Parteiversammlung in WettingenMitte Schweiz will Blockade in Gesundheitspolitik beenden
Die Partei will am «Sorgenthema Nummer 1» der Schweizer Bevölkerung dranbleiben: einem bezahlbaren Gesundheitswesen.
Die Mitte Schweiz hat an ihrer Delegiertenversammlung vom Samstag in Wettingen AG ein Manifest für eine für alle zugängliche und bezahlbare Gesundheitsversorgung verabschiedet. Als Ehrengast gab Bundespräsidentin Viola Amherd Einblick in ihr Präsidialjahr.
Das Manifest «für eine für alle zugängliche und bezahlbare Gesundheitsversorgung» sieht vor, dass Apotheker sowie speziell ausgebildetes Pflegepersonal die Ärzteschaft in der Grundversorgung entlasten sollen. Hausarztmodelle sollen gefördert und vermehrt über die Kantonsgrenzen zusammengearbeitet werden.
Weiter wird verlangt, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen, mit mehr Transparenz die Kostenkontrolle zu verbessern, die Vergütungen für Medikamente zu überdenken. Ausserdem soll die Selbstkompetenz der Patientinnen und Patienten gestärkt werden.
20 Prozent sparen ohne Qualitätsverlust
Das Sparpotenzial sei eigentlich seit langem bekannt, heisst es im Manifest. Gemäss einem Expertenbericht des Bundes könnten acht Milliarden Franken oder 20 Prozent der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung ohne Qualitätsverlust eingespart werden, indem Verschwendung und Ineffizienz vermieden würden.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagte, es dürfe nicht sein, dass die Versicherten die immer höheren Kosten eines reformunfähigen Gesundheitssystems bezahlen müssten. Das Manifest solle dazu beitragen, dass auch künftige Generationen «auf ein qualitativ hochstehendes, aber zugleich für alle zugängliches und bezahlbares Gesundheitswesen zählen dürfen.» Auch nach Ablehnung der von der Mitte lancierten Gesundheitskostenbremse-Initiative im Juni wolle man am «Sorgenthema Nummer 1» der Schweizer Bevölkerung dranbleiben.
Ja zu einheitlicher Finanzierung
Die Delegiertenversammlung fasste ausserdem einstimmig die Ja-Parole für die einheitliche Finanzierung von Gesundheitsleistungen (Efas). Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 24. November über die nötige Anpassung des Krankenversicherungsgesetzes. Efas soll einen Anreiz für die Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen schaffen und damit den Prämienanstieg eindämmen.
Bundespräsidentin Viola Amherd gab an der Delegiertenversammlung einen Einblick in ihr Präsidialjahr. Als markante Erlebnisse nannte sie die Besuche nach den Unwettern im Tessin, Graubünden und dem Wallis. Sie erlebe immer wieder spannende und wichtige Begegnungen, vom Kontakt mit der Bevölkerung bis zu offiziellen Staatsbesuchen.
Sehr wichtig sei die Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock gewesen, mit der Teilnahme von über 90 Ländern, darunter viele Staatsoberhäupter und US-Vizepräsidentin Kamala Harris. «So etwas hat es in der Schweiz noch nie gegeben. Mir wird immer wieder gedankt, dass die Schweiz es gewagt hat, diese Konferenz zu organisieren», sagte Amherd.
Zur Sicherheitspolitik sagte die Verteidigungsministerin, die Schweiz müsse ihre Verteidigungsfähigkeit stärken. Länder wie Litauen erhöhten ihr Verteidigungsbudget von 3 auf 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. «Dann ist es nicht übertrieben, wenn wir jetzt von 0,7 Prozent auf 1 Prozent gehen», sagte Amherd. Es gebe Nachholbedarf und der Armee müssten mehr Mittel zur Verfügung stehen.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagte, die konstruktiven Kräfte der Partei seien auch für die Beziehungen mit der Europäischen Union gefragt. Eine starke Zusammenarbeit mit der EU sei wichtig für den Wohlstand der Schweiz. Ein künftiges Abkommen müsse allerdings mit der direkten Demokratie vereinbar sein und Regeln für den Lohnschutz und die Zuwanderung enthalten.
Flexible Schutzklausel für Zuwanderung aus EU
Die Mitte schlage eine Schutzklausel vor, die es der Schweiz erlauben soll, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen, sobald bestimmte Schwellenwerte überschritten würden. Anstelle einer starren Obergrenze sollten der Bundesrat oder die Kantonsregierungen befristete Massnahmen zu gewisse Branchen oder Regionen treffen können.
Wichtig sei zu differenzieren. «Nimmt zum Beispiel die Zuwanderung im Bündner Gastgewerbe massiv zu, soll nicht das Gesundheitswesen in Genf darunter leiden», sagte Pfister. Die Mitte habe diesen Vorschlag bereits bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative eingebracht, damals aber von SP und FDP keine Unterstützung erhalten.
Erfolgreiche Neuausrichtung
Die per Anfang 2021 erfolgte Öffnung der Partei mit der Umbenennung von CVP auf «Die Mitte» bezeichnete Pfister als Erfolg. Bei den nationalen Wahlen 2023 habe die Mitte mehr Sitze erobert als zuvor BDP und CVP zusammen. Erstmals seit 1848 sei die Partei im Nationalrat stärker als die FDP.
Als stärkste Kraft im politischen Zentrum müsse sich die Mitte mit ihrer Politik glaubwürdig gegen Links und gegen Rechts abgrenzen. Es sei bedenklich, «wenn andere Meinungen niedergeschrien und nicht mehr gehört» würden, sagte Pfister mit Verweis auf die Wahlen in den USA, Frankreich sowie Sachsen und Thüringen.
«Wir wollen eine Schweiz, in der sich alle Menschen frei entfalten können und dennoch nicht gleichgültig gegenüber Gesellschaft, Umwelt und den nächsten Generationen handeln», sagte Pfister.
SDA/ij
Fehler gefunden?Jetzt melden.