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Meinung

Kirche in der Krise
Priester zwischen Lust und Lüge

Er handelte in möglichen Missbrauchsfällen erst auf Druck der Medien: Diözesanbischof Charles Morerod.
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Paul Frochaux ist wegen Missbrauch eines Minderjährigen als Priester der Freiburger Kathedrale zurückgetreten. Sein Bischof Charles Morerod aber scheint fein raus zu sein. Die von ihm veranlassten Untersuchungen haben Resultate ganz in seinem Sinn gezeitigt. «Weshalb wurde der Diözesanbischof nicht informiert?», heisst es in den Presseunterlagen.

Er wurde dreimal informiert und wollte doch nichts wissen – vorgeblich, weil das Gesprächsprotokoll zum Missbrauch von 1998 in einem Chalet im Walliser Ferienort Torgon verschwunden war. Als es wieder auftauchte, vermochte der Bischof darin «keine schwerwiegenden Taten» zu erkennen.

Jeder andere würde im Protokoll mindestens schwerwiegende Vorwürfe herauslesen. Es ist darin vom ambivalenten Umgang Frochaux’ mit Kindern die Rede, dass man ihn therapieren müsse, damit er nicht rückfällig werde und andere junge Menschen gefährde. Er habe kein pädophiles Problem, wird er selber zitiert.

Eine zweite Untersuchung bleibt viele vom Bischof versprochene Antworten schuldig. Es geht darin vor allem um die Anschuldigung eines Priesters, er sei von Frochaux einst sexuell belästigt worden. Und offen bleibt vor allem auch, ob Frochaux in einer Beziehung mit dem heutigen Weihbischof Alain de Raemy ein Doppelleben geführt hat.

Die Vorfälle im Westschweizer Bistum bestätigen exemplarisch, wie sexuelle Repression Doppelmoral und Doppelleben fördert.

Morerods Weihbischof war Mitbesitzer des Chalets in Torgon und stritt den Missbrauch seines Freundes öffentlich ab. Eine zentrale Aussage der Untersuchung lautet, es habe im Pfarrhaus von Vevey keine homoerotische Atmosphäre geherrscht. Es fällt sehr schwer, das zu glauben – angesichts des im Bistum mit Händen zu greifenden homoerotischen Klimas.

Just am Tag der Pressekonferenz deckte die Zeitschrift «Illustré» das Doppelleben von Morerods früherem Generalvikar und Stellvertreter auf. Ausgerechnet ihn hatte der Bischof zum Nachfolger von Frochaux gekürt. Doch mit Nacktfotos auf einer Homo-Dating-Plattform disqualifizierte sich der nach aussen konservative und homophobe Priester für den Vorsitz der Kathedrale.

Er war auch nicht erste Wahl. Zuerst hatte Morerod einen Priester angefragt, gegen den eine Untersuchung läuft – wegen mutmasslicher sexueller Übergriffe. «Sodom in Freiburg» ist zum geflügelten Wort geworden – in Anlehnung an das Buch «Sodom» des Soziologen Frédéric Martel, der das Lügensystem des verkappt homosexuellen Klerus dokumentiert.

Die Vorfälle im Westschweizer Bistum bestätigen exemplarisch, wie sexuelle Repression Doppelmoral und Doppelleben fördert – samt Vorwürfen zu Übergriffen auf Minderjährige. Zwischen Lust und Lüge aufgerieben, bevölkern offenbar tragische Priesterexistenzen das Bistum.

Von Morerod nach Paris versetzt, versuchte der Priester «als Märtyrer der Keuschheit» junge Schwule zu heilen. Zurück in der Westschweiz, muss er sich um Kranke und Alte kümmern. Dem Priester und Flüchtlingsbetreuer aus Frankreich hat das Bundesgericht in Lausanne letzten Herbst die Adoption zweier Jugendlicher verwehrt, weil er aufgrund von Polizeidossiers nicht zum Adoptivvater geeignet sei.

Viele weitere Skandale mag es nicht mehr leiden.

Recherchen dieser Zeitung dazu lässt Morerod ins Leere laufen – angeblich aus Datenschutzgründen oder wegen laufender Ermittlungen. Im Fall Frochaux handelte er stets erst auf Druck der Medien. Der Bischof gibt nach aussen den Saubermann, versucht aber vor allem seine eigene Haut zu retten. Kommt es zum Skandal, hat er nichts gewusst.

Auffallend ist, dass er – verglichen mit anderen Bischöfen – viele jüngere smarte Priester in Spitzenpositionen hievt. Dazu kommt seine Vorliebe für Ironie und Doppeldeutigkeit. So lädt er jährlich zur «Soirée Mousse» ins Bischofshaus ein, zum Bierabend mit viel Schaum.

Viele weitere Skandale mag es nicht mehr leiden. Morerod kann von Glück reden, dass ihn unter den welschen Journalisten nur ganz wenige zu kritisieren wagen.