Nummer drei in EuropaDeutscher Reisekonzern FTI meldet Insolvenz an – Schweizer können hoffen
Europas drittgrösstem Reisekonzern – zuletzt in der Hand der ägyptischen Investorenfamilie Sawiris – geht das Geld aus. Für Urlauber ist das bitter. Helfen soll ihnen der Reisesicherungsfonds der Branche.
Europas drittgrösster Reisekonzern FTI ist in die Pleite gerutscht. Die FTI Touristik GmbH, Obergesellschaft der FTI Group, stelle am Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, teilte das Unternehmen mit. «Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass die bereits angetretenen Reisen auch planmässig beendet werden können.» Noch nicht begonnene Reisen würden voraussichtlich ab Dienstag (4. Juni) nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können.
Vom Insolvenzantrag unmittelbar betroffen ist den Angaben zufolge zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. In der Folge würden aber auch für weitere Konzerngesellschaften entsprechende Anträge gestellt.
Folgen für die Schweiz
Der Reisekonzern FTI ist mit einer Niederlassung in Basel auch in der Schweiz vertreten. Da die Insolvenz aber bisher «nur» für die FTI Touristik GmbH mit Sitz in München angemeldet wurde, sei der Schweizer Ableger nicht tangiert, wie eine Sprecherin ausführt.
Betroffen seien damit einzig Gäste, die die Marken FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden gebucht hätten, des Weiteren die Marke 5vorFlug in Deutschland, die BigXtra Touristik GmbH sowie die Mietfahrzeugs-Marken DriveFTI und Cars and Camper. Das gilt laut der Sprecherin auch für die Buchung ebendieser Marken über die Seite www.fti.ch, nicht aber für Buchungen via Schweizer Reisebüros. Falls die Reise zwar über eine Website der FTI gebucht wurde, aber durch einen nicht zur Gruppe gehörenden Reiseanbieter, wie TUI, Alltours oder Dertour, organisiert wird, findet sie in der Regel wie geplant statt. Reisende sind in diesem Fall nicht von der Insolvenz betroffen.
Reisen von FTI werden auch über andere Schweizer Reiseunternehmen wie etwa Kuoni vertrieben. Dort heisst es auf Anfrage, man kläre derzeit die Situation in der Schweiz ab. Seien Kundinnen und Kunden betroffen, sei man für sie da «und setze sich dafür ein, ihnen eine valable Ersatzreise anbieten zu können», schreibt ein Sprecher.
Fast 600 Millionen Unterstützung während Corona
Eigentlich schien die Zukunft des Unternehmens gesichert, das in der Corona-Krise insgesamt 595 Millionen Euro staatliche Hilfe aus dem deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) bekommen hatte. Ein Konsortium unter Führung des US-Finanzinvestors Certares wollte die FTI Group für einen Euro übernehmen und 125 Millionen Euro frisches Kapital in das Unternehmen stecken. Die Wettbewerbshüter mussten dem Deal noch zustimmen.
Den Angaben zufolge sind jedoch die Buchungszahlen zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. «Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte», teilte FTI mit. Dem «Handelsblatt» zufolge soll sich bei FTI kurzfristig eine Deckungslücke in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages aufgetan haben. Der Bund habe nach Verhandlungen am Wochenende weitere Hilfen für das Unternehmen abgelehnt.
Fonds organisiert Rücktransport alleingelassener Urlauber
Jetzt ist der 2021 gestartete Deutsche Reisesicherungsfonds am Zug. Er soll sich bei einer Pleite eines Reiseanbieters um die Erstattung der Vorauszahlungen der Kunden, gegebenenfalls den Rücktransport gestrandeter Urlauber sowie deren Unterbringung bis zum Rücktransport kümmern.
Der von der deutschen Touristikwirtschaft organisierte und vom deutschen Justizministerium beaufsichtigte Fonds war nach der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019 gegründet worden. Die Versicherung hatte damals wegen einer Haftungsbeschränkung nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, der Staat sprang mit Millionen ein.
Nach TUI und DER Touristik drittgrösster Anbieter
Die FTI Group mit etwa 11’000 Beschäftigten war in der Pandemie, die die Branche in eine schwere Krise stürzte, in Bedrängnis geraten. Zuletzt sah sich der nach TUI und DER Touristik drittgrösste europäische Reisekonzern dank gestiegener Nachfrage wieder auf Kurs.
Im vergangenen Geschäftsjahr 2022/2023 verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzplus von 10 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro und erwirtschaftete einen Ertrag in zweistelliger Millionenhöhe. Nähere Details zum Ergebnis machte das Unternehmen nicht. Hauptgesellschafter war zuletzt die ägyptische Investorenfamilie Sawiris.
DPA/lop/sth
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