Powerplay der AnwälteKommen geprellte CS-Anleger doch noch zu Geld?
Bestimmte Obligationen sind nach der Bankenfusion wertlos. Nun umwerben Anwälte Anlegende, die die Bank verklagen wollen – oder die Schweiz. Politiker wollen ihnen helfen.
Es brenne in der Finanzindustrie, sagt ein Schweizer Investor, der entsprechende Papiere in seinem Fonds hat. Es geht dabei um sogenannte AT1-Anleihen im Wert von 16 Milliarden Franken, die mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wertlos wurden. Klar sei es richtig, dass die CS aufgefangen wurde, aber die Art und Weise sei falsch, so der Profianleger. Pikant dabei ist: Die Papiere sollen nicht nur von Profis gehalten worden sein, sondern auch von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern in der Schweiz.
Für Ärger sorgt der Entscheid des Bundesrats, dass Aktionärinnen und Aktionäre 3 Milliarden Franken erhalten, während die Anleihebesitzenden leer ausgehen. Denn Aktienbesitzer kommen in der Kaskade der Geschädigten bei einem Konkurs normalerweise am Schluss und verlieren ihr Investment. Nicht so im Fall CS. Mit dem Geld aus den Anleihen wurde das Eigenkapital der CS gestärkt, damit sie von der UBS übernommen werden konnte. (Mehr zum Thema: CS schüttete trotz Verlusten jedes Jahr Milliardenboni aus.)
Klagewillige sind umworben
Anwaltskanzleien umwerben nun klagewillige Investoren, die den Entscheid der Finanzmarktaufsicht anfechten wollen. Das dürfte nicht besonders schwierig sein. Mehrere Hundert professionelle Anlegerinnen und Anleger waren im Besitz der Anleihen. Laut Medienberichten hielt der grosse US-Vermögensverwalter Pimco CS-Papiere im Umfang von rund 800 Millionen Franken, der Fondsanbieter Invesco rund 300 Millionen Franken.
Es gibt aber auch Stimmen, die die Aufregung der Investoren nicht verstehen. So sagt Urs Birchler, früheres Mitglied des Direktoriums der Nationalbank, gegenüber dieser Zeitung: «Es entspricht genau den Spielregeln, die in den Bedingungen der Anleihen klar formuliert sind. Wer solche Papiere kauft, ohne das Kleingedruckte zu lesen, darf sich nicht beklagen.» (Lesen Sie hier das ganze Interview.)
«Es war von Anfang an klar: Klagen sind so sicher wie das Amen in der Kirche.»
Dass Anwaltskanzleien nun die Schweiz verklagen wollen, überrascht Finanzpolitiker im Bundeshaus nicht. «Es war von Anfang an klar: Klagen sind so sicher wie das Amen in der Kirche», sagt Nationalrat Hans-Peter Portmann (FDP), selber Banker und Vizepräsident des Zürcher Bankenverbandes. Dabei hätte es nach Einschätzung Portmanns vielleicht auch Alternativen zum Beschluss gegeben, die AT1-Anleihen im Umfang von 16 Milliarden Franken mit einem Federstrich wertlos zu machen. Man könnte sie vielleicht in Aktien umwandeln, so Portmann. «So würden die Obligationäre zwar viel Geld verlieren, aber eben nicht alles. Und sie würden nicht schlechtergestellt als die Aktionäre.»
Vom 11. bis zum 14. April wird eine Sondersession zur Übernahme der CS durch die UBS stattfinden. Theoretisch kann das Parlament alle Entscheide, die der Bundesrat nun per Notrecht beschlossen hat, rückgängig machen. Das Parlament müsse sicher prüfen, ob es Korrekturen brauche, auch in dieser Frage, sagt Portmann. (Mehr dazu: Heftige Kritik am Bundesrat, weil er die Credit Suisse mit Notrecht rettet.)
Das Vorgehen der Finma sorgt im Parlament teilweise für grosse Irritation. Mitte-Nationalrat Martin Landolt spricht von einem unverständlichen und besorgniserregenden Entscheid. «Das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in die Schweiz leidet extrem darunter, zumal Rechtssicherheit und Stabilität bisher zu den zentralen Erfolgsfaktoren unseres Landes gehörten.» Landolt versteht nicht, dass ausgerechnet diejenigen, die für die Finanzmarktstabilität verantwortlich sind, nun eine Vertrauenskrise aus der Welt schaffen wollen, «indem sie eine noch grössere Vertrauenskrise herbeiführen. Man hat damit den Vertrauensverlust der Credit Suisse zu einem Vertrauensverlust der Schweiz gemacht.»
«Entscheid nicht problematisch»
GLP-Nationalrat Roland Fischer verteidigt hingegen das Vorgehen des Bundes: «Gemäss einer ersten Einschätzung erachte ich den Entscheid des Bundesrats nicht als problematisch», sagt der Präsident der Finanzkommission. Die Anleihen sähen die Möglichkeit einer Änderung der Reihenfolge vor. Die Anleger hätten daher von diesem Risiko gewusst und dafür einen besseren Zins erhalten. «Ausserdem befand sich die CS faktisch in einer Insolvenzsituation», so Fischer.
Fischer sagt, eine Pleite wäre mit grosser Wahrscheinlichkeit eingetroffen, wenn die Behörden nicht eingegriffen hätten – und dann hätten die Anleihen auch ihren Wert verloren. «Die Situation kann deshalb nicht mit einer ‹ordentlichen› Übernahme verglichen werden», so der GLP-Politiker.
Klagen sind gegen die CS denkbar, doch auch gegen die Schweiz sind rechtliche Schritte möglich.
Anders sehen das viele Investoren. Am Mittwochnachmittag liessen sich Dutzende Anleger von der US-Anwaltskanzlei Quinn Emanuel, nach eigenen Angaben die grösste Wirtschaftskanzlei der Welt, über das Vorgehen beraten. Die Londoner Kanzlei Pallas lud gleichentags zu einer Telefonkonferenz. Dabei ging es um das Vorgehen des Bundesrats und der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, die laut Pallas «in letzter Minute ein Gesetz verabschiedet haben, das offenbar die Löschung der AT1-Forderungen vorsieht und die etablierte Forderungshierarchie auf den Kopf stellt». (Lesen Sie weiter: «Too big to fail» – wer das Scheitern kommen sah und wer wegschaute.)
Derzeit klären die Kanzleien, wie sie klagen können. Klagen seien gegen die CS denkbar, sie ist die Herausgeberin der Anleihen. Doch auch gegen die Schweiz seien rechtliche Schritte möglich. Zum Beispiel, weil die Vorlage, auf der die Nothilfe basiert, schon am Donnerstag angepasst wurde, das aber unter Verschluss blieb. Bekannt wurde die Anpassung erst am Sonntagabend. Die Finanzmarktaufsicht Finma nimmt bislang nicht zum Vorgang Stellung.
Laut der Kanzlei Pallas sind Verfahren in mehreren Ländern möglich. Wo geklagt werde, hänge davon ab, aus welchem Land die Investorinnen und Investoren stammten. Die Londoner Kanzlei und die Credit Suisse stehen sich in mehreren Verfahren gegenüber. Pallas vertritt auch Kläger im moçambiquanischen Thunfisch-Skandal oder Greensill-Investoren im Rechtsstreit mit der CS.
Das Aufrüsten der Anwaltskanzleien ist nicht der einzige mögliche Ärger in dieser Sache. Die US-Grossbank Goldman Sachs soll laut Medienberichten daran interessiert sein, Bestände der Anleihen aufzukaufen. Möglicherweise, um mit einer Klage gutes Geld zu machen.
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