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Interview mit SNB-Experte
«Jetzt, da der Ernstfall eintritt, ziehen die Behörden diese Instrumente nicht einmal ernsthaft in Betracht»

Der frühere Nationalbanker und Professor Urs Birchler fordert, dass die Bankenregulierung nun in Ruhe neu angeschaut wird. 
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Bei der forcierten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hätten die Behörden den Einsatz der «Too big to fail»-Instrumente nicht ernsthaft in Betracht gezogen, kritisiert Urs Birchler. Der emeritierte Professor für Banken- und Geldwesen an der Universität Zürich ist ein Kenner der Bankenregulierung. So war er lange Jahre auch Mitglied der Direktion der Nationalbank. 

Herr Birchler, was stört Sie an der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS am meisten?

Der grösste Skandal für mich ist, dass uns die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank versprochen haben, dass die «Too big to fail»-Regulierung die Wiederholung einer Bankenrettung mit Beteiligung der Eidgenossenschaft verhindert. Seit 2007 hat man sehr viel mehr Möglichkeiten zur Sanierung einer bedrohten Bank zur Verfügung.

«Offenkundig hat man dem ‹Too big to fail›-Regelwerk, das vorher stets als Lösung verkauft wurde, nicht getraut.»

Welche meinen Sie genau?

Insbesondere hat man auf die Pläne der Finanzinstitute vertraut, sich im Krisenfall aufteilen und so etwa die systemrelevanten Teile wie den Zahlungsverkehr und das Privat- und Firmenkundengeschäft abtrennen zu können. Jetzt, da der Ernstfall eintritt, ziehen die Behörden einen Einsatz dieser Instrumente nicht einmal ernsthaft in Betracht. Haben sie gewusst, dass diese nicht funktionieren, und gelogen? Oder haben sie naiv an etwas geglaubt, das im Notfall auf den ersten Blick nicht funktioniert? Diese Fragen stellen sich für mich.

Warum haben sich die Verantwortlichen nicht getraut, «Too big to fail» zu aktivieren und die Schweizer Einheit der Credit Suisse wie vorgesehen aus dem Konzern herauszulösen?

Offenkundig hat man dem Regelwerk, das man vorher – auch gegenüber den Stimmen, die höheres Eigenkapital für die Banken forderten – stets als Lösung verkauft hatte, nicht getraut. Ein naheliegender Verdacht ist, dass man Angst hatte vor ausländischen Reaktionen. Aber wenn tatsächlich eine Erpressung von aussen der Fall war, warum wurde das nicht öffentlich zugegeben? In Sachen Bankgeheimnis und der Holocaust-Gelder war das ja auch der Fall. Die EU setzt uns in der Frage der Integration mit Europa auch immer wieder kleinere und mittlere Messer auf die Brust. Warum sind Politiker und Behörden also nicht offen hingestanden und haben gesagt: Sorry, wir kommen bei den Vereinigten Staaten oder Grossbritannien im Fall der Credit Suisse nicht durch mit unserer «Too big to fail»-Regulierung.

Warum haben der Bundesrat und die Aufsicht eigentlich erneut zu Notrecht gegriffen?

Das geschnürte Paket enthält eine Reihe von Bestimmungen, die keine rechtliche Basis haben oder sogar gegen verschiedene Gesetze und die Verfassung verstossen. Dazu gehört die Übertragung der CS-Aktien auf die UBS ohne ein formelles Übernahmeangebot und die dafür nötige Zustimmung der Aktionärinnen und Aktionäre, aber auch die Garantie des Bundes für Verluste von 9 Milliarden Franken der UBS ohne parlamentarischen Prozess.

«Marktdisziplin haben wir eher zu wenig im Bankensektor.» 

Als einziger Teil der «Too big to fail»-Gesetzgebung wurden gewisse Anleihen im Wert von rund 16 Milliarden Franken abgeschrieben. Wieso?

Offenbar wurde das ausgelöst, um der sterbenden Credit Suisse und ihrer Erbin, der UBS, noch etwas Butter aufs Brot zu streichen. Dass Besitzerinnen und Besitzer von diesen Wandelanleihen verglichen mit Aktionärinnen und Aktionären härter behandelt werden, wirkt stilistisch nicht ganz optimal. Es entspricht aber genau den Spielregeln, die in den Bedingungen der Anleihen klar formuliert sind. Wer solche Papiere kauft, ohne das Kleingedruckte zu lesen, darf sich nicht beklagen. Und jenen Stimmen, die sagen, dass der Eingriff den Markt für solche Papiere kaputtmacht, muss ich entgegnen: Das ist Marktdisziplin. Von der haben wir eher zu wenig im Bankensektor.

Braucht es in Zukunft andere regulatorische Kennzahlen und Vorgaben, um systemrelevante Banken regulieren zu können?

Das wird man jetzt möglichst in Ruhe anschauen müssen. In erster Linie ist die Credit Suisse jedoch an den Fehlern ihres Managements gescheitert. Die dauernden Umstrukturierungen und die Orientierungslosigkeit, im Speziellen was ihre skandalanfällige Investmentbank anbelangt, dazu noch ein schludriges Risikomanagement haben die Bank über Jahre hin ausgeblutet.