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Auswertung der Hitparade
Warum es in den Charts fast keine Bands mehr gibt

Sie schafften den bisher letzten Nummer-eins-Hit einer Band in den USA: Glass Animals.
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Die Kurve geht unerbittlich nach unten. In den 1990er-Jahren kamen noch über die Hälfte der Lieder in die Top 100 der US-Charts von Bands, heute sind es noch 8 Prozent. Das zeigt eine Auswertung des Magazins «Billboard».

Das Verschwinden der Gruppen spitzt sich weiter zu: Im Jahr 2024 hat es in den USA bisher kein Lied einer Band in die Top 10 geschafft, stattdessen führen einzelne Künstlerinnen und Künstler die Ranglisten an. Und es ist schon zwei Jahre her, seit 2022 zum bisher letzten Mal eine Gruppe Platz 1 der US-Single-Charts erreicht hat, und zwar die britischen Indierocker Glass Animals mit «Heat Waves».

In der Schweizer Hitparade sind Bands ebenfalls rar geworden. One Republic schaffen es dank einem Feature mit David Guetta auf einen Platz in den Top 20. Coldplay dümpeln mit der jüngsten Single auf Rang 84 herum.

Erklärungsansätze gibt es mehrere. Grund eins: Die breite Masse hört andere Musik als früher. Gerade Rockmusik hat einen Beliebtheitsabsturz erlebt.

In den 1970ern und 1980ern gehörte Rock zum musikalischen Mainstream, entsprechend populär waren Bandformationen wie Led Zeppelin, AC/DC, Bon Jovi. In den 1990ern entpuppten sich dann Boy- und Girlbands als geschickter Marketingzug und sorgten im Popgeschäft für neue kommerzielle Höhenflüge. Ab den 2000ern sorgte der Erfolg von Hip-Hop für einen deutlichen Umschwung Richtung Solo-Stars, der bis heute anhält.

American boyband The Backstreet Boys, circa 1995. They are Brian Littrell, Nick Carter, A. J. McLean, Howie Dorough and Kevin Richardson  (Photo by Tim Roney/Getty Images)

Noch tiefgreifender hat die Technologie das Musikgeschäft verändert. Früher war es notwendig, mit anderen zusammenzuspielen, um ein Lied richtig erklingen zu lassen. Man brauchte Bandkollegen, die die Instrumente beherrschten. Heute ermöglichen es digitale Musikprogramme, allein komplette Lieder zu schaffen. Wegweisend war hier Garageband, ein Programm, das Apple seit 2004 auf jedem Mac mitausliefert. Beats und allerlei Instrumente: Der Computer kanns – und macht das Spielen im Bandraum überflüssig.

Dabei entfallen auch Absprachen, und es müssen «keine Egos massiert werden», wie «Billboard» schreibt. Allerdings geht ein wertvoller Teil der Schaffensphase verloren, der kreative Austausch mit anderen. Produzentinnen und Produzenten übernehmen heute diese Rolle und werden wichtiger.

Sabrina Carpenter hat zwei der erfolgreichsten Singles dieses Jahres veröffentlicht.
LONDON, ENGLAND - JUNE 27: Charli XCX joins Troye Sivan on stage during the Something to Give Each Other Tour at OVO Arena Wembley on June 27, 2024 in London, England. (Photo by Katja Ogrin/Redferns)

Ein weiterer technologischer Grund des Bandsterbens: Social Media haben den Fokus auf Einzelpersonen verstärkt. Auf Instagram und Tiktok werden die Geschichten von Individuen erzählt, direkt und zugänglich. In der Auswertung von «Billboard» gibt es in der Vertretung von Bands in den Charts einen deutlichen Einbruch nach 2017, es ist die Zeit, in der Tiktok zum hitbestimmenden Medium geworden ist.

Måneskin-Mitglieder sind auch einzeln Stars

Social Media sind zu den Hauptkanälen für die Vermarktung im Musikgeschäft geworden, und die findet über Einzelpersonen statt. Kaum eine Band inszeniert sich auf Social Media nur als Gruppe. Die Mitglieder der ESC-Gewinnerband Måneskin etwa betreiben neben dem Bandaccount auch Einzelprofile mit jeweils Millionen Followern, genauso wie die meisten K-Pop-Stars, die zunächst in Gruppen bekannt werden. Gemäss «Billboard» sind Einzelaccounts auch ein Sicherheitsnetz für Musikschaffende – falls die Gruppe auseinanderfallen sollte.

LANDGRAAF, NETHERLANDS - JUNE 21:  Victoria De Angelis of Maneskin performs during the Pinkpop Festival on June 21, 2024 in Landgraaf, Netherlands.  (Photo by Didier Messens/Getty Images)

Die grossen Labels haben heute weniger Einfluss darauf, welche Musik Erfolg hat. Während sie früher Künstlerinnen und Künstler von Beginn an begleiteten und mit dicken Werbebudgets sowie Kontakten zu Presse und Radios gross machten, entscheiden jetzt Social-Media-Trends und Streaming-Alghorithmen über die Beliebtheit von Liedern. Die Labels springen später auf, die Acts stemmen mehr Aufbauarbeit selber – dabei sind Solokünstlerinnen und -Künstler im Vorteil.

Und natürlich geht es auch ums Geld. Wer solo einen Hit landet, muss mit weniger Menschen teilen. Junge Künstlerinnen und Künstler seien sich viel stärker bewusst, wie das Musikgeschäft läuft, schreibt «Billboard».

Für die Managements sind Bands zum Kostenfaktor geworden, den man gerne umgeht. Es ist viel teurer, eine Gruppe von Menschen zu koordinieren, zu stylen und zu bewegen als jemand Einzelnes. Gerade im Livegeschäft, das seit Corona empfindlich kostspieliger geworden ist und bei dem es Verluste aus den Verkäufen wettzumachen gilt, geht das besonders ins Geld.