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Fragen zur Finanzpolitik
Das Aus für Frankreichs Regierung hat Folgen für die Wirtschaft – und die Schweiz

epa11755278 France's Prime Minister Michel Barnier (C) receives makeup touch-ups prior a televised interview broadcast on the evening news on French TV channels, at Hotel Matignon in Paris, France, 03 December 2024. Opposition lawmakers vowed to topple the minority government of Barnier in a no-confidence vote after just three months in office.  EPA/THOMAS SAMSON / POOL  MAXPPP OUT
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In Kürze:
  • Ohne neues Staatsbudget dürfte der alte Haushalt ins neue Jahr übertragen werden.
  • Die Staatsverschuldung Frankreichs ist seit 2017 um fast 43 Prozent gestiegen.
  • Die Dynamik des Schuldenwachstums besorgt Ökonominnen und Ökonomen.
  • Der Euro dürfte weiter unter Druck geraten.

Was ist in Frankreich gerade los?

In Paris hat das Parlament die Regierung von Michel Barnier abgesetzt, die erst am 5. September 2024 von Präsident Emmanuel Macron eingesetzt wurde. Grund für das Misstrauensvotum im Parlament war das staatliche Budget für 2025. Dieses hatte Barnier nach langwierigen Verhandlungen mit Parteien der Mitte und von rechts erstellt. In den letzten Tagen sprang aber unter anderem Marine Le Pens Rassemblement National ab, der die grösste Fraktion im Abgeordnetenhaus stellt.

Nun entschied sich das Parlament auf Antrag des linken Bündnisses Nouveau Front Populaire zu der Absetzung von Michel Barnier als Premierminister. Damit ist auch sein Budget für 2025 vom Tisch.

Was passiert, wenn Frankreich ohne Budget für 2025 bleibt?

In diesem Fall dürfte das alte Budget in das neue Jahr übertragen werden, sagt Katja Gisler, Investment-Strategin bei Wellershoff & Partners in Zürich. «Das bedeutet, dass das Budgetdefizit weiter steigen wird.» Diese Befürchtung hat auch Arthur Jurus, Investment-Chef für die Schweiz der in Paris beheimateten Finanzgruppe Oddo BHF: «Kurzfristig führt der Haushaltsstreit zu einer politischen und institutionellen Lähmung und schränkt die Fähigkeit der Regierung ein, die notwendigen Massnahmen zur Eindämmung der Ausgaben und zur Verringerung des Haushaltsdefizits zu ergreifen.»

Langfristig könnte die «Glaubwürdigkeit Frankreichs als Wirtschaftsakteur nachhaltig beschädigt werden», so Jurus.

Warum muss Frankreich seine Staatsausgaben eindämmen?

«Frankreich hat seit Jahrzehnten keinen ausgeglichenen Staatshaushalt», sagt Marc Brütsch, Chefökonom Schweiz von Swiss Life. «Gemessen am BIP ist die Schuldenquote Frankreichs aktuell mit 112 Prozent zwar noch unterhalb jener von Griechenland und Italien», so Brütsch, «Fakt ist aber, dass Frankreich auf die Pandemie mit ausgesprochen starker fiskalpolitischer Unterstützung reagiert und die Ausgaben seither kaum gedrosselt hat.» Sprich: Frankreich hat sich an stetige Hilfe vom Staat gewöhnt.

Sollte Paris das Defizit 2025 nicht senken, könnte es für das Land noch schwieriger werden, sagt Anastassios Frangulidis, Chefstratege bei Pictet Asset Management. Würde die Schuldenreduktion weiter verschoben, würde Frankreich «zu einem späteren Zeitpunkt ökonomisch und politisch noch schwierigere Massnahmen» durchführen müssen.

Wie hoch ist Frankreichs Schuldenlast?

