Slalom-Gold für Loïc MeillardEin kurzer, inniger Moment mit der Freundin – und dann der riesige Coup
Der Romand gewinnt das erste Schweizer Slalom-Gold seit 75 Jahren. Er sorgt damit für den perfekten Abschluss einer WM, die kaum hätte besser laufen können für das Team von Swiss-Ski.

Es ist ein kurzer, inniger Moment mitten im riesigen Trubel. Eine Umarmung über die Hürde einer Absperrung hinweg. Loïc Meillard herzt im Zielraum von Saalbach-Hinterglemm seine Lebensgefährtin Zoé Chastan, die auch Medienverantwortliche des Schweizer Skiverbandes ist. Dann geht sie ihren Weg, zurück zu den anderen Athleten – und er seinen, zurück Richtung weisse Manege, wo die Slalomfahrer einfahren, frenetisch empfangen von den Tausenden auf den Tribünen.
Meillard und Chastan führen seit Jahren eine Beziehung Seite an Seite – und im Winter eben doch oft aneinander vorbei. Meillard sagt es so: «Wir sehen uns oft, ohne uns wirklich zu sehen. Wir haben beide sehr viel zu tun und sind im Frühling jeweils froh, wenn wir mehr Zeit haben füreinander.»
Erst aber ist noch Winter. Und was für ein Winter das ist für das Schweizer Skiteam. Natürlich passt auch der Abschluss dieser WM perfekt dazu: Meillard steht nun in diesem Ziel von Saalbach und schaut gebannt auf die Leinwand. Dort sieht er den letzten Athleten starten, der ihm den riesigen Coup noch vermiesen kann. Clément Noël fährt langsamer los als er, und dann, bei einem Linksschwung, fädelt der gross gewachsene Franzose ein.
Meillard fasst sich an den Helm, lächelt gleich danach in den Nachmittagshimmel, kniet sich hin und klatscht schliesslich mit Atle Lie McGrath und Linus Strasser ab, dem Norweger und dem Deutschen, die ihn aufs Podest begleiten. Dort stehen sie links und rechts von ihm, Meillard in der Mitte, als Sieger dieses letzten WM-Rennens, als Slalomweltmeister.

Bei der Siegerehrung fliessen keine Tränen, es würde irgendwie auch nicht passen zum 28-Jährigen, der immer so beherrscht wirkt, die Emotionen aber sind in seinen Augen dennoch abzulesen, immer wieder macht er sie für mehrere Sekunden zu.
Meillard schliesst geradezu überragende Titelkämpfe für die Schweiz mit der fünften Goldmedaille ab, mit dem 13. Podestplatz, erfolgreicher war in der 94-jährigen WM-Geschichte nur die Wunderdelegation von 1987 in Crans-Montana um Pirmin Zurbriggen, Peter Müller, Maria Walliser, Erika Hess und Vreni Schneider.
Gold – 75 Jahre nach Georges Schneider
Es passt so gut zu diesen zwei Wochen im Salzburgerland, dass auch Meillard am letzten Wettkampftag Sporthistorisches schafft: Er wird direkter Nachfolger von Georges Schneider, der 1950 in Aspen letzter Schweizer Slalomweltmeister wurde. Es war in einer anderen Epoche, in einer anderen Zeitmessung. Seither gab es noch ganze drei Medaillen zu bejubeln für die Schweizer in dieser Disziplin, letztmals Silber durch Silvan Zurbriggen 2003 in St. Moritz.
Und jetzt also steht Meillard ganz oben, er, der in all den letzten Jahren so fantastisch und traumwandlerisch sicher Ski gefahren ist – und irgendwie doch immer im Schatten anderer stand. Allen voran in jenem von Marco Odermatt. Mal für Mal schnappte ihm der Nidwaldner den Sieg weg. Zuletzt Mitte Januar in Adelboden, wo Meillard zur Halbzeit führte – und sich dann mit Rang 2 begnügen musste. Dass Odermatt hinterher sagte, er habe fast ein wenig ein schlechtes Gewissen, dürfte Meillard nur noch mehr angestachelt haben.
In Saalbach geht alles auf für den Bruder von Slalom-Ass Mélanie Meillard. Nicht nur an diesem Sonntag, überhaupt in dieser eng getakteten zweiten Wettkampfwoche. Am Mittwoch holt er zusammen mit Abfahrts-Shootingstar Franjo von Allmen Gold in der Teamkombination, am Freitag gibt es im Riesenslalom Bronze hinter Raphael Haaser und Teamkollege Thomas Tumler. Und jetzt also noch Gold in der Sparte, in der gleich ein Dutzend Athleten infrage kommen für die Medaillen.
