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Rücktritt an der Finma-Spitze
Die Finanzaufsicht kommt nicht zur Ruhe

Portrait von Finma-Chef Urban Angehrn.
24.03.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Der Entscheid kommt überraschend. Nach zwei Jahren an der Spitze der Finanzmarktaufsicht (Finma) tritt Urban Angehrn von seinem Posten als Chef ab. «Die hohe und dauerhafte Belastung hatte aber gesundheitliche Folgen. Ich habe meinen Entscheid reiflich überlegt und mich nun entschlossen zurückzutreten», sagt Angehrn. Die letzten Monate, mit dem dramatischen Ende der Credit Suisse, haben ihn offenbar mitgenommen. Ende September nimmt er seinen Abschied. «Es fällt mir sehr schwer, diese Aufgabe abzugeben, doch dies ist ein Schritt der Vernunft.»

Ab dem 1. Oktober übernimmt seine Stellvertreterin Birgit Rutishauser die Geschäfte. Sie war bislang für die Überwachung der Versicherungen zuständig. Angehrn werde aber für die Übergabe aller Geschäfte und für Folgearbeiten nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zur Verfügung stehen, teilt die Finma mit.

Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für Angehrn wird gesucht. Normalerweise werden dafür Headhunter eingeschaltet. Das letzte Wort hat der Bundesrat; vor der Wahl durch den Verwaltungsrat muss er seine Zustimmung zu der auserkorenen Person erteilen.

Interimschefin der Finma: Birgit Rutishauser.

Angehrn ist nicht die einzige Spitzenkraft, die geht. Gekündigt hat gemäss Recherchen dieser Redaktion kürzlich auch Finma-Generalsekretärin Edith Honegger. Ihre Stelle ist ausgeschrieben. Während Honegger im Hintergrund wirkte, wurde Angehrn durch das Ende der CS einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die Krise scheint der Gesundheit des ehemaligen Konzernleitungsmitglieds des Versicherers Zürich geschadet zu haben. Ähnlich wie der ehemalige CS-Chef Thomas Gottstein, der ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen abtrat, zog er frühzeitig einen Schlussstrich.

Mit dem Ende der CS kam aber auch die Finma massiv unter Druck. Der Behörde wird vorgeworfen, zu spät und zu zögerlich gehandelt zu haben und so eine Mitschuld am Untergang der CS zu tragen. Der Abgang Angehrns wird daher von Beobachtern auch so gedeutet, dass die Aufsicht durch einen Chefwechsel aus der Schusslinie genommen werden soll.

Angehrn wehrte sich in einem Gastbeitrag in der NZZ gegen die Kritik an der Aufsicht. «Die Credit Suisse ist an sich selber gescheitert», schreibt er. Die Finma sei nicht für die CS-Krise verantwortlich. «Sie ist eine Aufsichtsbehörde – sie soll nicht die Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen ersetzen und soll auch keine Strafbehörde sein.»

Klagen wegen CS-Anleihen

Die Herausforderungen für Interimsdirektorin Rutishauser sind hoch. So sieht sich die Finanzmarktaufsicht mit Klagen von internationalen Investoren wegen abgeschriebener Anleihen konfrontiert. Beim Notverkauf der CS an die UBS hatte die Finma besondere Anleihen im Umfang von 16 Milliarden Franken für wertlos erklärt, weil die Bank ohne Staatshilfe in Konkurs gegangen wäre. Mehrere Hundert Beschwerden sind beim Bundesverwaltungsgericht hängig. Eine Entscheidung zieht sich in die Länge. Als Nebenpartei hat die UBS eine Fristverlängerung bis im Herbst beantragt.

Doch die Finanzmarktaufsicht stand schon vor diesen Klagen in der Kritik. Der Behörde wird vorgeworfen, den Banken und Versicherungen viel zu detaillierte Vorschriften zu machen. Dann monieren Kritiker wiederum, mit rund 550 Mitarbeitenden sei sie zu schwach, um Grossbanken mit ihren riesigen Stäben wirksam zu beaufsichtigen.

Die zahlreichen Skandale der Credit Suisse sind ein Zeichen dafür: So hat sich die Behörde fälschlicherweise wiederholt auf Informationen der CS verlassen. In ihrem Abschlussbericht zum Greensill-Verfahren gegen die kollabierte Grossbank hat sie selbst festgehalten, dass die Bank ihr gegenüber «falsche und zu positive» Angaben über das tatsächliche Ausmass ihrer Geschäftsbeziehungen zu dem australischen Financier gemacht hat.

Auch UBS-Chef Sergio Ermotti will eine griffige Finma.

Nachdem die Politik die Zuständigkeiten der Finma in den vergangenen Jahren beschnitten hat, sollen die Defizite behoben werden, die sich rund um den Notverkauf der CS gezeigt haben. Im Parlament ist unter anderem eine Motion hängig, welche der Finanzmarktaufsicht die Kompetenz geben will, Bussen zu erteilen.

Eine andere fordert, dass die individuellen Verantwortlichkeiten in einer Bank besser den Führungspersonen zugeordnet werden können. Grossbritannien beispielsweise kennt ein solches «Senior Management Regime». Die Finma-Spitze selbst fordert schon längst mehr Mittel, um gegen fehlbare Banken und deren Manager vorzugehen.

Auch UBS-Chef Sergio Ermotti will eine griffige Finma. An einer Veranstaltung in Zug sprach er sich am Dienstag unter anderem für das «Senior Management Regime» aus. Die Logik der UBS ist klar: Eine vergleichsweise starke Aufsicht wirkt im Ausland wie ein Qualitätssiegel.

In ihrem am Freitag veröffentlichten Bericht machte auch die Expertengruppe des Bundesrats unter der Führung von Yvan Lengwiler, Professor an der Universität Basel, Vorschläge, wie die Finanzmarktaufsicht gestärkt werden könnte. Sie soll künftig früher eingreifen können und nicht erst, wenn die Liquidität und das Eigenkapital einer Bank unter einen bestimmten Wert sinken. Zudem fordert die Gruppe, dass die Finma offensiver über ihre Verfahren kommunizieren darf. Aktuell ist dies nur in Ausnahmefällen erlaubt; die Expertinnen und Experten versprechen sich davon eine disziplinierende Wirkung.

Angehrn war Finma-intern beliebt

Angehrn galt Finma-intern als sehr beliebt und geschätzt. Sein Abgang ist nicht der erste überraschende Wechsel an der Finma-Spitze. Sein Vorgänger Mark Branson trat vor zwei Jahren unerwartet zurück und wechselte zur deutschen Aufsicht Bafin. Wie diese Zeitung berichtete, lag das aber nicht nur am ansprechenden Angebot, die deutsche Aufsicht zu leiten – sondern auch an Spannungen mit der Finma-Präsidentin Marlene Amstad.

Marlene Amstad, Finma

Sicher ist, sie tritt öffentlich viel stärker in Erscheinung als ihre Vorgänger. So trat etwa sie und nicht Angehrn an der Medienkonferenz zur Übernahme der CS durch die UBS auf.

Ebenfalls sicher ist, sie geniesst das Vertrauen des Bundesrats: Amstad wurde am Mittwoch für die neue Amtsperiode von 2024 bis 2027 vom Bundesrat wiedergewählt – genauso wie die weiteren Verwaltungsräte.