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Bundesrats-Nachfolge
Jon Pult steigt ins Rennen ein – so stehen seine Chancen

Jon Pult, Nationalrat SP-GR, gibt waehrend einer Medienkonferenz seine Kandidatur fuer den Bundesrat bekannt, am Montag, 2. Oktober, 2023 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult will Bundesrat werden. Seine Absicht, zu kandidieren, gab er am Montag an einer Medienkonferenz der SP Graubünden in Bern bekannt.

Pult ist der vierte SP-Kandidat nach Daniel Jositsch, Matthias Aebischer und Beat Jans. Würde Pult gewählt, wäre Graubünden acht Jahre nach dem Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf erneut in der Landesregierung vertreten. Seit 1848 wäre Pult das fünfte Regierungsmitglied aus dem Kanton Graubünden.

Er möchte als Bundesrat den Zusammenhalt der Schweiz stärken. Als grösste Herausforderungen nannte er am Montag bei der Verkündigung seiner Kandidatur die Reform des Gesundheitswesens sowie die Klima- und die Europapolitik.

Damit das Land in seiner Vielfalt funktioniere, brauche es den Zusammenhalt, sagte Pult im Bundeshaus in Bern. In seinem Statement sprach er in allen vier Landessprachen. Es gehe um die Kohäsion zwischen den Sprachregionen, aber auch zwischen Stadt und Land, zwischen unterschiedlichen Lebensrealitäten.

Seine Zeit als Student und später als Kommunikationsberater in Zürich habe ihn ebenso geprägt wie der Kulturraum der Alpen, hob der 38-Jährige hervor. Heute lebe er mit seiner Frau «zwischen Chur und Bern».

Das Gesundheitswesen möchte Pult nach eigener Aussage «mehr auf die Gesundheit und weniger auf das Geschäft ausrichten». Dazu müsse man sowohl bei den Kosten als auch bei einer gerechteren Finanzierung ansetzen. Zur Erreichung der Klimaziele brauche es eine Politik der ausgestreckten Hand und nicht des erhobenen Zeigefingers.

Pult will Doppelbürger bleiben

Pult will als Bundesrat seinen italienischen Pass behalten, den er neben dem schweizerischen hat. «Ich bleibe Doppelbürger und würde mich als Bundesrat zu 100 Prozent für die Schweiz engagieren,» sagte er in Bern vor den Medien.

Er fühle sich bereit, sagte Pult auf die Frage, ob es nicht zu früh sei, nach erst vier Jahren im Nationalrat für einen Sitz im Bundesrat zu kandidieren. Die Frage nannte er legitim, doch: «Wäre es ein Wunsch, einen Vertreter der Jüngeren im Bundesrat zu haben, kann man nicht die gleichen Erwartungen an die Erfahrungen haben.»

Sich selbst bezeichnet Pult als dreisprachigen Bündner. «Ich habe mit meiner Mutter immer Italienisch und mit meinem Vater Romanisch gesprochen», sagte er. Im Kindergarten und in der Schule habe er dann praktisch nur Deutsch gesprochen. «Deutsch ist heute meine Hauptarbeitssprache, aber ich träume dreisprachig».

Der Buendner Nationalrat Jon Pult (SP) posiert fuer ein Portrait, aufgenommen am Montag, 21. August 2023, im Fontanapark in Chur. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Vergleich mit Berset

Pult wird in Kürze 39. So alt war Alain Berset, als er zum Bundesrat gewählt wurde. Er ist Strategie- und Kommunikationsberater. Das war auch Bersets Job, bevor er in die Regierung kam. Und er ist ein gewiefter Rhetoriker – noch eine Parallele zum amtierenden SP-Bundesrat. Damit enden die wichtigsten Gemeinsamkeiten. Ein grosser Unterschied: Berset hatte bei seiner Wahl deutlich mehr Erfahrung in Bundesbern als Pult. Er war zuvor acht Jahre im Ständerat gesessen, hatte diesen auch präsidiert. Pult wurde erst vor vier Jahren in den Nationalrat gewählt, wie Berset versuchte er den Sprung direkt in den Ständerat, der ihm aber misslang. 

Prononciert links – und doch kein No-go für die Bürgerlichen

Auf dem Papier sprechen neben seiner geringen Erfahrung in Bundesbern diverse weitere Punkte gegen Pult: Der Bündner ist ein Vertreter der ländlichen Schweiz, die im Bundesrat derzeit übervertreten ist. Zudem hat Pult weder die Exekutiverfahrung des Baslers Beat Jans, noch politisiert er so nah an den Bürgerlichen wie der Zürcher Daniel Jositsch. Ersteres könnte für das Amt und Zweiteres für die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung ein Nachteil sein.

