Wahl und Referendum130’000 Moldauer sollen Geld erhalten haben, um gegen EU-Beitritt zu stimmen
Moldau votiert wohl knapp für die EU-Aufnahme, doch die Abstimmung wäre fast gescheitert. Die europafreundliche Präsidentin Maia Sandu spricht von prorussischer Manipulation. Für sie könnte es in der Stichwahl eng werden.
- Maia Sandu sieht das knappe EU-Referendumsergebnis als unfairen Kampf.
- Russische Desinformation beeinflusste die Abstimmung stark.
- Staatschefin Sandu muss in zwei Wochen in die Stichwahl.
- Illegale Geldtransfers aus Moskau förderten Desinformation und Wahlmanipulation.
Das Ergebnis des EU-Referendums und der Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau haben Staatschefin Maia Sandu und ihrer Regierung einen unerwarteten Rückschlag auf dem Weg nach Europa beschert. Sie habe «in einem unfairen Kampf fair gewonnen», sagte Sandu am Montag über den Ausgang des EU-Referendums und die Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau.
Die Präsidentin bezog sich auf einer Pressekonferenz in Chisinau darauf, dass das Ergebnis des Referendums, nach dem der EU-Beitritt in der Verfassung verankert werden sollte, aufgrund russischer Interventionen und Wahlmanipulationen denkbar knapp ausgefallen sei. Nur 50,4 Prozent der Moldauer hatten mit Ja gestimmt.
Die russische Desinformationskampagne und die Unterstützung prorussischer, moldauischer Kandidaten durch Moskau sei, so Sandu, ein «Angriff auf unsere Demokratie» gewesen. Jetzt gelte es, die Korruption stärker zu bekämpfen, die Stimmenkauf und illegale Parteienfinanzierung ermöglicht hätten, und die Demokratie zu stärken.
Panik nach Mitternacht
In der Nacht zum Montag herrschte in Chisinau zunächst Ausnahmezustand, Screenshots mit den neuesten regionalen Wahlergebnissen wurden hin- und hergeschickt, wütende Telefonate geführt. Die Mitarbeiter im Präsidialamt, in der Regierung und in der PAS, der Partei von Präsidentin Maia Sandu, waren geschockt. Alles deutete zu diesem Zeitpunkt darauf hin, dass die Gegner eines Beitritts der Republik Moldau zur Europäischen Union haushoch gewinnen würden. Zum Morgen hin, nachdem fast 100 Prozent der Stimmen – und damit auch jene von etwa 800’000 wahlberechtigten Auslandsmoldauern – ausgezählt waren, drehte sich das Blatt. Der Weg nach Europa, für den Sandu als «historische Entscheidung» geworben hatte, dürfte trotz der knappen Mehrheit für EU-Kurs noch steiniger werden.
Bis zur Abstimmung am Sonntag hatte ein Ja zur EU-Mitgliedschaft Moldaus, das schon seit Juni 2023 Beitrittskandidat ist, als sicher gegolten. Bereits in der Nacht zum Montag war die sichtlich aufgebrachte Präsidentin erstmals vor die Presse getreten und hatte den Kauf von mindestens 300’000 Stimmen durch prorussische Kräfte beklagt. Knapp hundert Millionen Euro seien ausgegeben worden, um die Wahl zu fälschen.
Stichwahl in zwei Wochen
Auch bei den Präsidentschaftswahlen vom Sonntag liegt Sandu im ersten Wahlgang zwar mit 42 Prozent der Stimmen vor dem Sozialisten Alexandr Stoianoglo, der auf 26 Prozent der Stimmen kam; gegen den ehemaligen Staatsanwalt wird wegen Korruption ermittelt. Der nächstgereihte Bewerber kam nur noch auf 13 Prozent. Sandu war zum zweiten Mal angetreten.
Sandu war allerdings auch die einzige dezidiert proeuropäische Kandidatin für das Präsidentschaftsamt; es könnte also in der Stichwahl in zwei Wochen für sie enger werden als gedacht, wenn alle anderen Kandidaten zur Wahl von Stoianoglo aufrufen. Die Wahlbeteiligung lag bei etwas mehr als 50 Prozent.
Sie wandte sich daher am Montag an jene Bürger, die für andere, offiziell als neutral geltende Bewerber gestimmt hatten, und bat um ihre Stimme, um eine «Katastrophe» zu verhindern. Sowohl die Optimisten als auch die Enttäuschten in Moldau wollten in Freiheit und Frieden leben – und genau darum gehe es in der Europäischen Union.
Vor dem Wahltag hatte es jedoch bereits Hinweise auf massive Desinformation und Stimmenkauf gegeben. Der vor einer Haftstrafe aus Moldau über Israel nach Moskau geflohene Unternehmer Ilan Sor hatte mit Unterstützung Russlands nicht nur zum Boykott des Referendums aufgerufen und gegen die Wahl von Sandu mobilisiert, sondern auch Geldzahlungen an jene geleistet, die mit Nein stimmten oder andere zum Nein aufriefen. Umgerechnet etwa 100 Millionen Euro sollen allein in den vergangenen Monaten aus Russland an Mittelsleute von Sor geflossen sein, die damit Stimmenkauf betrieben und Demonstrationen gegen die Regierung organisierten.
Desinformation und Fake News
Die renommierte moldauische Tageszeitung «Ziarul de Garda» hatte wenige Tage vor der Wahl eine mehrmonatige investigative Recherche veröffentlicht, in der eine Reporterin sich in die Sor-Kampagne einschleuste, auf Weisung einer Aktivistin ein Konto bei einer staatlichen russischen Bank eröffnete und darüber Zahlungen erhielt. Dafür musste sie in Moldau Material mit Desinformation über die EU oder Maia Sandu an Passanten verteilen, in den sozialen Medien Fake News posten oder an Wahlversammlungen für prorussische Kandidaten teilnehmen.
Die moldauische Polizei hatte zudem Anfang Oktober mitgeteilt, dass laut ihren Ermittlungen mehr als 130’000 Moldauer Geld aus Moskau erhalten hätten, um gegen das Referendum zu stimmen. In der autonomen Region Gagausien im Süden des Landes, wo Sors Leute besonders aktiv gewesen waren, stimmten dementsprechend nur etwa 5 Prozent für die Verankerung des EU-Beitritts in der Verfassung.
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