dem Nachtverkehr eine Chance gab und ihn nun konsequent ausbaut.
Doch die ständigen Verspätungen und Zugausfälle bereiten der Bahn nun grosse Probleme. Selbst die mit grossem Medienecho präsentierten neuen Nightjet-Garnituren sind überraschend störungsanfällig. In den ersten Betriebstagen fielen sie gleich mehrmals ganz aus. An den restlichen Tagen kamen sie mit grosser Verspätung an.
In 30 Tagen nur sieben Mal pünktlich
Es sind nicht nur die vermutlich lösbaren Kinderkrankheiten der neuen Nachtzüge, die im östlichen Nachbarland derzeit Sorgen bereiten. Mit relativ dichten Intervallen im Personenverkehr und hoher Kundenzufriedenheit galten die ÖBB bisher als vorbildlich unter den Bahnverwaltungen der EU. Jetzt aber steckt die österreichische Staatsbahn in einer schweren Krise, und das trifft auch den Verkehr in die Schweiz – sowohl bei den Nacht- als auch bei den sehr beliebten und stark frequentieren Tagzügen.
Besonders in der Ost-West-Richtung, also von Wien nach Zürich, sind diese Züge fast immer mit grossen Verspätungen unterwegs. Laut der Statistik der Website zugfinder.net hatte der beliebte Nachtzug von Wien nach Zürich in den vergangenen 30 Tagen eine Pünktlichkeitsrate von 23 Prozent, der Zug kam also nur an sieben Tagen mit weniger als 5 Minuten Verspätung an. Die höchste Verspätung betrug viereinhalb Stunden.
Zum Teil lag das an Baustellen und Umleitungen, aber nicht nur. Manchmal waren auch ganze Wagen defekt und mussten abgestellt werden. Oder sie wurden erst gar nicht an den Zug gehängt und die verstörten Reisenden bekamen einen Gutschein für ein Hotelzimmer.
Nicht viel besser ist laut zugfinder.net die Pünktlichkeitsstatistik im Tagverkehr. Der Railjet 162, der von Budapest bis Zürich fährt und zu den am stärksten frequentierten Zügen auf der österreichischen Westbahn gehört, war im vergangenen Monat nur zu 26 Prozent pünktlich.
Gründe dafür gibt es viele: Einerseits werden die ÖBB Opfer des eigenen Erfolgs. Mehr Menschen fahren Bahn, der Fahrplan wird dichter, aber dafür müssen alle Züge eingesetzt werden. Das ist besonders bei den fast zwanzig Jahre alten Railjets ein Problem. Diese müssten dringend in die Werkstätten zur Generalüberholung. Was aber sowohl ihre Einsatzpläne als offenbar auch die Kapazitäten der Werkstätten nicht erlauben. Die Folgen: Allein in den vergangenen sieben Tagen gab es zwei Fälle, bei denen defekte Railjets im Grenzbahnhof Buchs SG nicht weiter nach Zürich fahren konnten. Die Fahrgäste mussten auf Züge der SBB umsteigen.
Neue Züge würden die Situation entspannen, versprechen die ÖBB. Allerdings wurden die Züge spät bestellt und werden von der Herstellerfirma Siemens mit deutlicher Verspätung ausgeliefert. Die ÖBB haben deshalb zum ersten Mal auch beim Schweizer Bahnbauer Stadler Rail bestellt; doppelstöckige Railjets für den Fernverkehr und sogenannte «Cityjets» für den Nahverkehr. Aber auch diese Züge werden frühestens 2026 in Betrieb gehen.
Dass die Situation bei der österreichischen Bahn bis dahin wohl angespannt bleiben wird, liegt auch an einem gravierenden Managementfehler der Vergangenheit: Dem ehemaligen Bahnchef Christian Kern, der 2016 zum Regierungschef aufstieg, war eine schöne Bilanz wichtiger als Reserven im Fernverkehr. Er verkaufte viele Reisezugwagen ins Ausland. Heute fehlen sie. Als Ersatz fahren nun auch Schweizer Waggons in weit entfernte Regionen, sogar bis an die polnisch-ukrainische Grenze.
Weihnachtskekse als Entschuldigung
Ein weiteres Problem ist der Drang des aktuellen Managements, Fernzüge möglichst weit zu führen, über mehrere Staatsgrenzen hinweg. Die Railjets, die in Zürich ankommen, starten in Budapest oder Bratislava. An ihren rund 10-stündigen Fahrten sind vier Bahnverwaltungen beteiligt, die schlecht bis gar nicht kooperieren. Für die Fahrgäste könnten solche direkten Züge quer durch Europa an sich bequem und attraktiv sein. Theoretisch. Praktisch sind diese Verbindungen von permanenten Verspätungen und Zugausfällen betroffen.
Ein Gespräch mit ÖBB-CEO Matthä oder den Chefs des Personenverkehrs zu diesen Themen war leider nicht möglich. Im österreichischen Radio ORF sprach der Vorstand des Personenverkehrs, Klaus Garstenauer, von einer «ausserordentlichen Situation» und versprach normale Zustände im Fernverkehr im neuen Jahr.
Auf dem Wiener Hauptbahnhof verteilen Mitarbeitende der ÖBB jetzt Weihnachtskekse und rote Kärtchen mit der Aufschrift: «Entschuldigung, das war so nicht geplant!»
Fehler gefunden?Jetzt melden.