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SBB erfassen das Kundenverhalten
Gesichtserkennung im Bahnhof – das müssen Sie wissen

Die SBB wollen Bahnhöfe – hier Basel – mit Kameras zur Gesichtserkennung ausrüsten.
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Über brisante Pläne der SBB berichtet der «K-Tipp» in seiner aktuellen Ausgabe. Die Bundesbahnen haben vor, bedeutende Bahnhöfe mit speziellen Kameras auszustatten, die Gesichter erkennen können. «Ziel ist es, Daten in hoher Qualität zu beschaffen, mit denen Personenbewegungen an Bahnhöfen analysiert werden können», heisst es im entsprechenden Beschaffungsplan. (Lesen Sie auch unseren Kommentar: Die SBB sind zu Transparenz verpflichtet)

Was bedeutet dieses Vorhaben für die Pendlerinnen und Pendler? Die wichtigen Fragen und Antworten:

Wie neu sind die Pläne der SBB?

Bereits heute filmt der Staatsbetrieb mit über 700 Kameras die Passantenströme in den Bahnhöfen. Diese Geräte sind nicht fähig, Gesichter zu erkennen. Das soll sich jedoch ändern. Ab September wollen die SBB neue Kameras mit Gesichtserfassung installieren. Diese werden für Passanten von blossem Auge nicht erkennbar sein. Den Anfang macht der Bahnhof Schaffhausen, dann sollen 56 weitere Schweizer Bahnhöfe folgen. Geplant ist das Projekt bis 2028, mit Option auf Verlängerung bis 2033.

Was genau erfassen die SBB?

Die Bundesbahnen interessieren sich für folgende Informationen:

  • Auf welchem Weg Reisende durch den Bahnhof laufen

  • Alter, Geschlecht, Grösse, mitgeführtes Gepäck und Gegenstände wie Kinderwagen, Rollstuhl oder Velo

  • Wie lange sich Reisende im Bahnhof aufhalten

  • Welche Läden von Passagieren besucht werden

  • Das Kundenverhalten in Bahnhofsläden

  • Wie viel Geld die Passagiere am Bahnhof in Apotheken, Lebensmittelläden oder an Kiosken ausgeben

Was bringen Gesichtserkennungsdaten den Läden?

Es geht darum, die Informationen zu analysieren und Rückschlüsse auf das Kaufverhalten zu erhalten. Damit soll das Einkaufserlebnis verbessert werden, was wiederum zu höheren Umsätzen führt. Die SBB tun dies nicht uneigennützig: Höhere Umsätze bedeuten höhere Mieteinnahmen von Läden in den Bahnhöfen.

Wo speichern die SBB die erfassten Informationen?

Laut «K-Tipp» geschieht dies in der Cloud des US-Softwareherstellers Microsoft. Damit können Ermittlungsbehörden aus den USA jederzeit die Herausgabe dieser Daten anfordern.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Die SBB halten dazu fest, dass sie «sämtlichen Forderungen des Datenschutzbeauftragten vor Einführung des neuen Systems nachkommen» werden. So würden keine persönlichen Daten erfasst und auch keine Informationen mit Personendaten anderer Anwendungen verknüpft, etwa mit jenen des Swiss Pass oder der SBB-App. Mit dem neuen System seien auch keinerlei Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich.

Der Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger seinerseits verlangt von der Bahn ein Datenschutzkonzept. Aufgrund der «Vielzahl der erhobenen Daten und des Risikos einer Re-Identifikation von Personen» bestehe ein «erhebliches Risiko für die Persönlichkeit der Passanten».

Welches Unternehmen erfasst für die SBB die Gesichter der Passanten?

Aktuell ist der Auftrag ausgeschrieben. «Welche Software zum Einsatz kommt, wird sich erst nach Vergabe des Auftrags zeigen», sagt eine SBB-Sprecherin.

Gab es hierzulande nicht schon Kontroversen mit Gesichtserkennung?

Richtig, das Thema ist umstritten. Die Werbevermarkterin APG beendete Anfang des Jahres 2020 einen seit 2017 laufenden Test mit einer Art Gesichtserkennungssoftware. Das Programm konnte einige Emotionen und das Interesse einer Person an einer bestimmten Anzeige erkennen. Auslöser für das Ende des Projekts war der Fall Clearview. Das bis dato unbekannte Jungunternehmen aus den USA hatte eine gewaltige Datenbank mit Fotos von menschlichen Gesichtern aufgebaut, wie im Januar 2020 bekannt wurde.

Zudem setzen die Kantonspolizeien von Aargau, Schaffhausen, St. Gallen und Waadt Gesichtserkennungssoftware ein, um Verdächtige zu ermitteln. Die Anschaffung solcher Technologie geschieht weitgehend unreguliert.

Was sagt die Politik zum Vorhaben der SBB?

Es gibt erste Reaktionen von Parlamentariern. Der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel richtet im «Blick» einen Appell an seinen Parteikollegen und zuständigen Bundesrat Albert Rösti: «Wir sind nicht Nordkorea! Es darf nicht sein, dass sich Menschen bei uns ständig verfolgt fühlen müssen. Hier hat Verkehrsminister Albert Rösti eine wichtige Aufgabe vor sich. Es gilt, diesen Überwachungsaktivismus der SBB zu stoppen!» Und der Bündner SP-Nationalrat und Präsident der Verkehrskommission, Jon Pult, kündigt an: Sollten es die SBB nicht schaffen, letzte Zweifel auszuräumen, müssten sie in der Kommission Red und Antwort stehen.

Hersteller von Software für Gesichtserkennung sind in einem milliardenschweren Wachstumsmarkt tätig.

Wie gross ist der Markt für Gesichtserkennung?

Das indische Marktforschungsunternehmen Markets and Markets schätzt das weltweite Volumen auf knapp 4 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2025 sollen es bereits 8,5 Milliarden Dollar sein. Zu wichtigen internationalen Akteuren gehören NEC in Japan, Aware in den USA und Thales in Frankreich. Doch auch die Schweiz ist mit der Nviso SA vertreten. Das Unternehmen stammt aus dem Umfeld der Technischen Hochschule in Lausanne. Nviso entwickelt etwa Software, mit der Patienten automatisch beobachtet werden können. Die Technologie erkennt aufgrund des Gesichtsausdrucks Schmerz oder Stress.