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Missstände in Security-Branche
«Es braucht schweizweite Mindeststandards für private Sicherheitsdienste»

Zwei Sicherheitskräfte stehen vor einer Menge Fotografen mit Blitzlichtern.
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In Kürze:
  • Private Sicherheitsdienste in der Schweiz übertreffen bereits die Polizei bei der Mitarbeiterzahl.
  • Es fehlen schweizweite Standards für die Qualität von Sicherheitsdiensten.
  • Der frühere Polizeidirektor und Mitte-Nationalrat Reto Nause unternimmt einen neuen Versuch, nationale Mindeststandards einzuführen.

In der Schweiz arbeiten mehr als 24'000 Personen bei privaten Sicherheitsdiensten – eine Zahl, die die Anzahl der uniformierten Polizistinnen und Polizisten übersteigt.

Dennoch fehlt es an schweizweiten Standards, die Qualität und Zuverlässigkeit dieser Branche sicherstellen. Nach jahrelangem Scheitern aller Regulierungsversuche unternimmt der Nationalrat und ehemalige Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) einen neuen Anlauf, um die Missstände zu beheben.

Sicherheitsdienste als boomende Branche

Die private Sicherheitsbranche boomt: Seit 2011 hat die Zahl ihrer Angestellten um rund ein Drittel zugenommen.

Sie übernehmen Ordnungsaufgaben an Bahnhöfen, in Clubs, an Veranstaltungen und in Asylunterkünften – oft in direkter Zusammenarbeit mit der Polizei. Doch trotz dieser Nähe zum Gewaltmonopol des Staates fehlt es vielerorts an verbindlichen Anforderungen für Ausbildung, Leumund und Einsatzstandards.

Eine aktuelle Recherche des SRF zeigt eindrücklich die Schwächen im System. Eines von mehreren Beispielen: In einem Zürcher Asylzentrum wurden Sicherheitsangestellte eingesetzt, die kaum vorbereitet waren und dennoch sensible Aufgaben übernahmen.

Die Zürcher Sicherheitsdirektion stellt sich auf den Standpunkt, dass sie keine gesetzlichen Möglichkeiten hat, beauftragte Sicherheitsdienste im Detail zu überprüfen.

Dabei ist das Problem längst erkannt. Schon 2019 warnte die damalige Justizministerin Karin Keller Sutter (FDP) im Parlament: «Die heutige komplizierte Situation mit ganz unterschiedlichen Regelungen in den Kantonen ist nicht nur ein Ärgernis, sondern sie führt auch zu konkreten Risiken.»

Es sei «keine Sternstunde des Föderalismus», dass es den Kantonen nicht gelinge, eine gemeinsame Lösung herbeizuführen, kommentierte Keller-Sutter und bekräftigte: Der Bund müsse in die Lücke springen.

Widerstand der welschen Kantone

Die Zürcher Nationalrätin Priska Seiler Graf (SP) wollte damals mit einer Motion den Bund verpflichten, nationale Standards für die Branche zu schaffen.  Die kantonalen Polizeidirektoren unterstützten den Vorstoss, und der Bundesrat war bereit, ihn anzunehmen.

Priska Seiler Graf lächelt während des 2. Wahlgangs der Zürcher Ständeratswahlen im Walchezentrum am 19. November 2023.

Auch der Nationalrat stimmte zu – doch der Ständerat lehnte den Vorstoss mit nur zwei Stimmen Unterschied ab. Seiler Graf erinnert sich, dass die Westschweizer Kantone dabei den Ausschlag gaben: Sie hätten bereits eine funktionierende Lösung gehabt und befürchteten eine Überregulierung.

So blieb es beim sprichwörtlichen kantonalen Flickenteppich: Die Kantone Schwyz, Glarus und Zug zum Beispiel kennen keinerlei Bewilligungspflicht für Sicherheitsfirmen, andere Kantone haben eigene, unterschiedliche Regeln.

Gleichzeitig erlaubt das sogenannte Binnenmarktgesetz aber, dass Anbieter aus unregulierten Kantonen auch in Kantonen mit strengeren Vorschriften tätig werden können. Das ist ein gesetzlicher Graubereich, der zu Missbrauch einlädt.

Seiler Graf ist erschüttert über den SRF-Beitrag über die Missstände: «Die Recherche bestätigt einmal mehr: Es braucht nun endlich schweizweite Mindeststandards für private Sicherheitsdienstleister.»

Reto Nause wagt den Neuanfang

Ihr Berner Ratskollege Reto Nause will nun erneut versuchen, die Branche zu regulieren. Das Ziel seines Vorstosses: schweizweite Mindeststandards für private Sicherheitsdienste. Dazu gehören verbindliche Vorgaben für Leumund, Ausbildung, Bewilligungen und die Führung eines Registers. Auch der Umgang mit Spezialbereichen wie Waffeneinsatz und Diensthunden soll geregelt werden.

Reto Nause bei der Wintersession 2024 im Bundeshaus, sitzend in einem Saal mit anderen Teilnehmern.

«Es geht darum, dass wir endlich klare Anforderungen schaffen», sagt Nause.

Er sieht den Handlungsbedarf vor allem in der gestiegenen Nachfrage nach privaten Sicherheitsdiensten. «Die Schweiz hat die niedrigste Polizeidichte in Europa. Gleichzeitig haben wir durch die Mediterranisierung, also die Liberalisierung des Nachtlebens, und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Nacht einen steigenden Bedarf an Sicherheitskräften.»

Nause weiss, wovon er spricht: Als ehemaliger Sicherheitsdirektor der Stadt Bern machte er selbst Erfahrungen mit privaten Sicherheitsdiensten. In der Aarbergergasse, einer belebten Ausgehmeile in Bern, waren Anbieter tätig, die nicht den Erwartungen entsprachen.

«Diese Firmen stehen oft an der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Raum, alarmieren die Polizei oder greifen selbst ein. Es ist zwingend, dass wir hier verlässliche Partner haben», sagt er. Diese praktischen Erfahrungen bestärken seine Forderung nach verbindlichen Standards.

Polizeidirektoren für Bundeslösung

Auch die Vereinigung der kantonalen Polizeidirektoren zeigt sich wie schon vor vier Jahren offen für eine Bundeslösung. Ihr Generalsekretär Florian Düblin sagt, der Handlungsbedarf sei trotz gescheiterter Vorstösse «nach wie vor unbestritten». Offiziell haben sich die Polizeidirektoren zu Nauses Vorstoss noch nicht positioniert. Aber laut dem Generalsekretär ist davon auszugehen, dass sich ihre Haltung nicht grundlegend geändert hat.

Karin Keller Sutter hatte das Malaise schon vor bald einem Jahrzehnt klar benannt: «Jeder Schreiner und Bäcker, jeder Gewerbler muss x Vorschriften erfüllen. Hier aber haben wir einen Bereich ganz nahe am Gewaltmonopol, in dem das nicht stattfindet.»