Meillard fasst seine Hatz von Podest zu Podest so zusammen: «An einer WM zählt nur die Medaille. Ich habe in jedem Rennen eine geholt, das ist einfach genial – und ziemlich perfekt.» Slalomgold sei «richtig schön, ein Traum, der in Erfüllung geht». Und: Es ist alles andere als selbstverständlich.
Die Rückenprobleme zum Saisonstart
Meillard hat zu Beginn des Winters mit Rückenproblemen zu kämpfen, beim Einfahren für den Saisonauftakt in Sölden erwischt er einen Schlag und verzichtet auf das Rennen. Die Untersuchungen ergeben einen Riss in der Hülle einer Bandscheibe. Es ist eine schmerzhafte und mitunter langwierige Verletzung. Meillard startet im Slalom dennoch solid in die Saison, im Riesenslalom allerdings sehr zaghaft.
Odermatt, der seinen Landsmann als ersten Gegner im Kampf um den Gesamtweltcup ausgemacht hat, sagt im Dezember: «Eigentlich nannte ich ja immer Loïc als grössten Konkurrenten, aber der hat jetzt ähnliche Schwierigkeiten im Riesenslalom wie ich.» Jüngst hat sich Meillard auch in dieser Disziplin gesteigert – bis zu WM-Bronze. Und in der Gesamtwertung ist er auch schon wieder Dritter, nur knapp hinter Henrik Kristoffersen.
Eine kontroverse Entscheidung scheint damit im Rückblick wortwörtlich goldrichtig gewesen zu sein: 2022 plädierten die Trainer dafür, dass sich Meillard aus dem starken Riesenslalomteam um Odermatt, Tumler und Gino Caviezel verabschiedet und sich den Slalom-Assen um Daniel Yule und Marc Rochat anschliesst. Meillard sagte damals: «Der Wechsel tut weh. Das Riesenslalomteam ist für mich wie eine Familie.» Der Eindruck damals: Man wollte Meillard auch von Odermatt lösen, an dem er sich manchmal fast schon aufzureiben schien. Doch egal, was zu dieser Massnahme führte: Es fruchtet nun, gerade in dieser meillardschen Traumwoche.
Meillard kam dabei entgegen, dass er nach dem letzten Rennen, dem Slalom in Schladming Ende Januar, eine Wettkampfpause von zwei Wochen hatte. «Ich hatte Ruhe, konnte mich gut erholen und erlebte wieder Trainingstage, die mir Spass machten. Es half, um hier an den Start zu gehen und es einfach zu geniessen», sagt er. Am Mittwoch, beim Gold in der Teamkombination, habe er gar nicht richtig gemerkt, dass er einen Titel gewonnen habe, sagt Meillard, der nun schon sechsmal auf dem Podest eines WM-Rennens stand. «Es waren so viele Schweizer um mich, das war das Schönste an diesem Tag.» Es gab einen Dreifachsieg, sechs Medaillen also. Nun ist Meillard selbst doppelter Goldjunge und sagt: «Es wird schwierig, diese WM zu toppen. Es ist einfach nur genial, Teil dieses Teams zu sein.»
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Der Ticker zum Nachlesen:
Loïc Meillard im Interview
Der Weltmeister sagt: «Es ist ein Traum, der in Erfüllung geht. Zweimal Gold, einmal Bronze – die letzten zehn Tage liefen ziemlich perfekt. Zwei-, dreimal dachte ich während der Fahrt, dass ich womöglich etwas Zeit verloren habe. Aber es ist gut gekommen. Diese WM werden wir so schnell nicht vergessen, vielleicht gibt es so etwas ja gar nie mehr.»
Die weiteren Schweizer
Tanguy Nef reicht es für Platz 9, Marc Rochat wird 16. Ausgeschieden ist Daniel Yule.
Schweizer Festspiele
13 Medaillen hat die Schweiz in Saalbach gewonnen: Fünfmal Gold, fünfmal Silber und dreimal Bronze. Erfolgreicher waren nur die Titelkämpfe 1987 daheim in Crans-Montana (14).
Historischer Erfolg
Letztmals holte ein Schweizer vor 75 Jahren WM-Gold im Slalom. 1950 in Aspen triumphierte Georges Schneider. Schon nur eine Medaille im Stangenwald ist aus helvetischer Sicht sehr selten, letztmals schaffte das Silvan Zurbriggen 2003 in St. Moritz (Silber).
