Munitionslager zerstörtRussland spricht nach neuer Explosion auf Krim von «Sabotageakt»
Auf der besetzten Halbinsel ist ein Munitionslager detoniert. Russland bestätigt den Angriff – und Kiew lässt der Tat deutliche Worte folgen.
Zum zweiten Mal innerhalb von rund einer Woche hat es auf der von Russland annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim schwere Explosionen gegeben.
Den russischen Angaben zufolge hatte ein Brand am Dienstagmorgen gegen 05.15 Uhr (MESZ) die Explosionen in dem provisorischen Waffenlager der im Norden der Krim gelegenen Militärbasis ausgelöst. Das Lager sei beschädigt worden ebenso wie zivile Infrastruktur, darunter eine Hochspannungsleitung, ein Kraftwerk, eine Bahnstrecke und mehrere Häuser. Es handelt sich um den militärischen Zwischenfall mit den bislang weitreichendsten Folgen in diesem Sommer auf der bei russischen Urlaubern beliebten Ferieninsel, die Moskau sich bereits 2014 einverleibt hatte.
In sozialen Netzwerken teilten Menschen am Dienstag seit dem Morgen Aufnahmen, die ein grosses Feuer zeigen und auf denen Detonationsgeräusche zu hören sind. «Heute gehe ich wahrscheinlich nicht zur Arbeit», sagt eine Frau und filmt dabei dichte Rauchwolken, die in einiger Entfernung von ihrem Haus in den Himmel aufsteigen.
Russlands Verteidigungsministerium sprach am Nachmittag von einem «Sabotageakt». Schwerverletzte gab es demnach keine. Krim-Verwaltungschef Sergei Aksionow sprach zuvor allerdings von zwei Verletzten. Mehr als 3000 Menschen mussten seinen Angaben zufolge in Sicherheit gebracht werden. In dem betroffenen Gebiet wurde der Notstand ausgerufen.
Zugverkehr unterbrochen
Auch der Zugverkehr in der Region wurde nach Angaben von Aksjonow unterbrochen. Menschen würden mit Bussen zu ihren Zielen gebracht, sagte er. Über Dschankoj gehen die Bahnverbindungen von Moskau über die neue Krimbrücke in die Hauptstadt Simferopol auf der Halbinsel. Die Züge von Moskau sollten nur noch bis Wladislawowka fahren. Weil der Flugverkehr eingestellt ist, nutzen viele Touristen in der Sommerzeit die Bahn, um in die Kurorte am Schwarzen Meer zu gelangen.
Wer für die Explosionen verantwortlich ist, war zunächst unklar. In Kiew jedenfalls wurde die Nachricht über das brennende russische Militärlager einmal mehr mit Genugtuung aufgenommen. Die Soldaten der ukrainischen Armee seien die besten Lieferanten für «gute Stimmung», schrieb der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andri Jermak, auf Telegram. «Die Krim gehört zur Ukraine», betonte er.
Wahrscheinlich hätten die Explosionen am Dienstag die Infrastruktur beschädigt, die die Krim mit Strom aus dem russisch kontrollierten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine versorgt, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten, Michailo Podoliak. Die Explosionen bezeichnete er ebenfalls als «Entmilitarisierung in Aktion» – und benutzte damit denselben Begriff, mit dem Russland seine Offensive in der Ukraine rechtfertigt.
Seit Ende Juli wird das seit März von russischen Soldaten besetzte Atomkraftwerk Saporischschja wiederholt beschossen. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Die Angst vor einer Katastrophe im grösste Akw Europas wächst. Am Montag warnte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, im Fall einer Atomkatastrophe wäre ganz Europa betroffen.
Nach Angaben des Elysée-Palasts sprachen Selenskyj und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag über eine Stunde über die Lage in dem Akw. Der Inhalt des Gesprächs sollte im Laufe des Tages veröffentlicht werden.
Ukraine deutet erneuten Angriff an
Erst am Dienstag vor einer Woche gab es schwere Explosionen auf einem russischen Militärstützpunkt auf der Krim. Bei den Explosionen auf der Basis in Saki nahe dem Kurort Nowofjodorowka wurden nach Behördenangaben ein Mensch getötet und 14 weitere Menschen verletzt. Russische Urlauber verliessen fluchtartig die Strände.
«Das ist nur der Anfang», schrieb Podoljak damals. Experten gehen davon aus, dass die Ukraine der Basis einen Schlag versetzte und dabei mehrere Kampfjets zerstörte. Offiziell bestätigt hat Kiew den Angriff aber nicht. Russland hingegen behauptet, es sei wegen Verstosses gegen den Brandschutz zu der Explosion gekommen.
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Der Vorfall in der vergangenen Woche hatte Spekulationen über eine möglicherweise neue ukrainische Waffe entfacht. Die ukrainische Rüstungsindustrie mache Fortschritte, hiess es damals aus Kiew. Das Augenmerk von Militärexperten richtet sich vor allem auf neue ballistische Kurzstreckenraketen des Typs Hrim-2. Sie wurden in der Ukraine entwickelt und haben angeblich eine Reichweite bis zu 500 Kilometern.
Schon am 31. Juli schlug bei der russischen Schwarzmeerflotte in der Hafenstadt Sewastopol nach Moskauer Angaben eine ukrainische Drohne ein. Auch damals gab es demnach Verletzte. Die Ukraine wies die russische Darstellung hingegen als «erfunden» zurück.
Angespannte Lage auf der Krim
Die jüngsten Zwischenfälle haben für beide Seiten grosse symbolische Bedeutung. Bei russischen Beobachtern werfen sie inzwischen Fragen auf, wie gut die von Moskau militärisch hochgerüstete Halbinsel tatsächlich geschützt ist. Kremlchef Wladimir Putin hatte immer wieder angekündigt, dass die Sicherheit der Krim noch weiter verstärkt werden solle.
Auch russische Regionen im Grenzgebiet zur Ukraine berichten seit dem von Putin Ende Februar angeordneten Angriffskrieg von einer extrem gespannten Lage. Die Gouverneure von Brjansk, Kursk und Belgorod klagen immer wieder über angeblichen Beschuss durch ukrainische Truppen.
Bislang hat Russland seinen Ankündigungen, Kommandozentralen in Kiew zu bombardieren, wenn der Beschuss nicht aufhöre, keine Taten folgen lassen. Doch die Drohungen sind weiter da. Als Kiew etwa bereits im Juli Gegenoffensiven in Richtung Krim in Aussicht stellte, beschimpfte der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew die ukrainische Führung als «überschwängliche Clowns» und schrieb: «Wenn so etwas passiert, wird der Jüngste Tag für sie alle auf einmal kommen. Sehr schnell und hart.»
Für viele Ukrainer wiederum haben Angriffe gegen die Krim-Machthaber eine besondere Bedeutung, weil die annektierte Halbinsel für sie bereits seit mehr als acht Jahren ein Inbegriff russischer Aggression ist. «Dieser russische Krieg gegen die Ukraine, gegen das ganze freie Europa, hat mit der Krim begonnen und muss mit der Krim enden, mit ihrer Befreiung», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kürzlich. Seit Kriegsbeginn vor knapp einem halben Jahr hat er seinen Landsleuten immer wieder eine Rückeroberung versprochen.
SDA/AFP/anf
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