«Die Staatsverschuldung ist von 2,3 Billionen Euro im Jahr 2017 auf rund 3,3 Billionen Euro im Jahr 2024 gestiegen, was einem Anstieg um fast 43 Prozent in nur sieben Jahren entspricht», sagt Arthur Jurus. Diese Dynamik des Schuldenwachstums bereite ihm Anlass zur Sorge. Denn das zeige, dass Frankreich «ein tieferes strukturelles Problem» habe, da «selbst ausserhalb der Corona-Krisenzeiten das Haushaltsdefizit eines der höchsten in der Europäischen Union» bleibe.

Was geschieht, wenn Frankreich seine Staatsschulden nicht eindämmt?

Die Zinsen auf Frankreichs Staatsanleihen werden weiter zunehmen. Das bedeutet, die Kosten für die Verschuldung nehmen für das Land zu. Die französische Risikoprämie, die sich in der Differenz zwischen den französischen und den deutschen Zinsen widerspiegle, könnte weiter steigen, so Arthur Jurus, «wenn die politische Zersplitterung und die Haushaltsunsicherheit anhalten». Der Schuldendienst könnte so bis 2025 auf über 3 Prozent des Budgets ansteigen. Dadurch hätte der Staat weniger Spielraum für Investitionen, etwa für die Energiewende oder die Verbesserung der Infrastruktur.

Welches sind die Folgen für die französische Wirtschaft?

Arthur Jurus bezeichnet sie als «vielfältig und tiefgreifend». Nicht nur könne der Staat weniger Geld ausgeben, auch «Unternehmen und Haushalte haben unter restriktiveren Finanzierungsbedingungen zu leiden». Steigende Hypothekenzinsen würden sich auf den Immobiliensektor auswirken, und «das ohnehin schon sinkende Vertrauen der Unternehmen könnte sich in einem Rückgang der Investitionen niederschlagen». Die französische Wirtschaft könnte seiner Ansicht nach im vierten Quartal 2024 sogar in eine Rezession geraten.

Für das kommende Jahr geht Frangulidis von Pictet Asset Management jedoch davon aus, dass die französische Volkswirtschaft um etwa 1 Prozent wachsen wird: «Das ist ein tieferer Wert als in den Jahren zuvor.» Swiss-Life-Chefökonom Brütsch sieht Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit «gegenüber anderen europäischen Standorten wie Spanien, Portugal oder Polen» beeinträchtigt. Allerdings bleibe Frankreich attraktiv als Tourismusdestination und sei «bezüglich Digitalisierung und Stärke des Finanzmarkts eine der führenden Volkswirtschaften in Europa».

Was bedeutet die Krise für die Eurozone und die Schweiz?

Frankreich bestreitet rund 17 Prozent der Wirtschaftsaktivität der Eurozone. «Eine verstärkte Wahrnehmung des französischen Staatsrisikos könnte das Vertrauen ausländischer Investoren in den Euro schwächen», sagt Arthur Jurus von Oddo BHF, «was potenziell zu einer Abwertung der Gemeinschaftswährung beiträgt.» Katja Gisler würde bei einer Fortsetzung der Krise ebenfalls den «Euro unter Druck» sehen.

Für die Schweiz wäre ein schwächer werdender Euro ein zweischneidiges Schwert: Einerseits würden Schweizer Exporte in die Eurozone teurer. Andererseits würden sich Einfuhren vergünstigen – und Reisen in die Eurozone erschwinglicher.

Frankreich ist nach Deutschland die grösste Volkswirtschaft der Eurozone. «Schon jetzt sind diese beiden grossen Volkswirtschaften der Eurozone die Bremser der wirtschaftlichen Entwicklung», sagt Gisler. Dies dürfte angesichts der politischen Blockaden in beiden Ländern noch einige Zeit so bleiben, «was die Konjunkturaussichten für die Eurozone weiter eintrüben wird».

Swiss Life geht laut Chefökonom Marc Brütsch ebenfalls von einer weiteren Schwächung des Euro aus: «Die Europäische Zentralbank dürfte daher gezwungen sein, mit einer expansiveren Geldpolitik eine Rezession zu verhindern.»