Papablog: Heiligtümer des VatersPfoten waschen, sofort!
Warum die Kinder unseres Autors seine neue Geliebte nur mit sauberen Händen anfassen dürfen.
«Pfoten gewaschen?», frage ich mit zugekniffenen Augen. «Äh, fast, also ja, nein», antwortet Junior und grinst. «Du weisst doch ganz genau, dass …», setze ich zur Predigt an. Wissen Sie, mit Kindern ist es wie mit Hunden: auch sie haben ihre Nase nonstop überall drin. Nicht nur die Nase, sondern auch die Beine, die Ohren, die Hände, den Kopf, das Hinterteil, jede einzelne Zehe. Mit anderen Worten: Vor Kindern ist nichts sicher.
Aus den High-End-Kopfhörern wird ein Sturzhelm und die Vase dient als improvisierter Mini-Basketballkorb für Pingpong-Bälle.
Kaum ein Gegenstand im Haushalt, der nicht zu irgendwelchen spielerischen Zwecken umfunktioniert werden könnte. Aus dem sündhaft teuren Designersessel wird ein Trampolin, aus den High-End-Kopfhörern ein Sturzhelm und die Vase – ein Erbstück im Wert eines Kleinwagens – dient als improvisierter Mini-Basketballkorb für Pingpong-Bälle.
Streicheln statt malträtieren
Tja, die Kids sind halt neugierig, interessiert, wollen ausprobieren, schauen, experimentieren, ob und warum, wie lange, wie hoch, wie nass, wie laut, wie farbig – oder vielleicht ganz einfach, wie sauer der Alte wird, wenn er entdeckt, was eben von ihnen ausprobiert, geschaut und experimentiert wurde. Gott oder Konto sei dank, besitze ich all die vorhin erwähnten Dinge gar nicht, sonst würde ich wohl dauergestresst durch die eigenen vier Wände wandeln.
Auch wenn in unserer Wohnung also nicht viel Exklusives zu Bruch gehen kann, gibt es etwas, das mir absolut heilig ist. Eine Art Geliebte, die erst seit rund einem Monat zur Familie gehört. Etwas, das mir – sanft berührt und fein gestreichelt – das Herz aufgehen lässt: mein funkelnigelnagelneues Elektropiano.
Pozart statt Mozart
52 weisse, 36 schwarze Tasten exakt auf Dreikäseaugenhöhe, dazu viele spannende Knöpfe zum Drehen und Drücken, eine leuchtende Digitalanzeige, ein faltbarer Deckel und – jetzt kommts – es tönt! Ein paradiesisches Gerät für jedes neugierige Kind. Und hier beginnt mein inneres Dilemma. Es ist durchaus mein Wunsch, dass die Kinder das Instrument ausprobieren, es schätzen lernen, sich faszinieren lassen.
Wer braucht schon Finger zum Klavier spielen, wenn man mit dem ganzen Arm rumhämmern kann?
Aber tragen sie auch wirklich Sorge dazu? Ich meine, das Ding klingt auch, wenn sich jemand draufsetzt. Pozart statt Mozart. Oder wer braucht schon Finger zum Klavier spielen, wenn man mit dem ganzen Arm rumhämmern kann? Walze statt Walzer. Kurzum: Ich fürchte mich davor, dass mir die Kinder den Tastenkasten ruinieren.
Meine drei (oder eher vier) Regeln
Jetzt mach dir mal nicht in den Pianisten-Frack und lass die Kleinen «örgeln», statt zu nörgeln, mögen die einen drauflos reflexen. Klar, sollte mal eine Taste fehlen, kann man das reparieren. Andere wiederum denken wohl, es fehle mir an Vertrauen in meine Kids. Nun, ich finde mein Verhalten selbst ja auch mässig kunstvoll. Trotzdem sehe ich mich gezwungen, die Regeln durchzuziehen, die da lauten:
Erstens: «Pfoten waschen vor dem Spielen, hier ‹fudifingert› keiner mit schmutzigen Griffeln rum!»
Zweitens: «Pfoten abtrocknen nach dem Waschen und vor dem Spielen!»
Drittens: «Ohne mich? Ohne mich! Ich bin dabei, wenn in die Tasten gehauen wird.»
Und: «Moment, gehauen wird schon gar nicht, das Instrument wird liebkost, bis es sanft surrt, als wäre es ein kleines Kätzchen.»
Meine Methode funktioniert gut. Auch wenn es zum Jobprofil der Kinder gehört, aufgestellte Regeln ständig wieder zu vergessen, verhalten sie sich meist tadellos. Trotzdem frage ich mich, ob mein tastenterroristisches Gebaren allenfalls etwas brachial sein könnte. Denn ich hoffe ja ganz fest, dass den Kids die Freude an der Musik trotz ihres neurotischen Papas nicht gleich wieder vergeht.
Wie sehen Sie das, liebe Leserinnnen und Leser? Gibt es auch Dinge, die Ihnen heilig sind und welche Regeln gelten da?
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