Pop-BriefingMusik, die unsere Seele durchschüttelt
In unserer Pop-Kolumne gibts Neues von Patent Ochsner bis Einstürzende Neubauten. Und von der neuen Hoffnung des britischen Pop: Lola Young.
Bevor wir uns dem Schwall wunderbarer neuer Musik zuwenden, lasset uns noch einmal kurz auf die fulminante Eröffnungsshow der Olympischen Spiele zurückkommen (die Schlussfeier blieb ja bis auf das Intro der neuen Pop-Meisterin Zaho de Sagazan etwas fade, auch weil SRF-Hofmänner es verpasste, sein Stadionmikrofon auszuknipsen, was dann klang, als fände der Anlass im akustischen Umfeld einer Tiefgarage statt).
Ganz anders die Eröffnungszeremonie: Was war das doch für ein prächtiges Cross-over der Milieus, ein erfreulich kitschfreies, auch mal amüsantes Hochhalten von so ziemlich allem, was Kultur, Kunst und Musik zum Bindemittel unseres Miteinanders macht (herrlich: Tunichtgut-Chansonnier Philippe Katerine als blauer Dionysos).
Und wer wohl hat sich über all dies so furchtbar aufgeregt? Jene Kräfte, die gerade emsig darum bemüht sind, die Gesellschaft zu spalten: «Lächerlich», meinte der Kreml, «moralischer Verfall», schimpfte Orban, «satanisch», befand Trump. AfD, Rassemblement National, alle waren sie tadelnd zur Stelle. Und ganz vorn mit dabei: das ehemalige Satiremagazin «Nebelspalter», das befand, die Veranstaltenden befänden sich «in der Tradition eines Adolf Hitler», weil der «Nebelspalter»-Chefredaktor den Appell für Toleranz dummerweise mit «politischem Aktivismus» verwechselt hat. Das Schlimme daran: Es war nicht als Witz gemeint. Egal. Kommen wir zur Musik:
Das sollte man hören
Wolfgang Valbrun: «Baptist»
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Es gibt sie noch, die Lieder, die einem gleichzeitig die Seele durchschütteln und die Tränenkanäle anreizen. Einen davon hat gerade der in Paris lebende New Yorker Wolfgang Valbrun in die Welt gesetzt: Auf «Baptist» gibts Gospel-Ekstase mit Heilsarmee-Bläsern, es gibt Westerngitarren zu souliger Entrückung. Das Lied findet sich auf dem ersten Album des einstigen Sängers der Vintage-Soul-Combo Ephemerals. Ein Mann, der sagt: «Für mich ist meine Stimme alles. Es ist mein Weg, meinem Leben Bedeutung zu geben.» Man hört es seinem Album an.
Lola Young: «Conceited»
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Dass die 23-jährige Britin Lola Young eine Grosse wird, dafür gibt es schon jetzt einige unumstössliche Indizien. Sie hat zwei Manager an ihrer Seite: Der eine nahm einst Adele unter Vertrag, der andere betreute Amy Winehouse. Doch das beste Argument für Gedeih und Erfolg ist die Musik der jungen Engländerin. Die Stimme klingt, als wäre sie im Soul geschult und im Punk aufgeraut worden. Man kann zu ihr Pogo tanzen und chillen – und zwar in ein und demselben Song. Da wächst was ganz Besonderes heran.
The Allergies: «Koliko»
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Es ist ja nun doch noch was geworden mit dem Sommer 2024. Der plausibelste Hit für die sonnige Epoche stammt von The Allergies aus Bristol. Das Hip-Hop-Duo hat eine Meisterschaft darin entwickelt, bestens gelaunte Tracks auf die Tanzböden der Welt zu schleudern, ohne dabei dumm und trivial zu werden. Für den Song «Koliko» haben sie sich mit der afrikanisch-britischen Highlife-Band K.O.G. zusammengetan. Entstanden ist der überschwänglichste Sommerhit des laufenden Jahres.
