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Papablog: Körper mit Vagina?
Nein, die Wörter ‹Frau› und ‹Mutter› sollen nicht abgeschafft werden

«Schwangere» statt «Frau»: Wenn es um medizinische Themen geht, macht eine inklusivere Sprache durchaus Sinn.
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In der letzten Sonntagszeitung erschien ein Artikel unter dem Titel «Die Wörter ‹Frauen› und ‹Mütter› sollen abgeschafft werden». Später wurde er online leicht abgeändert auf «Die Wörter ‹Frau› und ‹Mutter› werden ausgemustert». Die Botschaft im Text: Trans-Communities machen Druck, damit Frauen nur noch als «Menstruierende Personen» oder «Menschen mit Vagina» bezeichnet werden.

Das würde Frauen entmenschlichen und viele ausschliessen. Etwa Frauen, die keine Periode haben. In der Tat klingt das ohne Hintergrundwissen tatsächlich heftig und so ist aus den fast 400 Kommentaren unter dem Artikel vor allem Empörung zu lesen. Das Problem: Die Behauptung stimmt nicht. Schauen wir uns das gemeinsam etwas genauer an.

Wer fordert was?

Tatsächlich wünschen sich viele trans und inter Personen eine inklusivere Sprache, besonders wenn es um medizinische Themen geht. Nicht nur Frauen können eine Gebärmutter haben und schwanger werden, sondern auch trans Männer und nicht binäre Menschen. Es gibt cis inter Frauen, die können Hodenkrebs bekommen und fast jede zweite Frau hat Prostatagewebe, das vereinzelt zu Prostatakrebs führen kann. So weit, so Fakt.

In Arbeitsreglementen zu Schwangerschaften, in Aufklärungsbroschüren über Prostatakrebs oder in der Werbung für Menstruationsprodukte werden die genannten Personen ausgeschlossen, wenn darin nur von Frauen respektive Männern die Rede ist. Es können auch rechtliche Unklarheiten entstehen: Gilt das Reglement über schwangere Frauen auch für schwangere Männer oder nicht?

Die pragmatische Lösung: Man adressiert genau die Leute, die betroffen sind – indem man nicht auf ein Geschlecht abstützt, sondern auf den medizinischen Fakt, der sie betroffen macht. Das Reglement richtet sich an «Schwangere», die Broschüre an «Menschen mit Prostata», die Werbung zum Beispiel an «Personen während ihrer Periode».

Welche Wörter werden nun abgeschafft?

Keine. Die genannten Formulierungen sollen nur in spezifischen Kontexten zum Einsatz kommen und die Wörter «Frau» beziehungsweise «Mann» nicht darüber hinaus ersetzen. Niemand fordert, «Frau» oder «Mutter» abzuschaffen. Behauptet wurde genau das in Medienberichten hingegen schon oft – zum Beispiel über die britische Organisation Stonewall, die sich für die Rechte von LGBTQ+ Personen einsetzt. Stonewall distanziert sich auf der eigenen Website aber klar davon, «Frauen» und «Mütter» abschaffen zu wollen.

Wer wird entmenschlicht?

Das ist eine etwas subjektivere Frage. Wichtig zu verstehen ist: Eine Gruppe von Frauen kann problemlos als «Frauen» bezeichnet werden – daran wird sich niemand stören. Man kann gleichzeitig Frau und schwangere Person sein. Niemandem wird etwas weggenommen.

Ich persönlich fühle mich nicht entmenschlicht, wenn sich eine Broschüre zur Prostatavorsorge an Menschen mit Prostata richtet. Schliesslich bin ich ein Mensch mit Prostata – und gleichzeitig ein Mann. In meinem Pass steht weiterhin «M» und nicht «MmP».

Wer wird denn nun ausgeschlossen?

Wer von «menstruierenden Menschen» rede, schliesse Frauen ohne Gebärmutter und Frauen nach der Menopause aus – so der Artikel in der Sonntagszeitung. Auch diese Behauptung basiert auf der irrtümlichen Annahme, alle Frauen sollen künftig als «menstruierende Menschen» bezeichnet werden.

Ein absurder Gedankengang, wenn man ihn weiterdenkt: Wäre das tatsächlich die Forderung von Trans-Organisationen, würden sich trans Frauen selber aus der Gruppe der Frauen ausschliessen.

Also noch mal …

Ja noch mal, weil oft falsch verstanden: Niemand will die Begriffe «Frauen» und «Mütter» abschaffen. Es gibt für sie weiterhin viele sinnvolle Anwendungsfälle.

In gewissen Kontexten ist es aber sinnvoller, genau die anzusprechen, die von einem Thema betroffen sind. Davon wird niemand entwürdigt oder ausgeschlossen. Im Gegenteil: Menschen, die bisher oft entwürdigt und ausgeschlossen wurden, fühlen sich mit einer bedachten Wortwahl ernst genommen und akzeptiert.

Natürlich kann man die vorgeschlagenen Begriffe sperrig finden. Man kann die Meinung vertreten, es sei unnötig, Minderheiten sprachlich zu berücksichtigen.

Den Anliegen zuzuhören, ist eine Frage des Anstands.

Genauso dürfen aber auch trans und inter Personen eine Meinung haben und sie vertreten. Auch wenn es immer wieder behauptet wird: Trans-Organisationen haben nicht die Macht, Sprache einfach durchzusetzen. Wie wir welche Personen in welcher Situation nennen, entscheidet die Sprachentwicklung. Basis dafür ist auch der öffentliche Diskurs. Alle dürfen sich äussern, aber bitte fair, informiert und nicht mit polemischen Falschbehauptungen.

Trans und inter Menschen existieren. Sie sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Nachbarn, Freundinnen und Verwandte mitten in unserer Gesellschaft. Ihre Wünsche sind legitim, denn allen Menschen gebührt Respekt, Berücksichtigung und Repräsentation. Den Anliegen zuzuhören, ist eine Frage des Anstands.

Ob Sie Ihre Wortwahl überdenken, das ist in den allermeisten Fällen Ihnen überlassen. Ich habe diese Frage für mich beantwortet, nach dem Grundsatz: Menschen sind wichtiger, als alte Sprachgewohnheiten.

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