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Ursache für Lieferschwierigkeiten
Ohne diese Kiste gäbe es keinen Welthandel

Die Grössen der Container sind weltweit normiert.
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Keith W. Tantlinger hat acht Ecken erfunden. Heute kennt ihn niemand mehr, und acht Ecken klingen nicht unbedingt nach einer spektakulären Innovation. Trotzdem widmete die «New York Times» dem US-Ingenieur, als er starb, einen längeren Nachruf. Denn die Ecken Tantlingers haben den Welthandel revolutioniert und die weltweiten Warenströme der vergangenen Jahrzehnte erst ermöglicht.

Tantlinger entwarf in den 1950er-Jahren einen Schiffscontainer mit genormten Eckbeschlägen, die man miteinander verriegeln kann. Mit dieser Erfindung lassen sich Container auf Schiffen stapeln und mit Kränen ein- und ausladen – eine unabdingbare Voraussetzung für die heutige Container-Schifffahrt.

Wie abhängig wir von den Containern sind, zeigen die pandemiebedingten Lieferverzögerungen der vergangenen Monate.

«Die normierten Schiffscontainer waren ein wichtiges Element, damit sich der globale Handel in den letzten Jahrzehnten so rasant entwickeln konnte», sagt Ralf Fiedler, Forscher am Fraunhofer Institut für maritime Logistik in Hamburg. Die Network-Spezialistin Anna Nagurney, die an der US-Universität Amherst zum Thema Lieferketten forscht, schreibt: «Diese Erfindung machte die moderne, globalisierte Welt möglich.»

Vor der Erfindung des Einheitscontainers war das Beladen der Schiffe mühsam

Container für den Warentransport gab es zwar schon länger. Trotzdem luden viele Reedereien noch bis in die 1960er-Jahre ihr Transportgut in einzelnen Kisten in die Schiffe. Wie der Wirtschaftshistoriker Marc Levinson in seinem Buch «The Box» schreibt, verliess beispielsweise ein Frachtschiff im Jahr 1954 den Hafen New Yorks in Richtung Hamburg mit 194’582 einzelnen Gegenständen im Bug.

Für die Beladung der Schiffe zuständig waren unzählige Dockarbeiter in jedem Hafen. Das Laden und Entladen dauerte seine Zeit, war deshalb teuer, der Platz im Laderaum liess sich nicht effizient ausnutzen, und immer wieder kamen Dinge abhanden.

Ein Dockarbeiter verdiene seinen Lohn und so viel Whisky, wie er tragen könne, erzählte man sich an den Häfen Mitte des vergangenen Jahrhunderts.

Die Transportkosten sanken mit den Containern rasant

Das muss doch irgendwie speditiver gehen, dachte sich der US-Unternehmer Malcolm McLean in den 1950er-Jahren. Er besass ein Lastwagenunternehmen und ärgerte sich über den Zeitverlust und die Kosten, wenn die Ware von der Strasse aufs Wasser wechselte.

Ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein sei eine der wichtigsten Eigenschaften McLeans gewesen, schreibt Levinson. Deshalb setzte er seine Spezialisten daran – darunter Tantlinger. Sie sollten normierte Container entwerfen, die man auf Lastwagen transportieren und dann bereits fertig beladen nur noch aufs Schiff hieven musste.

Tantlingers Erfindung machte das dann tatsächlich möglich. Gleichzeitig sanken die Kosten für eine Tonne Ladung rasant. McLean gründete die Reederei Sealand und liess die Schiffe so umrüsten, dass man die Container befestigen konnte.

Später kaufte die dänische Reederei Maersk Sealand auf. Maersk ist heute die grösste Container-Reederei mit einem Marktanteil von 17 Prozent. Die zweitgrösste Reederei Mediterranean Shipping Company hat ihren Hauptsitz in Genf.

Shanghai–Hamburg ist billiger als Hamburg–Zürich

«Weil die Transportkosten mit den Containern so tief sind, spielten Distanzen plötzlich keine Rolle mehr», sagt Logistikexperte Ralf Fiedler. Das habe den Handel stark globalisiert und es erst ermöglicht, dass so viele Firmen ihre Waren günstig in Südostasien herstellen lassen. Oder dass in unseren Läden Wein aus Chile manchmal weniger kostet als der einheimische.

«Es ist billiger, Ware von Shanghai nach Hamburg zu verschiffen, als sie dann weiter von Hamburg nach Zürich zu transportieren», sagt Fiedler.

Nebst den spottbilligen Transportkosten hätten zudem weltpolitische Entwicklungen den globalisierten Handel befeuert. «Auch die Veränderungen in den Neunzigerjahren in Osteuropa und die Entwicklung Chinas zum Produktionsstandort spielten eine Rolle», sagt Fiedler.

Riesige Mengen werden in Schiffscontainern transportiert

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schätzt, dass heute rund 90 Prozent der weltweit gehandelten Waren mit Schiffen transportiert werden.

Die Container auf den Schiffen sind weltweit genormt. Sie unterscheiden sich nur in der Länge. Es gibt 20-Foot- (6,05 m lang) und 40-Foot-Container (12,19 m lang); alle sind gleich breit. Die Masseinheit für die Ladekapazität von Schiffen leitet sich vom 20-Fuss-Container ab und heisst TEU (Twenty-foot Equivalent Unit).

Im vergangenen Jahr wurden in der weltweiten Container-Schifffahrt beispielsweise 148 Millionen TEU umgeschlagen. Wegen der Pandemie lag dieser Wert etwas tiefer als im Vorjahr.

Dass ohne Container wenig läuft, wurde vielen erst in den vergangenen 18 Monaten richtig bewusst. Lockdowns, geschlossene Häfen und Fabriken haben den weltweiten Warenstrom stark behindert. Leere Container strandeten irgendwo in einem Hafen und fehlten dann in Südostasien, während sich in anderen Zielorten die vollen Container stapelten. Auch die Produktion neuer Container stockte.

Auswirkungen hat das auf die Transportkosten. Das Verschiffen eines Containers kostete im August dieses Jahres mit mehr als 10’000 Dollar rund achtmal mehr als noch im Sommer 2019. Ob Fernseher, Möbelstück oder Auto – Kunden und Kundinnen werden sich auch in den nächsten Monaten noch gedulden müssen.

Bis sich der weltweite Containerstau auflöst, wird es noch eine Weile dauern. Bei Last-Minute-Geschenken dürfte die Auswahl dieses Jahr kleiner sein. Für Weihnachten empfehlen die meisten Hersteller, Bestellungen möglichst früh aufzugeben.