Studie zu städtischen VerwaltungenZürichs Bevölkerung wächst – die Verwaltung allerdings noch schneller
In Zürich kommen auf 1000 Einwohnende 28,2 Verwaltungsangestellte. Das ist mehr als in früheren Jahren. Hat die Stadt ein Effizienzproblem? Ja, findet die Denkfabrik Avenir Suisse.
- Die Stadtverwaltung Zürich ist seit 2011 um 21 Prozent gewachsen – und damit schneller als die Bevölkerung.
- Die Denkfabrik Avenir Suisse hält diesen Trend für problematisch, er deute auf Ineffizienzen in der Verwaltung hin.
- Der Stadtrat entgegnet, das Stellenwachstum sei grösstenteils durch den wachsenden Schulbereich begründet.
Für die SVP ist der Fall klar: Zürich braucht eine «Musk-Behörde». Vorbild ist die unter Donald Trump neu geschaffene Abteilung für Regierungseffizienz, mit der Elon Musk die US-Regierungsbehörden stark verschlanken will.
Nur: Ist die Stadtzürcher Verwaltung aufgebläht? Die Debatte ist jüngst im Stadtzürcher Parlament aufgeflammt – und erhält nun neue Nahrung: Die wirtschaftsfreundliche Denkfabrik Avenir Suisse hat die Verwaltungen der zehn grössten Schweizer Städte untersucht, basierend auf Daten des Bundesamts für Statistik.
Der Befund: Die Zahl der Mitarbeitenden in diesen Städten ist zwischen 2011 und 2022 um 13,3 Prozent gewachsen, die Bevölkerung um 9,7 Prozent. «Die Verwaltung wächst damit überproportional», sagt Lukas Rühli, Co-Autor der Studie.
Auf der Lohnliste dieser Städte standen im Jahr 2022 23,3 Angestellte pro 1000 Einwohnende, umgerechnet in Vollzeitpensen. In Zürich waren es mit 28,2 Angestellten deutlich mehr. Bei einem Städtevergleich über die Kantonsgrenzen hinweg ist jedoch Vorsicht geboten, weil nicht alle Kantone ihren Gemeinden gleich viele Aufgaben überlassen. Aussagekräftiger ist für Avenir Suisse daher die Entwicklung der Vollzeitstellen in den jeweiligen Städten.
Hier gehört Zürich ebenfalls zu den Spitzenreitern. Während die Stadtzürcher Verwaltung zwischen 2011 und 2022 um 21 Prozent zulegte, steht bei der Bevölkerung ein Plus von 14 Prozent. Entsprechend stieg auch die Quote: von 26,5 Angestellten pro 1000 Einwohnende auf 28,2. Damit zählte die Stadtzürcher Verwaltung im Jahr 2022 knapp 12’500 Angestellte; auch hier wieder hochgerechnet auf Vollzeitpensen.
Berücksichtigt hat Avenir Suisse bei der Erhebung nur die Angestellten der Kernverwaltung inklusive Lehrpersonal; Bereiche wie das Stadtspital, das EWZ und die VBZ sind ausgeklammert.
Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in Biel, Lugano, Bern und Basel. In anderen Städten nahm die Zahl der Verwaltungsangestellten seit 2011 ebenfalls zu, etwa in Winterthur, Luzern oder Genf. Allerdings wuchs die Bevölkerung dort schneller, sodass es 2022 weniger Verwaltungsangestellte auf 1000 Einwohner gab, wie die Zahlen von Avenir Suisse zeigen.
Dass kommunale Verwaltungen mit der Bevölkerung grösser werden, ist für Avenir Suisse nicht überraschend: Bei mehr Menschen braucht es mehr Angestellte. «Problematisch ist jedoch, wenn die Verwaltungen überproportional stark wachsen», sagt Rühli. Ein solches Wachstum könne ein Hinweis darauf sein, dass die Verwaltung ihre Arbeit mit mangelnder Effizienz erledige.
