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Legendärer Produzent im Interview
«Ich bin froh darum, zu Roger Waters keine Beziehung mehr zu haben»

TORONTO, ON - MAY 22: Canadian music producer Bob Ezrin is pictured at The Royal Conservatory of Music in Toronto, Canada where he will be honored with an award. His work can be found in recordings from artists like Kiss, Pink Floyd, Alice Cooper, Peter Gabriel, Rod Stewart and now Luka Sulic and Stjepan Hauser of 2Cellos.        (Chris So/Toronto Star via Getty Images)
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Aufgrund seiner stilistischen Bandbreite und seines grossen Fachwissens wird er oft mit dem Beatles-Produzenten George Martin verglichen: Robert Alan Ezrin, 1949 als Nachkomme jüdischer Einwanderer aus der Ukraine im kanadischen Toronto geboren, ist einer der berühmtesten Plattenproduzenten der Musikgeschichte. Anfang der 1970er-Jahre machte er sich durch seine enge Zusammenarbeit mit Alice Cooper einen Namen, es folgten erfolgreiche Kollaborationen mit Kiss, Peter Gabriel, Pink Floyd und sogar Monty Python. Interviews gibt er selten – hier spricht er über die Arbeit mit den Grossen des Pop.

Herr Ezrin, Sie können nicht nur mehrere Instrumente spielen, selber Orchesterarrangements schreiben und grosse Klangkörper dirigieren. Sie beherrschen auch die moderne Studiotechnik. Ist es einschüchternd, mit Ihnen ins Studio zu gehen?

Ich bin kein grosser Gitarrist und auch nur ein passabler Pianist. Dafür bin ich ein ziemlich guter Produzent: Das Studio und die Band sind meine Instrumente. Und ich tue mein Bestes, sie mit Respekt und Verständnis zu behandeln.

Heute ist die Studiotechnik eine ganz andere als zu Ihren Anfängen mit Alice Cooper. Im 21. Jahrhundert fängt man keine Performances mehr live im Studio ein, heisst es, man kreiert sie am Bildschirm.

Für das neue Deep-Purple-Album «=1» habe ich tatsächlich die besten Performances aus verschiedenen Songversionen collagiert, ohne dabei die Spontaneität der ersten Fassungen zu verlieren. Meine Arbeit am Computer unterscheidet sich aber gar nicht so sehr von derjenigen mit analogen Tonbändern. 1973 habe ich für Alice Cooper das Stück «I Love The Dead» aus Songschnipseln zusammengeschnitten, die alle nur vier Takte lang waren. Sagen Sie also bitte nichts gegen die digitale Aufnahmetechnik. Ich liebe die Tools, die mir heute zur Verfügung stehen.

Bei der Arbeit mit Deep Purple wurden Sie Ihrem Ruf als dynamischer Tätschmeister einmal mehr gerecht. Roger Glover berichtet, dass Sie viele Songideen der Band verworfen hätten, noch bevor diese ausgearbeitet waren.

Als Produzent bin ich in erster Linie ein Entscheidungsträger. Dabei geht es mir aber nicht darum, wie gut ich dastehe oder den Musikern meine Vorstellungen aufzudrücken. Ich will ihnen helfen, sich selbst zu sein. Und wenn möglich sogar über sich hinauszuwachsen. Du kannst ein grossartiger Tänzer sein, trotzdem brauchst du einen Choreografen, der dir beim Tanzen zuschaut. Und dir sagt: Lass uns das anders angehen und es so machen. Ausserdem spielen beim Produzieren von Musik Respekt und Humor eine wichtige Rolle. Der Humor hilft den Musikern, ihre Aufführungsangst abzulegen, unter der die meisten im Studio leiden.

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Wie gehen Sie heute mit Veteranen wie Deep Purple und Alice Cooper um, mit denen Sie kürzlich neue Platten eingespielt haben? Bringen Sie ihnen neue Tricks bei, oder versuchen Sie, solche Musiker an ihre Stärken zu erinnern?

Im Studio lebe ich im Moment, ohne daran zu denken, was die jeweilige Band vollbracht hat oder erreichen könnte. Das gilt auch für mich selber: Jeder Tag im Studio bietet für mich einen Neubeginn, bei dem ich alles zu vergessen versuche, was ich im Verlauf der letzten 55 Jahre als Produzent gelernt habe.

Sie haben einige Ihrer Klienten mit, sagen wir mal, unorthodoxen Methoden motiviert. Kiss haben Sie mit einer Trillerpfeife auf Gehorsam getrimmt. Peter Gabriel liessen Sie an die Studiodecke festkleben, weil er den Song «Modern Love» nicht so angstvoll gesungen hatte, wie Sie das von ihm wollten.

In der Regel führe ich die Musiker auf eine eher unbeschwerte Art und Weise. Ich beschimpfe sie nie. Und wenn ich sie anschreie, dann nur, weil sie so laut spielen, dass sie meine Anweisungen nicht mitbekommen. Dazu kommt, dass viele Musiker schwerhörig sind: Nach Jahrzehnten auf Tournee haben die meisten ein Tinnitus-Pfeifen in den Ohren.

