Wegen Spionage angeklagtProzess gegen US-Journalist Gershkovich in Russland beginnt
Moskau wirft dem «Wall Street Journal»-Reporter vor, er habe für die CIA Informationen über eine Militäranlage gesammelt. Er, die Zeitung und Washington bestreiten das.
In Russland hat am Mittwoch der Prozess gegen den «Wall Street Journal»-Reporter Evan Gershkovich wegen Spionagevorwürfen begonnen. Journalisten durften zunächst für wenige Minuten in den Gerichtssaal in Jekaterinburg, bevor das Verfahren hinter verschlossenen Türen stattfand. Dem 32-jährigen Gershkovich droht im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren. Dass er schuldig gesprochen wird, gilt als nahezu sicher. Der nächste Gerichtstermin wurde laut Gerichtsvertretern für den 13. August angesetzt.
Gershkovich wird laut russischer Staatsanwaltschaft vorgeworfen, er habe im Auftrag des US-Auslandsgeheimdiensts CIA «geheime Informationen» über eine Einrichtung gesammelt, in der Militärausrüstung hergestellt und repariert werde. Es wurden keine Beweise dafür öffentlich vorgelegt. Gershkovich, die Zeitung «The Wall Street Journal» und die US-Regierung bestreiten die Vorwürfe.
Gershkovich befand sich im Gerichtssaal in einem Glaskäfig für den Angeklagten. Am Käfig war ein gelbes Vorhängeschloss angebracht. Gershkovichs Kopf war kahlrasiert, er trug ein schwarzblaukariertes Hemd.
Gershokovich ist seit 15 Monaten in Haft
Der Journalist war bei einer Dienstreise im März 2023 festgenommen worden. Er hat bereits knapp 15 Monate im Gefängnis verbracht. Die Verhaftung hat ausländische Journalisten in Russland schockiert, auch wenn dort nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bereits strenge Gesetze gegen die Redefreiheit eingeführt worden waren. Es gab Sorgen, Russland habe es angesichts der wachsenden Feindseligkeit zwischen Moskau und Washington auf Amerikaner abgesehen. Im vergangenen Jahr wurde die Reporterin Alsu Kurmasheva, die neben der russischen auch die US-Staatsbürgerschaft hat, verhaftet. Ihr wurde vorgeworfen, gegen ein Gesetz verstossen zu haben, nach dem sich sogenannte «ausländische Agenten» registrieren müssen.
Ein Justiziar von Dow Jones, Jay Conti, äusserte Kritik am Verfahren gegen Gershkovich. «Er war akkreditierter Journalist, der Journalismus betrieb, und das ist ein Scheinprozess», sagte Conti der Nachrichtenagentur AP zum Verfahren. Die Vorwürfe gegen Gershkovich seien «komplett erfunden».
Gershkovich ist in den USA geboren. Seine Eltern sind Einwanderer aus der früheren UdSSR. Er ist der erste westliche Journalist, der in Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion wegen Spionagevorwürfen verhaftet wurde. Das «Wall Street Journal» hat sich darum bemüht, dass der Fall weiter öffentlich Aufmerksamkeit bekommt.
Russland hat nicht ausgeschlossen, dass es einen Gefangenenaustausch mit Gershkovich geben könnte. Allerdings müsse es zuerst ein Gerichtsurteil geben, heisst es. Bis dieses gesprochen wird, könnten Monate vergehen. Der russische Staatschef Wladimir Putin hat Interesse an der Freilassung des in Deutschland inhaftierten Russen Wadim K. geäussert, der wegen der Ermordung eines tschetschenischen Rebellenführers in Berlin verurteilt wurde. Ob Deutschland dazu bereit wäre, den Gefangenenaustausch zu ermöglichen, ist unklar.
DPA/aeg
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