Nach Kritik aus der ÖffentlichkeitSBB krebsen bei Gesichtserfassungs-Projekt zurück
Die SBB wollen auf die Erhebung von Alter und Geschlecht bei ihrem angekündigten Messsystem verzichten. Zudem sollen 6 Milliarden Franken eingespart werden.
Nach Kritik wegen des Datenschutzes an einem geplanten neuen Messsystem für Kundenströme an Bahnhöfen wollen die SBB nun ganz auf die Erhebung von Kundensegmentdaten verzichtet. Die Option, das Alter, Geschlecht und die Grösse zu erheben, fällt damit weg.
Die Konzernleitung habe beschlossen, sich auf die Kernfunktion des Messsystems zu fokussieren, auch wegen der Besorgnis in der Öffentlichkeit, teilten die SBB am Montag an der Bilanzmedienkonferenz mit. Die Befürchtungen aus Politik und Öffentlichkeit seien gehört und ernst genommen worden.
«Wir sind nicht an Daten von Individuen interessiert», wiederholte SBB-Chef Vincent Ducrot. Die SBB seien einzig an den Personenflüssen interessiert. Das geplante Messsystem solle helfen, diese Flüsse für die Zukunft zu optimieren.
SBB entfachten Debatte über Datenschutz
Die SBB suchen seit Anfang Februar mit einer öffentlichen Ausschreibung Anbieter für das neue Kundenfrequenzmesssystem in den Bahnhöfen. Die Bahn entfachte damit eine Debatte über den Datenschutz im öffentlichen Raum.
Ende Februar hatten sich die SBB für die «Missverständnisse in den technisch formulierten Ausschreibungsunterlagen» entschuldigt. Es würden keine Daten von Individuen erfasst, und es werde auch keine eigentliche Gesichtserkennung an Bahnhöfen eingesetzt.
Offen lassen wollen sich die SBB einzig die Möglichkeit, Daten von Kundensegmenten wie das Alter, Geschlecht oder die Grösse zu erfassen. Nach einer «Nutzenabwägung» sind die SBB nun aber zum Schluss gekommen, ganz darauf zu verzichten. Die Ausschreibung wird entsprechend angepasst.
Einsatz von Bodycams in Prüfung
Aus diesem Grund verschiebt sich der Zeitplan nach hinten. Laut SBB wird der Auftrag voraussichtlich im ersten Quartal 2024 vergeben statt wie bisher geplant im Juni 2023. Das neue Messsystem wird voraussichtlich ab Anfang 2025 in Betrieb sein.
Als weiteres Sicherheitselement für die Sicherheit von Kundinnen und Kunden prüfen die SBB Bodycams für die Transportpolizei. Diese dienten im Ereignisfall zur Deeskalation von Konflikten, zur Reduktion von Gewalt und Drohungen gegen die Polizisten und Polizistinnen und zur Beweissicherung. In Abstimmung mit dem EDÖB hätten die SBB von 2017 bis 2018 den Einsatz von Bodycams getestet – mit positiven Ergebnissen. Sobald die SBB definitiv entschieden hätten, werde sie über Vorgehen und Einsatzdoktrin informieren.
SBB fahren tiefrotes Ergebnis ein
An der Bilanzmedienkonferenz machten die SBB zudem öffentlich, dass sie 2022 trotz höherem Kundenaufkommen nach Corona ein negatives Ergebnis von 245 Millionen Franken eingefahren habe. Bis 2030 wollen die SBB deshalb ein Kosten- und Effizienzprogramm im Umfang von sechs Milliarden Franken umsetzen.
Gründe für das negative Jahresergebnis seien ein Verlust bei Infrastruktur Energie und eine Wertberichtigung bei der SBB Cargo AG, teilten die SBB am Montag vor den Medien in Bern mit. Die Wertberichtigung sei aufgrund der gedämpften wirtschaftlichen Aussichten sowie der unsicheren künftigen finanziellen Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs notwendig gewesen.
Der Krieg in der Ukraine habe zudem zu höheren Energiekosten und inflationsbedingt höheren Preisen und Zinsen geführt. Wegen des geringen Regens im Sommer mussten die SBB mehr Strom am Markt kaufen. Ohne diese zwei Verlustbereiche hätten die SBB eine schwarze Null erreicht, wie es heisst.
Stabilisierungspaket soll Finanzierung sichern
2022 sind wieder mehr Kundinnen und Kunden mit der Bahn gefahren, allerdings nicht so viele wie vor der Corona-Pandemie 2019. Die Schulden der SBB sind 2022 um 2,5 Prozent auf über 11 Milliarden Franken gestiegen. Das entspricht einer Zunahme um über 27 Prozent gegenüber 2019.
Ein mit dem Bund überarbeitete Stabilisierungspaket soll die Finanzierung bis 2030 nachhaltig sichern und Schulden abbauen. Zudem rechnen die SBB damit, dass die für 2023 gesetzlich bedingte Erhöhung des Bahnstrompreises durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) teilweise entlastend wirken wird.
SDA/lif
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