Übernahme der CS durch die UBSDie Credit Suisse wollte umstrittene Anleihen zurückkaufen
Im Zuge der Notfusion wurden Anleihen im Wert von 16 Milliarden Franken abgeschrieben. Jetzt zeigt sich, dass die CS zwei Tage vorher genau diese zurückzahlen wollte – doch die Finma sagte Nein.
Als Marlene Amstad, Präsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma), an der Pressekonferenz vom 19. März 2023 begründen musste, warum im Zuge der Zwangsfusion von CS und UBS Anleihen im Wert von rund 16 Milliarden Franken ungültig wurden, kam sie ins Stocken. Jetzt werden Hintergründe bekannt, die zeigen, warum. Entgegen dem, was die Finma diktierte, wollte die CS noch zwei Tage vorher einen Teil dieser Anleihen zurückkaufen. Das hätte die Märkte vielleicht beruhigt, aber die Finma sagte Nein.
Die sogenannten Additional-Tier-1-Anleihen (AT1), um die es geht, sind eigentlich eine Erfindung der Credit Suisse. Sie wurden nach der Finanzkrise von 2008 geschaffen. Der damalige CS-CEO Brady Dougan entwickelte aus dem, was früher Wandelobligation genannt wurde, sogenannte Coco-Anleihen (Contingent Convertible Bonds). Das waren hochverzinsliche lang laufende nachrangige Anleihen mit einem festen Zins von rund 9 Prozent, die zwangsweise von Fremd- in Eigenkapital gewandelt werden konnten, wenn das Eigenkapital knapp werden sollte.
Damit wurden in der Finanzkrise von 2008 Investoren aus Katar und Saudiarabien angelockt und 2012 nochmals dazu gebracht, total 15 Milliarden in die CS zu investieren. Während die Araber mit den Wandelanleihen viel Geld verdienten, verloren sie mit ihren CS-Aktien Milliarden. Später wandelten sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, und aus den Cocos wurden die heutigen AT1-Anleihen. Sie haben eine Klausel: Im Fall einer Staatshilfe können sie unter bestimmten Bedingungen nicht nur in Aktien gewandelt, sondern, auf Geheiss der Finma, auch auf null gesetzt werden.
Das Nein der Finma
Die AT1s haben noch eine andere Eigenheit: Sie zählen zum regulatorischen Eigenkapital und können nur zurückbezahlt werden, wenn die Finma dazu ihren Segen gibt. Genau das wurde zum Problem, als die Credit Suisse in der letzten Woche ihrer Selbständigkeit um das Vertrauen ihrer Kunden, Gläubiger und Investoren rang.
Als am 15. März 2023 Ammar Al Khudairy von der Saudi National Bank (SNB) erklärte, dass seine Bank nicht mehr Geld als die 9 Prozent, die sie bereits hielt, in die CS einschiessen werde, fiel der CS-Aktienkurs in sich zusammen. Gleichzeitig tauchten auch die AT1-Obligationen auf rund die Hälfte ihres Wertes. Denn ein Konkurs der CS schien plötzlich eine reale Option zu sein.
In der Nacht zum Donnerstag erklärten die Nationalbank und die Finma, dass die CS nach wie vor die Liquiditäts- und Kapitalanforderungen erfülle. Zudem gab die CS bekannt, dass sie 50 Milliarden Franken Cash von der Nationalbank beziehen werde. Damit wollte sie auch Schulden zurückzahlen. Sie veröffentlichte eine entsprechende Liste von Anleihen, die sie bedienen wollte.
Bisher nicht bekannt ist, dass die CS bei der Finma einen Antrag stellte, AT1-Obligationen zurückzukaufen. Und das zum nächstmöglichen Termin im Juni. Das wollte sie sofort öffentlich machen, um weiteres Vertrauen zurückzugewinnen. Doch die Finma stimmte dem Antrag nicht zu, wie zuverlässige Quellen aus der früheren CS-Geschäftsleitung sowie der Finma bestätigen.
Aus Kreisen früherer CS-Mitarbeitenden heisst es, dies sei ein entscheidender Punkt gewesen, der es der Bank unmöglich machte, das Vertrauen der Kundinnen und Anleger wiederherzustellen. Auch mache das Vorgehen der Finma im Nachhinein klar, dass die Übernahme der CS durch die UBS damals bereits beschlossene Sache war. Und dass die Besitzer der CS-AT1 ihr Geld zugunsten der UBS-Aktionäre opfern müssen.
Tatsächlich zeigt sich: Die UBS-Aktionäre werden allein dank dieses erzwungenen Schuldenerlasses einen Sondergewinn von 16 Milliarden einfahren. Insgesamt winkt der UBS dank der Übernahme der CS ein Sondergewinn von 35 Milliarden Franken.
Vonseiten der UBS und Finma wird das ganz anders gesehen. Offen reden will niemand, aber gemäss Recherchen der SonntagsZeitung stellt man sich auf den Standpunkt, die angesprochene Anfrage hätte nur eine bestimmte Tranche, nicht aber alle AT1-Instrumente betroffen. Das ist unbestritten korrekt.
Doch das mögliche Datum einer Rückzahlung der angesprochenen Tranche wäre erst im Juni, also lange nach dem 19. März gewesen. Auch die vorgängige konkrete öffentliche Ankündigung einer solchen Rückzahlung seitens der Bank wäre erst lange nach dem 19. März erfolgt. Darum hätte es noch gar keine formelle definitive Entscheidung der Finma vor dem Fusionswochenende gebraucht.
Gerichte und die PUK müssen Klärung schaffen
Was die geplante Rückzahlung der CS brisant macht, ist die Tatsache, dass man bei der CS damals noch nicht das Gefühl hatte, es sei ein sogenannter Viability Event eingetreten. Dieser ist nötig, wenn die Anleihen für ungültig erklärt werden. Dementsprechend wächst nun die Zuversicht der Gläubiger, die beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen eine Klage eingereicht haben.
Deren Zahl ist laut der Nachrichtenagentur AWP mittlerweile auf rund 320 Beschwerden, die im Namen von 3000 Beschwerdeführenden eingereicht wurden, angestiegen. Parallel dazu laufen 60 Beschwerden von CS-Kadermitarbeitenden, die gegen Streichung von Bonuszahlungen vorgehen, die im Zusammenhang mit AT1-Anleihen stehen. Wer recht behält, werden die Gerichte klären müssen.
Was genau zwischen der Finma, der CS und der UBS vorging, ist ein Fall für die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK).
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