Drastischer GewinneinbruchWarum die Migros unter der Teuerung leidet – und Coop nicht
Die gestiegenen Kosten drückten in den Supermärkten und in den eigenen Industriebetrieben auf das Ergebnis. Doch die grösste Konkurrentin der Migros bewältigte die Teuerung viel besser.
Trotz eines Rekordumsatzes hat die Migros im vergangenen Jahr einen Gewinntaucher erlitten: Der Reingewinn fiel von 668 Millionen auf 459 Millionen Franken – ein Minus von 31 Prozent.
Schuld am Gewinneinbruch seien die gestiegenen Kosten, begründete der Ende April abtretende Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen am Dienstag an der Bilanzmedienkonferenz in Zürich. Diese hätten alleine in den Migros-Industriebetrieben für Rohstoffe, Verpackung und Energie mit 250 Millionen Franken zu Buche geschlagen. Dort ging der Gewinn um 93 Prozent zurück, im genossenschaftlichen Detailhandel um 43 Prozent.
«Das Geschäftsjahr 2022 der Migros-Gruppe war geprägt von steigender Inflation, geopolitischen Unsicherheiten und einer entsprechend gedämpften Konsumnachfrage», schreibt die Migros.
Coop konnte den Gewinn trotz Teuerung leicht steigern
Ein Blick zum direkten Konkurrenten Coop zeigt, dass diese Erklärung nicht greift. Die Coop-Gruppe hatte am 15. Februar bekannt gegeben, dass sie trotz höheren Kosten im vergangenen Jahr den Gewinn um 0,5 Prozent auf 562 Millionen Franken steigern konnte.
Im Supermarktgeschäft hat die Migros das Problem, dass sie im Gegensatz zu ihrem Konkurrenten Coop viele grosse, zentral gelegene Filialen betreibt. Das ist ein entscheidender Nachteil, weil auch nach der Pandemie viele Menschen zu Hause arbeiten und in der Nähe einkaufen werden. Zudem ist die Zeit des grossen Wocheneinkaufs vorbei. Stattdessen tätigen viele Kundinnen und Kunden mehrmals wöchentlich kleine Spontaneinkäufe – und dafür braucht es keine grossen Filialen, sondern kleine in der Nähe des Wohn- und Arbeitsorts.
Das zweite grosse Problem ist die schwerfällige Struktur der Migros. Während Coop zentral von Basel aus gesteuert wird, haben bei der Migros die regionalen Genossenschaften das Sagen. Jede leistet sich einen eigenen Verwaltungsapparat, gestaltet ihr Sortiment selber und entscheidet autonom über ihr Filialnetz. Das bedeutet hohe Kosten – und entsprechend einen tieferen Gewinn.
Den wichtigsten Unterschied zu Coop sieht die Migros jedoch bei ihren zahlreichen eigenen Industriebetrieben. Hier spüre man gestiegene Rohstoffpreise «mehr als der Wettbewerb». Warum wird nicht klar, denn der Umsatz der Produktionsbetriebe von Coop betrug im vergangenen Jahr 5,16 Milliarden Franken, jener der Migros-Industriebetriebe 5,78 Milliarden Franken.
Beide Detailhandelsriesen weisen ihre Gewinnzahlen für die Industriebetriebe nicht gesondert aus, mit einer Ausnahme: Die Coop-Tochter Bell Food konnte den Jahresgewinn stabil halten.
46 Prozent des Gewinns kommen von der Migros-Bank
«Ausserordentlich erfolgreich» habe die Migros-Bank gearbeitet, sagte Fabrice Zumbrunnen vor den Medien. Vor allem im Firmenkunden- und Hypothekargeschäft sei die Bank gewachsen. Sie habe jetzt mehr als eine Million Kunden.
Wie abhängig die gesamte Migros-Gruppe von der Migros-Bank geworden ist, zeigt ein Blick in den Geschäftsbericht. 2021 erzielte die Migros-Bank einen Betriebsgewinn vor Finanzerfolg und Ertragssteuern von 233 Millionen Franken. Bei einem Betriebsgewinn der gesamten Gruppe von 800 Millionen entsprach das 29 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 288 Millionen bei der Bank und 628 Millionen auf Gruppenebene.
Das bedeutet, dass die Migros-Bank fast die Hälfte, nämlich 46 Prozent, zum gesamten Betriebsgewinn beisteuerte.
Neben dem genossenschaftlichen Detailhandel und der Migros-Industrie sank auch im Departement Handel, das unter anderen die Tochterfirmen Denner, Migrol, Digitec Galaxus, Migrolino und Ex Libris umfasst, der Gewinn um 22 Prozent.
Keine Zahlen zu den Genossenschaften und zu Coffee-B
Keine Gewinnzahlen hat die Migros zu ihren zehn regionalen Genossenschaften veröffentlicht. Zumbrunnen sagte jedoch, keine der zehn Genossenschaften habe im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben.
Im Oktober hatte diese Zeitung berichtet, dass viele von ihnen zwischen Januar und dem Spätsommer rote Zahlen schrieben – oder nahe daran waren. Das über Erwarten gute Weihnachtsgeschäft hat offenbar einige von ihnen vor einem Defizit im Gesamtjahr gerettet.
Ebenfalls bedeckt hält sich die Migros zu ihren Kaffeekugeln, die sie im September als «grösste Produkte-Innovation in der Firmengeschichte» ankündigte. Im Geschäftsbericht wird der Verkaufsstart als «wichtiger Meilenstein» bezeichnet, doch zu den Umsatzzahlen schweigt die Migros.
«Wir geben keine Umsätze auf Produkteebene bekannt. Weder bei Coffee-B noch bei allen anderen Migros-Produkten.»
Die Verantwortlichen sind mit dem Start «sehr zufrieden». «Wir haben einen Vierjahresplan und wir spüren, dass das Interesse gross ist, auch im Ausland», sagt Fabrice Zumbrunnen. In Deutschland etwa nehmen Mitte April auch Edeka und Mediamarkt-Saturn ins Sortiment auf.
Insgesamt hat die Migros im vergangenen Jahr beim Umsatz erstmals die Marke von 30 Milliarden Franken geknackt. Konkret stieg der Umsatz der Migros-Gruppe um 4,2 Prozent auf 30,1 Milliarden Franken.
Umsatz in Supermärkten geht nach Corona-Schub zurück
Haupttreiber dafür war die Erholung in jenen Bereichen, die unter der Pandemie besonders gelitten hatten, allen voran das Reise- und Freizeitgeschäft sowie die Gastronomie. Auch das Wachstum im Onlinehandel habe zu dieser positiven Entwicklung beigetragen, erklärte der Konzern.
Dagegen machten die Migros-Läden, die von Corona-Effekten profitiert hatten, weniger Umsatz. In der Summe blieb der Detailumsatz aller Unternehmen der Migros-Gruppe in der Schweiz mit 24,7 Milliarden Franken gegenüber dem Vorjahr stabil (-0,3 Prozent).
Fürs laufende Jahr bleibt die Migros zuversichtlich. Zumbrunnen, der per Ende April seine Funktion als Migros-Chef abgibt, sagt: «In der Summe bleiben die Aussichten fürs Supermarktgeschäft dieses Jahr positiver.»
In einer ersten Version hatte es geheissen, dass die Migros-Industrie mehr als drei Mal so viel Umsatz erzielt als die Coop-Produktionsbetriebe. Das trifft nicht zu.
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