Staatsrat auf der AnklagebankHat Pierre Maudet einen Unfall verursacht und ignoriert?
Ein Genfer Bürger beschuldigt den Staatsrat, ihm von hinten ins Auto gefahren zu sein. Der Politiker dementiert und sitzt darum vor Gericht – schon wieder.
Sein letztes Strafverfahren brachte Pierre Maudet im Frühling 2023 hinter sich. Er akzeptierte eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme und trat zwischenzeitlich als Regierungsrat zurück. Seit dem letzten Sommer sitzt Maudet wieder in der Genfer Regierung und seit Dienstag auch bereits wieder auf einer Anklagebank. Heute geht es jedoch nicht mehr um eine Luxusreise nach Abu Dhabi, sondern eigentlich um eine Lappalie: einen Autounfall in Genf, über den Maudet sagt, es habe ihn nie gegeben, weil er ihn nicht bemerkt habe. Was hat es mit diesem Autounfall auf sich?
Unbestritten ist, dass Maudet am 24. März 2023 spätabends in einem Volkswagen Touran in der Genfer Innenstadt unterwegs war. Er kam von einer Wahlveranstaltung und wollte nach Hause. Um genau 22.38 Uhr passierte er das Stadion des Hockeyclubs Servette HC und bog im Schritttempo in einen Kreisel ein. Was dann passierte, darüber gehen die Ansichten auseinander.
Ein Mitsubishi-Besitzer ist überzeugt, dass Maudet von hinten in sein Auto fuhr. Er habe seine Schwester und deren mexikanische Freundin vom Flughafen nach Hause gefahren, wegen des Hockeymatchs Umwege fahren müssen und in einem Kreisel wegen zweier Autos abrupt bremsen müssen. «Da spürten wir einen heftigen Stoss von hinten», beschrieb er am Dienstag einem Strafrichter seinen «Unfallmoment».
Also sei er rechts an die Strasse gefahren und habe eigentlich erwartet, dass der Autofahrer hinter ihm dasselbe tue, um den Schaden gemeinsam zu begutachten. Stattdessen sei dieser an ihm vorbeigefahren. «Da habe ich ihn verfolgt. Wir haben Fotos gemacht und die Autonummer speichern können», so der Mann. «Irgendwann gab ich das Hinterherfahren dann aber auf, brachte meine Passagiere nach Hause und alarmierte die Polizei.»
Maudet und die Gendarmen
Maudet bestreitet, dass sein Volkswagen den Mitsubishi je touchiert habe. Kaum zu Hause, seien drei Genfer Gendarmen bei ihm eingetroffen und hätten einen Alkoholtest (mit negativem Ergebnis) durchgeführt und verlangt, sein Auto zu begutachten, gab er vor Gericht zu Protokoll. Sie hätten schliesslich mit einem vierten Gendarmen telefoniert, der zeitgleich die Schäden am Mitsubishi analysiert habe. Die Polizisten fanden an Maudets VW Touran Spuren, die sie der Stossstange des Mitsubishi zuordneten.
Maudet beteuerte weiter seine Unschuld und dachte, die Sache würde keine weiteren Folgen haben. Doch dann bekam er einen Strafbefehl. Wegen pflichtwidrigen Verhaltens und Nichtbeherrschen des Fahrzeugs sollte Maudet eine Busse von über 2000 Franken zahlen. Er rekurrierte gegen den Bescheid. In einer schriftlichen Stellungnahme schrieb er, er akzeptiere das Verdikt auch darum nicht, weil es im vorliegenden Fall keine Zeugen, keine Videobeweise und auch keine von der Polizei produzierten Schadenfotos von seinem Fahrzeug gebe. Es gebe auch keine separaten Einvernahmen der Unfallteilnehmer, um vorliegende Widersprüche zu prüfen.
Maudet drängte auf die Einstellung des Verfahrens. Doch darauf liess sich die Polizei nicht ein und leitete die Sache ans Gericht weiter. Im Gerichtssaal plädierte Maudets Verteidiger mit markigen Worten auf «einen vollständigen Freispruch meines Klienten» und mahnte die Journalisten, die Unschuldsvermutung nicht zu verletzen.
Panne und Peinlichkeiten
Vom Ganzen unbeeindruckt, beteuerte der Mitsubishi-Fahrer, seine Stossstange sei «nicht mehr auf der Linie seiner Karosserie», sondern heftig beschädigt. Dass Maudet ihm ins Heck gefahren sei, habe er erst später erfahren.
Die Debatte vor Gericht drohte sich in Peinlichkeiten, juristischen Randnotizen und einer Computerpanne zu verlieren, da wurde der Prozess doch noch grundsätzlich. Der klagende Mitsubishi-Fahrer, den das Gericht auch als Zeuge einvernahm, sass während Maudets Befragung im Saal. Er hatte dem Angeklagten interessiert zugehört und machte sich in seiner Befragung durch den Richter nun daran, Maudet zu korrigieren. Das Gesetz verbietet es jedoch, dass ein Zeuge vor seiner Einvernahme im Gerichtssaal sitzt. Nun drohte dem Kläger selbst juristischer Ärger. «Ich habe von all dem doch nichts gewusst», sagte er dem Richter verzweifelt.
Der Richter liess für einmal Gnade vor Recht walten. Ob er Pierre Maudet glaubt, wird sich erst am Donnerstag weisen. Erst dann will der Einzelrichter sein Urteil bekannt geben. Auch er weiss: Die Strafe wegen der Luxusreise nach Abu Dhabi hängt weiter wie ein Damoklesschwert über Maudet. Das Gericht hat ihm im Frühling 2023 eine auf zwei Jahre bedingte Geldstrafe über 300 Tagessätze zu je 400 Franken aufgebrummt. Zudem musste Maudet dem Kanton Genf eine Kompensationszahlung von 50’000 Franken überweisen und die Untersuchungs- und Gerichtskosten zahlen. Selbst im Fall eines Schuldspruchs dürfte Maudet diesmal deutlich günstiger davonkommen.
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