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Neue Regeln für private Vorsorge
Bundesrat macht Löcherstopfen in Säule 3a möglich – und lässt dafür Hunderte Millionen liegen

Bundesraetin Elisabeth Baume-Schneider spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Aenderung des Bundesgesetzes ueber die Krankenversicherung (KVG), am Freitag, 11. Oktober 2024 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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In Kürze:
  • Rückwirkende Einzahlungen in die Säule 3a sind ab 2026 möglich.
  • Kantone und Gemeinden könnten langfristig Einnahmen von bis zu 500 Millionen Franken verlieren.
  • Den Bund könnte die Massnahme über 100 Millionen Franken jährlich kosten.
  • Der Bundesrat entschied eigenmächtig auf dem Verordnungsweg – eine Gesetzesvorlage entfällt.

Am Mittwochmorgen hat der Bundesrat entschieden, dass bald rückwirkende Einzahlungen in die Säule 3a möglich sind, inklusive Einsparungen bei den Steuern. Dies bedeutet eine deutliche Stärkung der Säule 3a – auf Kosten des Staatshaushalts.

Jährlich können Angestellte in der Schweiz gut 7000 Franken in diese sogenannt private Vorsorge einzahlen und den Betrag vom steuerbaren Einkommen abziehen. Das so angesparte Vermögen bleibt bis zum Bezug bei der Pensionierung steuerfrei, die Erträge darauf ebenso.

Das Löcherstopfen soll auf zehn Jahre hinaus rückwirkend möglich sein. Die Änderung tritt im kommenden Januar in Kraft. Das bedeutet, dass erste Einzahlungen ab 2026 – für 2025 – möglich sind. Die Mindereinnahmen der öffentlichen Hand werden anfangs noch gering sein und über die Jahre danach wachsen. Langfristig erwartet der Bund grob ein Minus von bis zu 600 Millionen, wovon knapp 500 Millionen bei den Kantonen und Gemeinden anfallen werden.

Der Entscheid des Bundesrats überrascht umso mehr, da er unter Federführung von Finanzministerin Karin Keller-Sutter die Steuersätze beim Kapitalbezug aus der zweiten und dritten Säule eigentlich auf das Niveau einer Rente erhöhen will, wie er kürzlich angekündigt hat. Der Bundesrat erhofft sich davon Mehreinnahmen von rund 200 Millionen Franken jährlich. Der Plan ist Teil eines Sparprogramms mit 60 Massnahmen. Die Regierung gleist dieses aktuell auf, weil ab 2030 im Haushalt ein strukturelles Defizit von über vier Milliarden droht.

Bundesrat wollte alleine über Säule 3a entscheiden

Besonders bemerkenswert ist, dass der Bundesrat in dieser finanziell angespannten Situation nun entschieden hat, seinen Vorschlag zu den rückwirkenden Einzahlungen in die Säule 3a nicht ins Parlament zu schicken. Das wäre geschehen, wenn er das Gesetz angepasst hätte. Stattdessen hat er nach einer Vernehmlassung bei allen wichtigen Akteuren nur die entsprechende Verordnung ergänzt. In diesem Fall ist er alleine entscheidberechtigt.

Er begründet diesen Schritt damit, dass ihm die Regelungskompetenz für die Säule 3a zufalle; er sei lediglich «seinem ihm gesetzlich auferlegten Auftrag nachgekommen». Tatsächlich ist im Gesetz – verkürzt gesagt – nur vorgeschrieben, dass der Bundesrat die Regeln für die dritte Säule auf dem Verordnungsweg festlegt.

Die Hauptverantwortlichen für die dritte Säule im Bundesrat: Finanzministerin Keller-Sutter (l.) und Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider.

Der ihm «auferlegte Auftrag» erklärt sich aus der Geschichte der Vorlage: Das Parlament behandelte 2019 und 2020 eine entsprechende Motion des Obwaldner Mitte-Ständerats Erich Ettlin. Damals sprach noch kaum jemand von der Haushaltskrise, wie sie sich heute präsentiert. Der Bundesrat hatte sich zuvor gegen die Motion ausgesprochen.

Nach deren Annahme durch das Parlament war der Bundesrat verpflichtet, die Möglichkeit für Nachzahlungen aufs 3a-Konto umzusetzen. Ettlins Motion forderte Gesetzes- und Verordnungsänderungen. Das Parlament stimmte also in der Annahme zu, zu einem späteren Zeitpunkt nochmals über die Vorlage befinden zu können und dass danach die Möglichkeit für ein Referendum bestehen würde.

Kommission wollte Sistierung der Vorlage

Hinzu kommt: In den Diskussionen vor dem jetzigen Entscheid wurde die Frage einer Gesetzesänderung diskutiert. Die Finanzkommission des Nationalrats forderte den Bundesrat im September zu einer Umsetzung auf Gesetzesebene auf. Denkbar wäre zum Beispiel die Schaffung eines eigenen Gesetzes für die dritte Säule gewesen.

Ausserdem sprach sich die Kommission für eine Sistierung der Vorlage aus, bis «ein umfassendes Bild der finanziellen Rahmenbedingungen vorliegt», also die Sparbemühungen weiter fortgeschritten seien. Das wäre selbst beim jetzt gewählten Verordnungsweg möglich gewesen.

Solche Verzögerungen gehören in Bern zum Alltag. Der Bundesrat nutzt die Möglichkeit unter anderem im Rahmen seines Sparpakets. Möglich wäre in diesem Kontext sogar, die rückwirkende Einzahlungen in die dritte Säule im Rahmen des Sparpakets im Parlament diskutieren zu lassen.

Harsche Kritik von links für Entscheid zur Säule 3a

Die SP wirft der bürgerlichen Bundesratsmehrheit Doppelzüngigkeit vor: Einerseits wolle sie auf Kosten von Kitas oder Umweltschutz das Budget entlasten und sei dabei sehr kreativ. Andererseits führe sie nun neue Steuerprivilegien für jene finanzstarken Teile der Bevölkerung ein, die die dritte Säule ausgiebig nutzen könnten.

Allerdings setzt der Bundesrat Ettlins Motion lediglich reduziert um. Die Einzahlung steht nur Personen offen, die in jenem Jahr, für das sie rückwirkend Lücken stopfen wollen, den AHV-pflichtigen Lohn erreicht haben. Zudem ist die Maximalsumme begrenzt, und vor einer rückwirkenden Zahlung muss die Maximalsumme des aktuellen Jahres erreicht werden.

Hätte das bürgerlich dominierte Parlament sich nochmals über die Vorlage gebeugt, hätte die Möglichkeit bestanden, dass es diese Einschränkungen aufhebt. Das, so ist im Umfeld des Bundesrats zu hören, wollte die Regierung verhindern. Er hat also eine Lösung gewählt, die zwar weder er noch die Kantone ursprünglich wollten, die hingegen den Schaden aus Sicht der öffentlichen Hand in Grenzen hält.