In jeder Organisation, so Rühli, komme es im Lauf der Zeit zu Doppelspurigkeiten und Leerläufen. «Während private Unternehmen ohne die nötigen Anpassungen bald aus dem Markt ausscheiden, untersteht der Staat keinem Handlungszwang.» Umso weniger, wenn wie in der Stadt Zürich die Steuereinnahmen stetig steigen würden.
Doppelspurigkeiten in der Stadtverwaltung
Braucht die Stadtverwaltung also eine Effizienzkur? Vor zwei Jahren hatte diese Redaktion publik gemacht, dass vom Stadtrat beauftragte externe Berater Doppelspurigkeiten ausgemacht und zur Reorganisation geraten hatten. Just in Schlüsselthemen wie Wohnen, Mobilität, Klima oder Energie gebe es «viele Nahtstellen mit Koordinationsbedarf» und in der Folge «Unklarheiten, Duplikationen und Ineffizienzen».
Doch der Stadtrat zeigt bis heute wenig Lust, der Empfehlung nachzukommen. Stadtpräsidentin Corine Mauch hatte zuletzt im Januar gemahnt, eine Grossreform wäre mit viel Aufwand und hohen Kosten verbunden. Zudem sei nicht garantiert, ob danach die Leistungen für die Bevölkerung wirklich besser würden.
Das Finanzdepartement von Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) sieht insbesondere einen Haupttreiber für das Stellenwachstum der Stadt Zürich: den Schulbereich – eine Folge der eingeführten flächendeckenden Tagesschulen sowie der stark gestiegenen Schülerzahl. Zusätzlich hat das Parlament im Rahmen der Budgetdebatten eigenständig entschieden, weitere Stellenprozente zu bewilligen. Leupis Sprecherin Claudia Naegeli sagt: «Davon abgesehen beobachten wir, dass sich der Verwaltungsbereich in den letzten Jahren moderat und im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum entwickelt hat.»
SP verteidigt Wachstum, FDP kontert
Auch Mauchs Partei, die Stadtzürcher SP, verwahrt sich gegen die Kritik von Avenir Suisse. «Das Stellenwachstum findet primär in der Schule statt», sagt Präsident Oliver Heimgartner. Heute würden 50 Prozent mehr Kinder unterrichtet als noch 2011, rechnet er vor. Ohne die zusätzlichen Lehrpersonen wären es 35 Kinder pro Klasse statt wie heute 23. «Das wollen wir nicht.» Alle Kinder in Zürich benötigten eine gute Ausbildung und Betreuung, und dafür brauche es genug Personal.
Bürgerliche Politiker bestreiten nicht, dass es mehr Lehrpersonal braucht. Problematisch sei aber die wachsende Zahl von Kräften, die in den Klassenzimmern unterstützend wirkten, etwa Schulassistenten und Heilpädagoginnen, sagt FDP-Präsident Përparim Avdili. «Das ist nicht notwendig.»
Über den Studienbefund von Avenir Suisse zeigt sich Avdili nicht überrascht. Dass die Verwaltung überproportional wachse, sei kein Zufall, sondern politisch gewollt. Die linke Mehrheit wolle die Bürgerinnen und Bürger immer mehr bevormunden. «Sie führt immer neue Leistungen ein, die den Verwaltungsapparat aufblähen.»
Grosse Städte sind die Ausnahmen
So sehr die Parteien nun streiten, sicher ist: Die zehn grössten Städte der Schweiz haben im Vergleich zu ihrer Bevölkerung deutlich grössere Verwaltungen als die restlichen mehr als 2000 Gemeinden in der Schweiz. Diese kommen mit wesentlich schlankeren Verwaltungen klar; die Quote lag 2022 bei 9,9 Angestellten pro Einwohner und damit weniger als halb so hoch wie bei den zehn grössten Städten.
Das hat laut Avenir Suisse mit den Zentrumsleistungen zu tun, die grosse Städte erbringen müssen – und von denen kleinere Gemeinden im Umland profitieren. Eine Rolle spiele aber auch, dass die grossen Städte deutlich linker als das restliche Land ticken würden. Das erhöhe die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen und damit auch den Personalbedarf.
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