Kira McSpice: «To Lead Me Home»
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Auf der komplett anderen Seite der Fröhlichkeitsskala bewegt sich die New Yorker Sängerin Kira McSpice. Sie definiert sich als Gothic-Folk-Singer-Songwriterin und versucht auf ihrem neuesten Album eine erlittene Vergewaltigung zu verarbeiten. Resultat: das wohl irritierendste und erschütterndste Tonwerk der Saison. Zum Einsatz kommen Glasharfen, Waldhörner, singende Sägen, Cellos, Synthesizer, Posaunen und massiv verzerrte Gitarren. Und darüber legt Kira McSpice ihren sirenenhaften Gesang. Das Album solle daran erinnern, dass selbst in den dunkelsten Momenten die Schönheit darauf wartet, enthüllt zu werden, sagt die Sängerin, die zuweilen klingt wie Diamanda Galas in ihren dunkelsten Stunden.
J. Bernardt: «Don’t Get Me Wrong»
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Regelmässige Gäste dieser Kolumne wissen um unsere Sympathien zur belgischen Pop-Noir-Combo Balthazar und den neckischen Nebenprojekten Warhaus und J. Bernardt. Letzterer hat gerade ein neues Album veröffentlicht, das in Sachen Hit-Dichte nicht ganz an die restlichen Kollateral-Veröffentlichungen aus dem Hause Balthazar heranreicht. Und trotzdem: Der Song «Don’t Get Me Wrong» ist in Sachen poppiger Nonchalance kaum zu überbieten. Abgedunkelter Grossstadt-Blues in schlurfiger und glorifizierungswürdiger Pracht.
Blk Odyssy: «Gemini»
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Ein Schlüsselmoment im Leben des Musikers Sam Houston war, als sein Bruder in New Jersey von Polizisten getötet wurde. Es sei der Antrieb für alles, was er tue, sagt er. Doch die Musik, die er als Blk Odyssy veröffentlicht, ist nicht etwa zornig und rau, sie ist das Gegenteil davon: Es ist zeitgemässer Pop voller Seele, eingängig und melancholisch, ohne dass sie sich im Schatten abspielen würde. «Ich möchte etwas schaffen, das für mein Volk kulturell bedeutsam ist, das in einem grösseren Rahmen wirkt und Lösungen bietet, wie wir das Leiden beenden können.» Mit dem Song «Gemini» ist ihm schon mal der aparteste und ohrwurmigste Liebessongs des bisherigen Jahres gelungen.
Brigitte Calls Me Baby: «Eddie My Love»
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Die Indie-Szene hat endlich wieder eine neue Suchtsubstanz. Sie klingt wie eine Kreuzung aus Elvis Presley und Morrissey, was schon mal eine ganz hübsche Referenz ist. Und der Bandname Brigitte Calls Me Baby kommt daher, dass Sänger Wes Leavins als Kind in Briefkontakt mit Brigitte Bardot stand und diese Parole damals auf ein T-Shirt pinselte. Jetzt pinselt er uns Songs ins Wohlfühlzentrum, die mal den Geist des New-Romantics-Pop der Achtzigerjahre in sich tragen und mal klingen wie Oldies für die Ewigkeit.
Bibi Club: «Shloshlo»
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Wer eine Schwäche für frankofonen Charme-Pop im Verbund mit leicht verstaubtem New Wave hat, wird an Bibi Club seine Freude haben. Das Duo aus Montreal beschreibt seine Musik als Wohnzimmer-Partymusik, es mag Metallica und Free Jazz – kein Wunder also, dass da auf ihrem Debütalbum etwas ganz und gar Originäres entstanden ist.
Yannis & The Yaw feat. Tony Allen: «Under the Strikes»
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Der 2020 verstorbene nigerianische Schlagzeuger und Afrobeat-Miterfinder Tony Allen hatte sich vorgenommen, seine Groove-Innovation in möglichst vielen Bereichen der Populärmusik zur Entfaltung zu bringen. So auch im Britpop. Mit Blur-Sänger Damon Albarn gründete er einst gar eine eigene Band. Kurz vor seinem Tod hat er Selbiges mit dem Foals-Sänger Yannis Philippakis getan. Sie heisst Yannis & The Yaw, und die bisher erschienenen Vorabsingles klingen wie eine rauschende Party in einer nigerianischen Hippie-Kommune in London.
Einstürzende Neubauten: «Wie lange noch?»
