Gesunkene Luxusjacht vor SizilienMöbel versperren Tauchern den Zugang – wenig Hoffnung für Vermisste
Die Arbeit in 50 Metern Tiefe gestaltet sich schwierig. Die Einsatzkräfte vermuten Tech-Milliardär Lynch und die anderen Vermissten in den Kabinen des Wracks.
Taucher haben am Dienstag die Suche nach den sechs vermissten Insassen einer vor Sizilien gesunkenen Luxusjacht fortgesetzt. Im Einsatz an der in 50 Metern Tiefe am Meeresgrund liegenden Jacht sind Spezialisten der Feuerwehr, die für Tauchgänge auf beengtem Raum ausgebildet sind. Ein erster Tauchgang der aus Rom und Sardinien angereisten Spezialisten verlief nach Angaben der Feuerwehr ergebnislos, weil Möbelstücke den Zugang zum Inneren der Jacht versperrten.
Die spezialisierten Taucher arbeiteten am Dienstag daran, andere Zugänge zum Wrack zu öffnen. Die Rettungsmannschaften teilten mit, sie gingen davon aus, dass die sechs Passagiere in den Kabinen unter Deck geschlafen hätten, als plötzlich der Sturm aufgezogen sei. Durch die Bullaugen habe man sie jedoch nicht sehen können. In der Mitteilung wurden die sechs Personen weiterhin als «vermisst» aufgeführt. Es besteht für sie aber kaum mehr Hoffnung, «Aufgrund der verstrichenen Zeit und der Umstände des Ereignisses ist es natürlich schwierig, sich vorzustellen, dass sich die Dinge zum Besten wenden. Aber wir geben natürlich nicht auf», sagte Vincenzo Zagarola von der Küstenwache im italienischen Radio.
Costa-Concordia-Taucher im Einsatz
Die mit zehn Besatzungsmitgliedern und zwölf Passagieren besetzte 56 Meter lange Luxusjacht «Bayesian» war in der Nacht zum Montag in der Nähe von Porticello vor der Küste Siziliens in einem Sturm gesunken. Ursache war eine Wasserhose, eine Art Tornado über dem Meer. 15 Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Eine Leiche wurde geborgen, sechs weitere Insassen des Schiffs werden vermisst. Bei dem Toten handelt es sich Medienberichten zufolge um den Koch.
Bei der Suche nach den Vermissten ist wegen der Tiefe, in der das gesunkene Schiff liegt, jeder Tauchgang auf zwölf Minuten begrenzt, wie Feuerwehrsprecher Luca Cari berichtete. Zwei Minuten davon sind für das Auf- und Abtauchen vorgesehen. Mehrere der jetzt beteiligten Spezialisten waren nach den Worten von Marco Tilotta vom Tauchteam der Feuerwehr von Palermo bereits am Wrack des Kreuzfahrschiffs «Costa Concordia» im Einsatz, das 2012 vor der Küste der Toskana gesunken war. Damals waren 32 Menschen ums Leben gekommen.
Die Bemühungen konzentrieren sich laut Tilotta darauf, in die Wohn- und Schlafräume der auf der Seite liegenden Jacht vorzustossen. «Die Räume im Inneren eines Boots sind sehr beengt», schilderte Feuerwehrsprecher Cari. «Wenn man auf ein Hindernis stösst, ist es sehr schwierig zu umgehen, genau so schwer ist es, Alternativrouten zu finden.»
An der Rettungsaktion unmittelbar nach dem Unglück war auch der Hamburger Kapitän Karsten Börmer beteiligt, dessen Jacht mit sieben deutschen Gästen nahe Palermo vor Anker lag. «Ich habe gesehen, wie die ‹Bayesian› mit ihrem 75 Meter hohen Mast unter dem Sturm zuerst umkippte und dann sank», berichtete der 69-Jährige im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Die Szene war schrecklich.»
Nachdem die 15 Überlebenden an Bord seines Schiffes gegangen seien, sei die Suche nach den weiteren Passagieren der «Bayesian» fortgesetzt worden, sagte Börmer. «Leider vergebens.»
Zu den Vermissten zählen der als «britischer Bill Gates» bekannte Technologieunternehmer Mike Lynch und dessen 18-jährige Tochter Hannah. Auch ein hochrangiger Manager des Bankhauses Morgan Stanley International, Jonathan Bloomer, und dessen Frau Judy waren dem Versicherungsunternehmen Hiscox zufolge an Bord und werden vermisst. Lynchs Ehefrau Angela Bacares ist dagegen unter den 15 Geretteten, sie kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus.
Italienischen Medienberichten zufolge waren die Passagiere Gäste von Lynch. Der Unternehmer hatte demnach auf der Jacht seinen Freispruch im Prozess um einen Milliardenbetrug gefeiert.
Lynch war im Juni in den USA von Betrugsvorwürfen um den Verkauf seiner Software-Firma Autonomy an Hewlett-Packard freigesprochen worden. Ihm war vorgeworfen worden, Akten gefälscht und den Umsatz seines Unternehmens falsch angegeben zu haben. Die «Sunday Times» schätzte das Vermögen des ehemaligen Regierungsberaters auf rund 587 Millionen Euro. Tragischer Zufall: Der mit Lynch angeklagte und ebenfalls freigesprochene Finanzmanager Stephen Chamberlain war am vergangenen Samstag beim Joggen in Cambridgeshire von einem Auto angefahren worden. Mittlerweile ist er seinen Verletzungen erlegen.
Schiff mit Superlativ
Die «Bayesian» wurde 2008 in der Toskana gebaut und 2020 überholt. Laut der Website «Charter World» verfügte sie über den mit 75 Metern höchsten Aluminium-Segelschiffmast der Welt. Berichten zufolge gehört die «Bayesian» Lynchs Familie und ist nach dem Satz von Bayes benannt, einem mathematischen Satz aus der Wahrscheinlichkeitstheorie.
DPA/lop/fem
Fehler gefunden?Jetzt melden.