Nahostkonflikt im Roten MeerWar das die eine Eskalation zu viel?
Die Huthi greifen wieder Frachtschiffe an, die USA schlagen erstmals direkt zurück. Ein Konflikt, den manche für beherrschbar gehalten haben, könnte ausser Kontrolle geraten.
Am Dienstag war die Maersk Hangzhou wieder unterwegs. Auf den Karten der öffentlich zugänglichen Websites, auf denen man die Positionen aller Containerschiffe mitverfolgen kann, näherte sich das Schiff der dänischen Grossreederei Maersk dem Eingang zum Suezkanal mit einer Geschwindigkeit von 13 Knoten. Nicht sehr schnell für ein Schiff, von dem man annehmen könnte, dass es sich so zügig wie möglich aus der Gefahrenzone entfernen möchte.
Vier Schnellboote von Huthi-Kämpfern hatten das 353 Meter lange Schiff am Sonntagmorgen angegriffen und unter Beschuss genommen. Die Crew hatte sich erst selbst gewehrt. Als die Terroristen versuchten, das Containerschiff zu entern, rief die Besatzung die Flugzeugträgergruppe USS Eisenhower um Hilfe. Die US-Soldaten versenkten die Boote und töteten zehn Angreifer.
Huthi und Hizbollah werden beide von Teheran finanziert
Es war der erste direkte Angriff der USA auf die Huthi-Rebellen im Jemen in den vergangenen Jahren. Ein Angriff, der eine neue Eskalationsstufe im Nahen Osten bedeuten könnte. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem Gegenschlag auf den Gazastreifen haben die Huthi in regelmässigen Abständen Raketen auf US-Schiffe und israelisches Territorium abgefeuert und Handelsschiffe angegriffen. Der Konflikt galt aber dennoch als irgendwie beherrschbar; US-Präsident Joe Biden hatte kürzlich direkte Angriffe auf die Stellungen der Huthi ausgeschlossen, der Iran hatte versichert, weder im Jemen noch im Libanon eine weitere Eskalation des Konflikts zu wollen.
Das Regime in Teheran ist Hauptfinanzier und Waffenlieferant der Hizbollah, die im Süden des Libanon Hunderttausende Raketen auf Israel gerichtet hat, und auch der Huthi-Rebellen, die den Norden des Bürgerkriegslands Jemen unter ihrer Kontrolle haben. Beide Gruppen gehören zur «Achse des Widerstands» gegen Israel, beide haben sich die Zerstörung des jüdischen Staats auf die Fahne geschrieben.
Dennoch schienen beide Gruppen die Angriffe auf Israel bisher begrenzen zu wollen. So wie Israel und die USA ihre Vergeltungsaktionen gegen Hizbollah und Huthi. Es wirkte wie eine ungeschriebene Regel, eine gewisse Eskalationsstufe nicht zu überschreiten. Wie ein militärischer Tennismatch, der sich immer im Bereich des Unentschiedens bewegt.
Huthi suchen und finden – der Propagandaerfolg
Nur weiss eben keine Seite genau, wo die Grenzen liegen. Jede will auf den Schlag der anderen mit etwas mehr Härte und Entschlossenheit reagieren, schon um die Erwartungen der eigenen Bevölkerung und Unterstützer zu befriedigen. Was letztlich zu genau der Eskalation führen könnte, die eigentlich keiner wollte, oder dies zumindest behauptete.
Die Huthi führen – trotz der Verbindungen zum Iran – auch ein Eigenleben. Für die Rebellen sind der Terror der Hamas und die Angriffe auf die Schiffe im Roten Meer eine gute Gelegenheit, sich der Bevölkerung als wahre Unterstützer der palästinensischen Sache zu präsentieren. Und gleichzeitig die eigene Verhandlungsposition in den Friedensverhandlungen mit der von der UNO anerkannten Regierung Jemens zu stärken, die von Saudiarabien unterstützt wird.
Globaler Warenverkehr ist eingeschränkt
Der Angriff vom Sonntag war aber vielleicht ein Wendepunkt. Die USA und Grossbritannien überlegen sich, die Stützpunkte der Huthi im Jemen direkt zu bombardieren, sollten die Angriffe nicht aufhören. Grossbritannien «wird nicht zögern, weitere Massnahmen zu ergreifen, um Bedrohungen der Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer zu verhindern», sagte Verteidigungsminister Grant Shapps in London.
Die Angriffe im Roten Meer behindern mittlerweile den ganzen globalen Warenverkehr, 12 Prozent aller Schiffe fahren durch den Suezkanal, für sie haben sich die Versicherungsraten verfünffacht. Viele Reedereien fahren den Kanal gar nicht mehr an und weichen auf die Route um das Kap der Guten Hoffnung aus. Das allerdings dauert etwa zwei Wochen länger und kann für grosse Schiffe Treibstoff-Mehrkosten von bis zu einer Million US-Dollar zur Folge haben.
Die Macht der «Achse des Widerstands»
Für das finanziell klamme Ägypten bedeuten die Angriffe wichtige Einnahmeverluste am Suezkanal, Devisen, die es dringend bräuchte. Dennoch kommt aus Kairo bislang kein Wort der Kritik. Die «Achse des Widerstands» hat es zumindest geschafft, dass sie über den weiteren Verlauf des Konflikts entscheidet, nicht Länder wie Saudiarabien, die sich vor dem Terror der Hamas Israel angenähert hatten, was für manche ein Verrat an den Palästinensern war.
Daher hat sich von den arabischen Staaten bisher nur Bahrain der von den USA geführten Operation Prosperity Guardian angeschlossen, einer multinationalen Truppe zum Schutz der Seewege vor dem Jemen. Länder wie Norwegen und Dänemark stellen Soldaten, nur Grossbritannien hat sich bisher mit Schiffen angeschlossen.
Dorthin entsendet der Iran nun auch den Zerstörer Alborz ins Rote Meer, die Regierung in Teheran lobte gleichzeitig die «mutigen Aktionen» der Huthi im Jemen. Deren Sprecher sagte, sie hätten «ihre religiöse, moralische und humanitäre Pflicht zur Unterstützung und Hilfe für diejenigen zu erfüllen, denen in Palästina und Gaza Unrecht widerfahren ist».
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