Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Papablog: Umweltsünde Kindergeburtstag
Lost in … Geburtstagsgschenkli

Geburtstag ohne Geschenke? Gibts nicht. Doch eine Systemumstellung könnte die Materialschlacht reduzieren.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Alle Jahre wieder dieselbe Herausforderung: Es ist Juli und mein Sohn hat Geburtstag. Damit steht auch die dazugehörige Geschenkeflut ins Haus. Wie soll ich bloss damit umgehen? Wir könnten die Flut an Geschenken natürlich verhindern, indem wir das Geburtstagsfest einfach absagen. Die schweizerische Post würde zwar immer noch einen Jahresbedarf an süssen Kalorien von der näheren Verwandtschaft liefern, aber die Eltern der Gspändli würden sich zumindest nicht mehr unter Druck fühlen, in der Spielwarenabteilung ein Vermögen auszugeben.

Die Menge ist das Problem

Und damit wäre mein Hauptziel erreicht: weniger neue Spielsachen. Das Kinderzimmer meines Sohnes gleicht nämlich den Bildern des Meeres aus dem WWF-Heftli: Der Boden ist kaum zu sehen, weil an der Oberfläche unförmige Fetzen von Spielzeuganhäufungen treiben – insbesondere Einzelteile aus Überraschungseiern, Figuren von ehemaligen Brettspielen und Accessoires von Fasnachtsverkleidungen. Mein Fernziel ist es, diese Plastikoberfläche im Kinderzimmer «abzurahmen» und den Boden wieder sichtbar zu machen. Kindergeburtstage wirken diesem Ziel entgegen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe bisher jedes Geschenk für meinen Sohn geschätzt. Sie waren lustig, unterhaltsam und sie kamen von Herzen. Die Menge ist das Problem. Mein Sohn hat schlicht genug buntes Kinderunterhaltungsmaterial. Er braucht nichts Neues.

Geburtstagsfest absagen? Nicht nötig – um weniger «Abfall» zu produzieren, gibts weit weniger radikale Lösungen.

Das Geburtstagsfest einfach abzublasen, wäre hingegen doch etwas zu radikal. Es löst zwar das Problem, schüttet aber das Kindswohl mit dem Badewannenspielzeug aus. Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine Alternative vorschlagen. Mein Vorschlag: Die eingeladenen Kinder schenken jeweils etwas aus ihrem eigenen Arsenal weiter, und zwar vorzugsweise ihre alten, billigen Plastiksachen. Der Kauf von Geschenken ist hingegen verboten.

Ein Win-Win-Win-Win System für alle

Wenn wir alle gleichzeitig auf dieses System umstellen würden, so hätte das Vorteile für alle Seiten:

  1. Wenn Kinder etwas von ihren eigenen Schätzen weitergeben, so ist das ein wahres Geschenk. Für uns mag es nach «Schrott loswerden» aussehen, sie aber drücken damit Liebe aus – und zwar viel mehr, als wenn Eltern auf dem Heimweg von der Arbeit noch schnell was besorgen. Selbstwirksamkeit also, die glücklich macht.

  2. Für die beschenkten Kinder geht die Rechnung ebenfalls auf: Sie lieben ja normalerweise billiges Plastikzeugs. Es macht offensichtlich mehr Spass als das ein- bis zweifarbige Holzspielzeug, das bei uns Erwachsenen Assoziationen zur «Natur» weckt.

  3. Für die Eltern des schenkenden Kindes passt das System ohnehin. Statt mit ihrem Geld den Jahresgewinn des Franz Carl Webers und gleichzeitig den Materialismus der Gspändli ihres Kindes zu steigern, können sie sich damit vielleicht, hmm… eine Schachtel Truffes zum Znüni leisten. Oder noch besser: Sie unterstützen mit dem Geld Kinder, die weder Spielwaren noch Nahrung haben.

  4. Die Eltern des beschenkten Kindes sind ebenfalls glücklich: Wenn sich die Kinder wirklich daran halten, alte, billige Sachen weiter zu schenken, dann müssen sie die geschenkte Ware auch nicht ewig im Repertoire behalten. Nach einem Monat geht diese Art von Spielzeug erfahrungsgemäss sowieso kaputt. Und wenn es sich ausnahmsweise als beständiger erweisen sollte, so kann es guten Gewissens entsorgt werden. Damit wird dem System langfristig gleich viel Material entzogen, wie ihm durch Grosseltern – sowie durch schwache Momente von Eltern – zugeführt wird. Wenn die Geburtstagskinder im Umfeld meines Sohnes sozusagen als eine Art menschliche Brockis funktionieren, die jeweils im Abstand von einigen Wochen in unser Leben treten, so entsteht ein natürliches Gleichgewicht statt stetiges Wachstum.

Wir haben es also mit einem Win-Win-Win-Win-System zu tun. Allerdings kann ich das System nicht alleine umsetzen. Ich käme mir ja blöd vor, wenn mein Kind als einziges den alten Plastikschrott mitbringt, während alle anderen mit überdimensionierten, professionell verpackten Schachteln aus dem Fachgeschäft auftauchen. Aber wer weiss, vielleicht kann dieser Blogpost ja eine koordinierte Systemumstellung bewirken?

Könnten Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, also bitte darauf einigen, ab Mitternacht, 1. Juli 2021, nur noch die vorgeschlagene Methode anzuwenden? Ich wäre Ihnen dankbar.

Oder haben Sie einen anderen Vorschlag?