Tory-Vorwahlen in GrossbritannienRishi Sunak führt, kann aber leicht noch stolpern
Im Kampf um die Nachfolge Boris Johnsons zeichnet sich ein Dreikampf ab: Der ehemalige Schatzkanzler liegt vorne, aber auch Liz Truss und Penny Mordaunt haben reelle Chancen.
In der ersten Runde zur Wahl eines Nachfolgers für Boris Johnson hat sich am Mittwoch Johnsons früherer Schatzkanzler Rishi Sunak an die Spitze der acht angetretenen Kandidatinnen und Kandidaten gesetzt. Aus den Reihen der Fraktion erhielt Sunak 88 Stimmen, während die frühere Verteidigungsministerin Penny Mordaunt auf 67 und Aussenministerin Liz Truss auf 50 Stimmen kam. Insgesamt schafften es sechs der acht Kandidaten in die nächste Wahlrunde, indem sie jeweils mindestens 30 der insgesamt 358 Abgeordnetenstimmen auf sich vereinten.
Ausser Sunak, Mordaunt und Truss gelang es auch Gleichberechtigungsstaatssekretärin Kemi Badenoch, Generalstaatsanwältin Suelle Braverman und Tom Tugendhat, dem Vorsitzenden des Aussenpolitischen Ausschusses im Unterhaus, in die nächste Runde zu kommen, die am Donnerstag stattfindet. Ex-Gesundheitsminister Jeremy Hunt und der gegenwärtige Finanzminister Nadhim Zahawi schieden aus dem Rennen aus.
Sunaks Vorsprung garantiert ihm allerdings noch nicht den Sieg im Wettstreit um die «Tory-Krone». Die Fraktion besorgt nur die erste Phase der Neuwahl, indem sie die Kandidatenliste reduziert, bis zwei Finalisten übrig sind. Diese müssen sich in den darauffolgenden Wochen auf Wahlkampfveranstaltungen den Tory-Mitgliedern stellen, die dann per Briefwahl die endgültige Entscheidung fällen sollen, bevor das Parlament nach seiner Sommerpause am 5. September wieder zusammentritt.
Und in der Mitgliedschaft, bei den Tory-Aktivisten, geniesst Penny Mordaunt letzten Meinungsumfragen zufolge wesentlich mehr Zuspruch als alle anderen Kandidaten. Mordaunt würde laut gestriger Yougov-Umfrage jeden Rivalen und jede Rivalin, einschliesslich Sunak und Truss, aus dem Feld schlagen, falls sie es in die Endrunde schaffte. Die meisten Beobachterinnen und Beobachter in London waren so am Mittwoch davon überzeugt, dass am Ende entweder Truss oder Mordaunt gegen Sunak antreten wird.
Ausgeschlossen ist natürlich nicht, dass sich noch jemand anders, wie die Aussenseiterin Kemi Badenoch, überraschend ins Finale durchkämpft. Wie schon in den Vortagen suchten die einzelnen Lager einander auch gestern noch immer nach Kräften anzuschwärzen. Kulturministerin Nadine Dorries, die sich für Liz Truss starkmacht, warf Rishi Sunak vor, die Aussenministerin mit «schmutzigen Tricks», «abgekartetem Spiel» und «dunklen Künsten» aus dem Rennen werfen zu wollen.
Zuvor war Sunak von rivalisierenden Teams bereits beschuldigt worden, ein «Lügner», «Verräter» und «Schwindler» zu sein. In der Tat ist Sunak, der gegenwärtige Fraktionsspitzenreiter, in seiner eigenen Partei durchaus umstritten. Während viele Abgeordnete den geeigneten Nachfolger für Johnson in ihm sehen, hassen ihn andere dafür, den Sturz Johnsons in die Wege geleitet zu haben in einer lang vorbereiteten Aktion. Andere halten dem Ex-Schatzkanzler vor, in den letzten Monaten die Steuern auf absolute Rekordhöhen getrieben und ärmeren Haushalten nicht ausreichend geholfen zu haben. So gut wie alle seine Rivalen haben sofortige Steuersenkungen versprochen für den Fall ihres Siegs.
Labour will neue Misstrauenserklärung
Unterdessen kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der oppositionellen Labour Party. Labour hatte vergebens versucht, im Parlament einen Misstrauensantrag gegen Boris Johnson einzubringen, damit dieser sein Amt nicht noch wochenlang versehen kann. Die Regierung meinte dazu aber, der von Labour vorgelegte Antrag sei eine Misstrauenserklärung gegen Johnson persönlich, was technisch nicht erlaubt sei: Man müsse einer Regierung als Ganzes das Misstrauen erklären. Eine solche Abstimmung, mit korrigiertem Text, will die Regierung nun am kommenden Montag erlauben – in der Gewissheit, dass alle Tory-Abgeordneten einen solchen Antrag ablehnen werden.
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