Sam Altman bei Open AI abgesägtChaos beim Marktführer für künstliche Intelligenz
Am Freitag entlassen, versuchte Sam Altman am Sonntag, die Zügel bei Open AI wieder an sich zu reissen – vergeblich. Nun drohen mehr als 500 Mitarbeitende die Firma zu verlassen, wenn Altman nicht wieder als Chef eingesetzt wird.
Jetzt weiss Sam Altman, wie sich Steve Jobs gefühlt haben muss, als er 1985 einen Machtkampf mit dem Apple-Verwaltungsrat verlor und entlassen wurde. Es dauerte zwölf Jahre, bevor Jobs zurückkehrte und eine der grössten Erfolgsgeschichten der Techindustrie schreiben sollte.
Doch Sam Altman, CEO von Open AI, dem führenden Unternehmen der künstlichen Intelligenz, wollte sofort zurück an die Spitze, nachdem er am vergangenen Freitag entlassen worden war. Er verhandelte am Sonntag um die Bedingungen seiner Rückkehr, auf die viele prominente Investoren und Topangestellte gedrängt hatten.
Twitch-Chef übernimmt
Doch es blieb beim Versuch. Der Verwalungsrat enthob sogar die erst am Freitag eingesetzte Interims-Chefin Mira Murati des Amtes, die sich zwischenzeitlich auf die Seite Altmans geschlagen haben soll.
Am späten Sonntagabend (Ortszeit) wurde bekannt, dass der Verwaltungsrat Emmett Shear zum interimistischen CEO von Open AI gewählt hatte. Shear war im Frühjahr als Chef von Twitch, des Streamingdienstes von Amazon, zurückgetreten. Altman soll von dieser Wahl vollständig überrumpelt worden sein. Ob die Wahl bei Open AI für Ruhe sorgen wird, ist zweifelhaft.
Noch immer ist unklar, warum genau Altman entlassen wurde. Die Rede war von einer «Kommunikationsstörung» zwischen ihm und dem Verwaltungsrat sowie von «nicht durchgehend aufrichtigen» Aussagen. Betont wurde aber auch, dass Altman «kein Fehlverhalten» vorzuwerfen sei. Die Begründung war diffus und liess auf einen kontroversen Entscheid schliessen. Tatsächlich zeigte sich später, dass der Verwaltungsrat tief gespalten ist, und zwar in das Lager jener, die künstliche Intelligenz als ein idealistisches Projekt vorantreiben, damit der Menschheit einen Dienst erweisen und auf keinen Fall von Gewinnstreben geleitet sein wollten.
Zutiefst gespaltene Ansichten über KI
Auf der anderen Seite stehen die Altman-Anhänger, die die Risiken von KI zwar anerkannten, aber die Innovation vorantreiben und sowohl schwergewichtige Investoren anziehen wie attraktive Unternehmen gründen wollten.
Informierte Beobachter zogen eine Schlussfolgerung: Altman dürfte nebenbei an Projekten gearbeitet haben, ohne den Verwaltungsrat zu informieren. Er dürfte Verhandlungen mit Investoren geführt haben und namentlich mit Microsoft enger kooperiert haben als erwünscht. Microsoft hält 49 Prozent des Aktienkapitals, hat aber wegen der eigenartigen Unternehmensstruktur nichts zur Strategie von Open AI zu sagen.
Microsoft-Chef Satya Nadella wurde angeblich von der Entlassung Altmans völlig überrascht und war ausser sich. Am Montag liess Nadella dann verlauten, dass Altman und andere Mitarbeiter von Open AI künftig für den Software-Riesen arbeiten werden. Sie sollen ein neues Forschungsteam anführen. Damit wird Microsoft auf einen Schlag ein stärkerer Player im Wettlauf um die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Der Konzern hat nicht nur weiter Zugang zur Technologie von Open AI als Grossinvestor – sondern nun auch einen Teil ihrer Erfinder im eigenen Haus.
Altman ist so etwas wie der Chefmissionar von künstlicher Intelligenz geworden und scheint sich in der Rolle zu gefallen.
Tatsache ist, dass Altman in den Wochen vor seiner Entlassung bei Open AI aktiv mehrere Dutzend Milliarden Dollar von einigen der weltweit grössten Investoren, darunter der japanischen Softbank Group, sammelte, um ein neues Chip-Unternehmen zu starten. Für das Projekt mit dem Codenamen Tigris traf er auch den Public Investment Fund von Saudiarabien, wie Bloomberg berichtet. Die Tigris-Halbleiter sollten die teuren Chips des Marktführers Nvidia konkurrieren, deren Entwicklung dürfte aber noch Jahre dauern.
Sein Vorschlag zielt darauf ab, die laufenden Kosten für den Betrieb von Chat-GPT zu senken. Chat-GPT ist seit einem Jahr in Betrieb, ist höchst erfolgreich, aber verschlingt nach Ansicht von Analysten derart viel Geld, dass der Betrieb nicht profitabel ist. Altman versuchte zudem, zusammen mit dem ehemaligen Designchef von Apple, Jony Ive, Geld für ein auf KI ausgerichtetes Hardware-Gerät zu sammeln.
Diese Bemühungen allerdings drohten mit einem Tenderangebot von Open AI zu kollidieren. Das Unternehmen wollte den Mitarbeitern erstmals ermöglichen, ihre Anteile zu einer Bewertung des Unternehmens von 86 Milliarden Dollar zu verkaufen. Softbank und andere hatten gehofft, an diesem Deal teilzunehmen, wurden aber auf eine Warteliste gesetzt, während Altman Investoren für seine eigenen Projekte mobilisierte. Das Verschweigen dieser Vorgänge, ist zu vermuten, wurde als hinterlistig gesehen und als Kündigungsgrund zitiert.
Ein Mann der grossen Worte
Altman ist so etwas wie der Chefmissionar von künstlicher Intelligenz geworden und scheint sich in der Rolle zu gefallen. 2015 brachte er bei einem mittlerweile berühmten Abendessen in Menlo Park, im Herzen des Silicon Valley, Elon Musk und eine Gruppe Gleichgesinnter zusammen, die sich einigten, Open AI zu gründen. Musk übernahm gemeinsam mit Altman den Vorsitz, doch hielt ihre Partnerschaft nur bis 2018, als Musk versuchte, die Kontrolle an sich zu reissen. Altman leistete Widerstand und übernahm ein Jahr später selbst die Führung. Musk stieg aus.
Altman machte in der Folge weltweit Tourneen, traf Staatschefs, warnte vor den zivilisationsbedrohenden Risiken der neuen Technologie und sprach grosse Worte. KI werde eine neue Art von Gesellschaft entstehen lassen, sagte er, und das «grösste goldene Zeitalter» stehe bevor.
Sicher ist: Die Mitarbeitenden von OpenAi wollen ihn möglichst bald zurück. Mehr als 500 der 770 Angestellten der Firma haben einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie die Absetzung des Verwaltungsrats – und die Wiedereinsetzung ihres alten Chefs fordern.
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