Segelunfall vor SizilienDer verschollene IT-Chef wollte mit dieser Reise seinen Sieg vor Gericht feiern
Mike Lynch ist ein extrem erfolgreicher, aber auch umstrittener Unternehmer. Er hat auch in der Schweiz investiert.
Er gilt als einer der Vorzeigeunternehmer Grossbritanniens. Mike Lynch wurde als der britische «Bill Gates» gefeiert, weil er wie der Microsoft-Gründer ein Vordenker und wichtiger Investor der heimischen IT-Industrie ist. Ihm wurde von der Queen ein Orden verliehen, er sass zeitweise in zahlreichen Beiräten und wurde auch von der britischen Regierung beigezogen, wenn es darum ging, die Meinung eines IT-Fachmanns einzuholen.
Doch nun geht es nicht um seine unternehmerischen Erfolge, sondern um die Sorge, dass dem 59-jährigen Unternehmer etwas Gravierendes zugestossen sein könnte. Lynch gehört zu den Personen, die nach dem Schiffsunglück am Montagmorgen vor Sizilien als verschollen gelten. Sechs der zwölf Passagiere und zehn Besatzungsmitglieder an Bord wurden für vermisst erklärt, darunter auch Lynchs 18-jährige Tochter. Sicher ist bislang, dass ein Besatzungsmitglied das Unglück nicht überlebt hat.
Lynchs Karriere ist die eines Selfmademan. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, seine Mutter war Krankenschwester, sein Vater Feuerwehrmann. Dank eines Stipendiums schaffte er den Sprung an die Elite-Uni Cambridge. In den 80er-Jahren gründete er erste Unternehmen. 1996 folgte das Softwareunternehmen Autonomy. Dessen Software konnte nützliche Informationen aus unstrukturierten Quellen wie Telefonanrufen, E-Mails und Videos extrahieren.
Das Unternehmen entwickelte sich rasant und überlebte die zahlreichen Krisen, die auf den Hype rund um neue Informatikfirmen in jenen Jahren folgten.
Milliardenschwerer Rechtsstreit mit Hewlett-Packard
Der US-Informatikriese Hewlett-Packard übernahm Autonomy 2011 in einem spektakulären Deal. HP zahlte die damalige Rekordsumme von 11,7 Milliarden Dollar für Autonomy. Lynch kam damit zu einem riesigen Vermögen. Sein Anteil wurde auf rund 500 Millionen Dollar geschätzt. Doch zeigte sich schon bald, dass HP mit Autonomy nicht glücklich werden wird. Schon ein Jahr nach dem Kauf schrieb HP 8,8 Milliarden Dollar der Kaufsumme ab. Das war der Auftakt für einen jahrelangen Rechtsstreit.
US-Staatsanwälte warfen später Lynch und dem Chefbuchhalter seiner Firma vor, die Bücher geschönt und so den Kaufpreis in die Höhe getrieben zu haben. Der Vorwurf: Die Firma sei gar nie so erfolgreich gewesen, wie es den Anschein gemacht habe. Die Umsätze seien stark aufgeblasen worden. In einem anderen Verfahren forderte HP von Lynch und anderen Managern daher 4 Milliarden Dollar Schadenersatz. Um seine Auslieferung in die USA entbrannte ein langwieriger Rechtsstreit. Zwischenzeitlich sass er deswegen in San Francisco für ein Jahr in Hausarrest. Lynch hat die Vorwürfe der Behörden und von HP gegen ihn stets bestritten. Hingegen warf er HP vor, ihn zum Sündenbock für die verpatzte Übernahme machen zu wollen.
Erst vor wenigen Monaten wurde Lynch im US-Verfahren freigesprochen. Die Reise auf der Luxusjacht war laut Medienberichten auch dafür gedacht, um den Triumph vor Gericht zu feiern. Laut der «Financial Times» befanden sich unter den Passagieren Mitglieder von Lynchs Anwaltsteam und ein Zeuge der Verteidigung, den Lynch eingeladen hatte.
Mike Lynch investierte auch in Schweizer IT-Firmen
Lynch liess sich durch die zahlreichen Verfahren rund um Autonomy nicht unterkriegen. Sein Vermögen investierte er in zahlreiche Technologieunternehmen, auch in der Schweiz. Er gehörte etwa zu den ersten Geldgebern der Firma Sophia Genetics in Lausanne.
Das Unternehmen nutzt Informatiklösungen für die Personalisierung der Medizin. Nachdem die Firma an der US-Börse Nasdaq gelistet wurde, teilte Lynch seine Freude darüber in einem Blogbeitrag. «Ich erinnere mich, dass ich Firmenchef und Gründer Jurgi Camblong kennen lernte, als das Unternehmen nur aus einem fünfköpfigen Team in Lausanne bestand.» Die Vision der Firma sei schon damals klar gewesen: Verbesserung der Diagnose, Bereitstellung einer personalisierten Behandlung und Verbesserung der Arzneimittelentwicklung.
Am Aktienkurs zeigt sich das derzeit nicht. Die Firma hat in den letzten drei Jahren gegen 80 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Lynchs Unternehmen hat seine Anteile schon vor einiger Zeit abgestossen und in neue Firmen investiert.
Nachdem er im US-Verfahren freigesprochen worden war, teilte Lynch mit: «Ich freue mich darauf, nach Grossbritannien zurückzukehren und mich wieder dem zu widmen, was ich am meisten liebe: meiner Familie und der Innovation auf meinem Fachgebiet.»
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