Trotzdem hat Jon Pult keine schlechten Chancen, Bundesrat zu werden.

Das hat mit seinem Politstil zu tun, mit seinem Kommunikationstalent und mit seinen Konkurrenten. 

Ein strikter Schutz der Alpen, mehr Staatsgelder für die Medien und Kaufkraft, Kaufkraft, Kaufkraft: Pult macht prononciert linke Politik. Dennoch wäre er für viele Bürgerliche grundsätzlich wählbar. Er ist stammtischtauglich und ein geschickter Rhetoriker. Ist Pult in der «Arena», verdrehen Bürgerliche nicht nach drei Sätzen demonstrativ die Augen. Sie hören zu. Pult pocht auch so oft auf die Bedeutung von überparteilicher Zusammenarbeit und Kompromissen, wie man es sonst nur von Mitte-Politikern hört. 

Pult wettert zwar über Pestizide, ist dabei aber versöhnlicher unterwegs als Beat Jans, der bislang als Favorit gilt. Im Gegensatz zu Daniel Jositsch sass er auch nicht im Komitee der Massentierhaltungsinitiative und machte die Landwirtschafts-Schweiz im Abstimmungskampf nicht wütend. Dass die Bauern im Parlament viel Macht haben, ist nicht nur ein Bundesberner Mythos. Die Wahl der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider – gegen den Widerstand der Städte – hat es gezeigt.

Seine politische Laufbahn hat Pult früh gestartet, bei den Jungsozialisten – ohne dass man ihm den Juso-Groove so lange nachgesagt hätte wie beispielsweise Cédric Wermuth. Letzterer ist etwa im gleichen Alter wie Pult. Als Wermuth Juso-Präsident wurde, übernahm Pult mit 24 Jahren das SP-Präsidium im Kanton Graubünden. Er blieb rund sieben Jahre Präsident. Sein erster Anlauf, nach Bern zu kommen, scheiterte. Der zweite gelang – und wenig später kam Pult auch schon ins Vizepräsidium der SP Schweiz. Im Parlament ist er Präsident der Verkehrskommission, auch dies ist in der ersten Amtszeit eher unüblich. 

Pult ist jung, und in seiner Partei gibt es Rufe nach einer Verjüngung des Bundesrats. Auch das könnte ihm helfen. Muss es aber nicht. Nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga rief die SP auch nach einer jungen Mutter im Bundesrat. Und setzte Evi Allemann dann doch nicht aufs Ticket.

Das Ticket, es ist die erste Hürde, die für Pult kleiner sein dürfte als etwa für Jositsch. Pult ist bei Parteikolleginnen und -kollegen beliebt. Auch gegen Aebischer könnte er sich vermutlich durchsetzen. Und mit Beat Jans auf einem Ticket landen. 

Was machen die Grünen? Und was die Frauen?

Noch bleiben aber wichtige Fragen offen: Werden die Grünen den SP-Sitz angreifen? Und muss die SP plötzlich einen vergleichsweise bürgerlichen Kandidaten präsentieren, um ihren Sitz zu retten, weil die Grünen eine eingemittete Kandidatur präsentieren – etwa von Franziska Ryser oder Mathias Zopfi? Und: Welche Kandidierenden kommen bei der SP noch hinzu? Gewinnen die Sozialdemokraten bei den Wahlen, womit der Weg frei wäre für eine Kandidatur von Wermuth? Welche Frau tritt an (denn dass eine antreten wird, gilt als so gut wie sicher)? Startet Evi Allemann wirklich einen zweiten Anlauf? Falls ja, stellt sich auch die Frage, ob die SP wie vor einem Jahr zwei Kandidierende zur Wahl vorschlägt – oder sogar drei. Doch je grösser das Ticket, desto kleiner die Kontrolle der Partei. 

Nach der ersten Hürde, dem SP-Ticket, kommt dann die alles entscheidende: die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung. 

Die NZZ schrieb 2014 (im gleichen Text, in dem auch die Spekulationen über einen künftigen Bundesrat Pult vorkamen, aber nicht direkt darauf bezogen): «Egal ob Städter oder Bauer, Grüner, Liberaler oder Konservativer: Zu Sozialdemokraten werden die wenigsten, doch Pult ihre Stimme geben wollen viele.»

Keine schlechte Ausgangslage für eine Bundesratswahl.