EDMONTON, AB - APRIL 3:  Producer Bob Ezrin (L) is inducted into the Canadian Music Hall of Fame by special presenter Alice Cooper during the JUNO Gala Dinner and Awards ceremony at the Shaw Centre on April 3, 2004, in Edmonton, Canada.  (Donald Weber/Getty Images)

Bei den Sessions zu «The Wall» von Pink Floyd sind Sie mit dieser Unbeschwertheit offenbar gescheitert. Nach eigener Aussage haben Sie sich aufgrund Ihrer Dummheit und Naivität mit dem Bandleader Roger Waters überworfen.

Dieser Streit hatte mit meiner Arbeit nichts zu tun. Ich hatte einen befreundeten Journalisten im Vertrauen erzählt, wie die «Wall»-Show aussehen würde, noch bevor Pink Floyd das erste Konzert der Tournee aufgeführt hatten. Eine Woche später stand in Fachblatt «Billboard», dass Bob Ezrin alles über die Show ausgeplaudert hatte. Dabei hatte ich eine Abmachung unterschrieben, dass ich so etwas nicht machen würde. Roger explodierte vor Wut, wozu er auch jedes Recht hatte.

Man liest, dass er jahrelang nicht mehr mit Ihnen gesprochen hat.

Roger ist nun mal nicht der vergebungsfreudigste Mensch der Welt. Nach dem Artikel war ich bei ihm unten durch. Ich wurde von den Shows der Band ausgeschlossen. Als weitere Strafmassnahme hat er mir 25’000 Dollar an Spesen nicht zurückerstattet. Erst viele Jahre später entschuldigte Roger sich dafür, mich schlecht behandelt zu haben.

Wie würden Sie Ihre heutige Beziehung zu ihm beschreiben?

Ich habe gar keine. Und wenn ich sehe, wo Roger politisch mit seinen ganzen Tiraden und Putin-Rechtfertigungen gelandet ist, bin ich sogar froh darum. Roger behauptet auch, kein Antisemit zu sein, gibt aber laufend unverhohlen antisemitisches Zeug von sich.

Sie haben neulich gesagt, Roger Waters wolle die rechtsradikale Vereinnahmung von Teilen des «Wall»-Albums nicht wahrhaben.

Für uns mag der Begriff «Motherfucker» in einem bestimmten Kontext akzeptabel sein. Trotzdem würden wir ihn nicht an einer Kirchgemeindeversammlung verwenden. Viele Entertainer sagen fragwürdige Sachen ohne Hintergedanken, die von der Öffentlichkeit als deplatziert wahrgenommen werden. In Rogers Fall kann man aber nicht behaupten, ihm seien solch naive Fehler unterlaufen, denn er hat an seinen Shows mit faschistischen Emblemen operiert. Da kann es niemanden erstaunen, welche Kreise sich von diesen angesprochen fühlen.

epa10981787 British musician Roger Waters, co-founder of the legendary band Pink Floyd, performs during a concert as part of his 'This is Not a Drill' tour, at the Centenario Stadium in Montevideo, Uruguay, 17 November 2023.  EPA/Gaston Britos

Seit Hurrikan Katrina arbeiten sie eng mit The Edge von U2 zusammen, um Katastrophengebiete wie New Orleans mit Musikinstrumenten zu versorgen. Warum hat es denn bis 2023 gedauert, bis Sie die Band ins Studio begleiten durften?

Für ihr aktuelles Album «Songs of Surrender» wollten U2 alte Eigenkompositionen neu interpretieren. Bei diesem Projekt war mein archäologisches und auch soziologisches Gespür gefragt. Früher war ich U2 wohl zu mainstreamig. Sie sind sonst immer auf der Suche nach neuen Sounds und Stilen, darum arbeiten sie oft mit den angesagtesten DJs und Produzenten zusammen. Ich passe nicht in dieses Konzept: Schliesslich bin ich seit 1978 nicht mehr der letzte heisse Scheiss.

Dafür haben Sie als Plattenproduzent die Wechsel von LPs und MCs zu CDs, MP3s und Streams mitgemacht. Sind Sie ein Verfechter der Vinylplatte, oder klingen die modernen digitalen Formate so gut, dass sie es mit der LP aufnehmen können?

Ich habe noch 200 Vinylalben im Regal stehen, bei mir zu Hause liegen aber auch CDs, MCs und sogar DAT-Bänder herum. Jedes Format repräsentiert für mich den Sound einer bestimmten Zeit. Aber am Ende ist die Musik, die darauf fixiert ist, immer noch die gleiche. Es kommt auf die Melodie, die Geschichte, die ein Song erzählt, und auf die Performance an, ob ein Musikstück die Menschen berührt oder nicht. Das ist es, was zählt.

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