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Auch die Einstürzenden Neubauten haben ein sehr begrüssenswertes neues Album veröffentlicht, auf dem sie zu ihrem fast schon ikonischen Ur-Sound zurückgefunden haben. Wie will man den beschreiben? Viel Metallperkussion, viel theatralische Atmosphäre, viel kunstaffine Destruktion, viel Geräusch, viel Gänsehaut. Und Frontmann Blixa Bargeld singt und spricht wie ein Dada-Poet auf dem Trümmerhaufen der Punks.
JT: «Dod»
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In ihren 32 Jahren hat Rapperin JT schon so einiges ins Kerbholz des Daseins geritzt: Kollaborationen mit Cardi B. oder Nicki Minaj und zwei Jahre Gefängnis wegen Kreditkartenbetrugs. Nun stellt die Frau aus Miami ihr erstes Mixtape-Album vor, auf welchem sie alten Helden wie Timbaland huldigt und dabei einen Originalitätsreichtum an den Tag legt, der schier an jenen einer Missy Elliott heranreicht.
Für Sie angehört, damit Sie nicht müssen
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Es gibt so einiges über das letzte veröffentlichte Lied von Patent Ochsner zu berichten. Es heisst «Sensemaa», ist vom Schlag Berndeutsch-Rock-’n’-Roll 1.0, und die Zeile «Figg di, Sensemaa / Läng nid mini Liebschte a / Chasch drfür dr Trump oder dr Putin ha» hat einen helvetischen Journalisten angestachelt, zu fragen, ob Kunst so was dürfe und warum sich darüber niemand aufrege. Dies wiederum hat Sänger Büne Huber derart aufgeregt, dass er auf Instagram eine dezidierte Replik verfasst hat, in der er erklärt, diesen Text geschrieben zu haben, während er einen Musikerkollegen in den Tod begleitet habe, und beendet den Post mit einem raubauzigen: Frtami! Zwei Dinge: Trump, Putin und der Sensenmann dürften den verbalen Angriff aus Bern gerade so verkraften. Und Patent Ochsner im Randaliermodus klingt irgendwie wie Gölä, wenn er hässig ist.
Das Schweiz-Fenster
Hilke: «Silent Violent»
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Es ist vielleicht die spektakulärste neue Stimme der Schweizer Musikszene: Hilke klingt wie die traurige Halbschwester von Jay-Jay Johanson und Anohni. Ein Vergleich, der in vielerlei Hinsicht nicht abwegig ist. Es ist eine Stimme, die von Verletzlichkeit erzählt, vom Hinterfragen der eigenen Geschlechtsidentität, eine Stimme, die gleichzeitig irritiert und betört. Hilke hat die Liebe vom belgischen Gent ins helvetische Baden getrieben. In ihrer ersten Heimat war sie Mitglied der Dream-Pop-Band Amatorski, die beim hoch dotierten Label Crammed Disc unter Vertrag stand. Auf ihrem neuesten Werk stellt sie ihre Stimme nun in den Dienst himmeltraurig schöner Pianoballaden, die klingen, als wären sie zum Gustieren in schattigen Schluchten geschrieben worden.
Birdmask: «Dial Up»
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Eigentlich ist der Basler Sänger Manuel Gagneux mit seinem Gospel-Metal-Projekt Zeal&Ardor gerade gebührend ausgelastet. Doch es wird immer offensichtlicher, dass er im Grunde eben doch lieber der Soulsänger wäre, der er vor seinem musikalischen Experiment gewesen ist. Nun hat er mit seinem Soloprojekt Birdmask ein richtig starkes Zeichen gesetzt: elektronischer Soul mit viel Schmerz und ein bisschen Wut im Bauch.
Faber: «Odiarsi un po’»
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Unser helvetisches Gefühlskraftwerk Faber hat ein neues Album veröffentlicht, auf dem er mal klingt wie ein mondsüchtiger Kneipen-Poet, mal wie ein ins Grübeln geratener italienischer Schwerenöter. Und zwischendurch klingt das Ganze wie ein Musical, das in einem sehr heruntergekommenen Berliner Distrikt spielt. Ganz gross.
Die Playlist
Die Spotify-Playlist zur Kolumne ist mit über hundert nigelnagelneuen Songs aus aller Welt ergänzt worden. Das Spektrum reicht von Bossa nova bis Traumpop, von Abenteuer-Jazz bis Post-Punk.
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