Loïc Meillards Triumph
Was für ein Rennen von Meillard! Er siegt mit 26 Hundertstel vor Atle Lie McGrath aus Norwegen, Bronze holt der Deutsche Linus Strasser. Für Meillard handelt es sich um den grössten Erfolg in seiner Karriere. Er ist die grosse Figur in Saalbach mit drei Medaillen (zweimal Gold, einmal Bronze).
1. – Clément Noël
Schon wieder Gold für die Schweiz! Clément Noël fädelt im Zielhang ein. Meillard ist Weltmeister im Slalom!
2. – Loïc Meillard
Und schon wieder gibt es eine Schweizer Medaille! Meillard übernimmt die Spitze! 26 Hundertstel liegt er vor McGrath, er hat seine dritte Medaille auf sicher. Reicht es gar zum ersten Schweizer WM-Titel im Slalom seit 1950?
3. – Atle Lie McGrath
McGrath hat die Medaille auf sicher. Im letzten Sektor macht er vier Zehntel gut und lässt Strasser hinter sich. Er jubelt ausgelassen und legt sich in den Schnee. Norwegen hat also eine Medaille. Nun folgt Meillard.
4. – Timon Haugan
Im Riesenslalom fiel Haugan nach Halbzeitführung in der Entscheidung noch auf Platz 7 zurück. Seine beste Disziplin aber ist der Slalom, aber erneut gibt es einen Rückfall. Der Norweger ist «nur» Dritter.
5. – Linus Strasser
Eine halbe Sekunde Vorsprung hat der Deutsche am Start, er rettet 27 Hundertstel ins Ziel. Strasser jubelt ausgelassen, die österreichischen Fans im Ziel sind weniger euphorisch. Reicht das Strasser doch noch zur Medaille? Deutschland hat noch kein Edelmetall geholt an diesen Titelkämpfen.
6. – Manuel Feller
Manuel Feller muss es nun richten für die Skination Österreich. Mit 72 Hundertsteln Vorsprung übernimmt er die Spitze, es ist immerhin die drittbeste Laufzeit. Vor allem im letzten Sektor war der Routinier enorm schnell. War das der Angriff Richtung Medaille?
7. – Tanguy Nef
Das wird nichts mit der grossen Aufholjagd. Nef verliert zwar nur 18 Hundertstel, das reicht aber bloss für Rang 4. Alles in allem war fast ein wenig zu «brav» unterwegs. Mit Silber in der Team-Kombination gemeinsam mit Alexis Monney verlässt er Saalbach aber nicht mit leeren Händen.
8. – Steven Amiez
Dem Franzosen könnte die Zukunft im Slalom gehören, sein Schwung ist erstaunlich schnell. Noch aber mangelt es Amiez an Konstanz. Nun scheint er etwas gar hart auf den Ski zu stehen, holt aber im letzten Sektor noch fast eine halbe Sekunde auf. Es reicht für Platz hinter Ryding, mit nur fünf Hundertsteln Rückstand.
9. – Fabio Gstrein
In Schladming, dem letzten Rennen vor der WM, schaffte er es erstmals überhaupt aufs Podest. Nun kann aber auch der Österreicher nicht mit Leader Ryding mithalten, er fällt auch hinter seinen Landsmann Raschner zurück – Platz 4.
10. – Lucas Pinheiro Braathen
Der Brasilianer ist leicht erkältet, es ist gewiss ein Handicap in solch einem langen Slalom-Lauf. Braathen verdrängt Kristoffersen von Platz 5, aber auch für ihn endet das Rennen enttäuschend.
11. – Henrik Kristoffersen
Nichts wird es mit der Titelverteidigung: Kristoffersen kämpft, aber es funktioniert überhaupt nichts beim Norweger. Nach der Enttäuschung im Riesenslalom läuft es dem Führenden im Slalom-Weltcup auch in seiner stärksten Disziplin nicht besser. Es reicht nur für Zwischenrang 5.
12. – Daniel Yule
Das darf nicht wahr sein: Wie in der Team-Kombination scheidet Yule nun auch im Slalom aus. Es ist eine WM zum Vergessen für den Walliser.
13. – Dave Ryding
Wie Stefano Gross ist auch Dave Ryding bereits 38-jährig. Er war sogar schon 2009 an der WM in Val-d’Isère am Start. Und der Brite übernimmt die Spitze, er rettet eine Zehntel Vorsprung ins Ziel. Da applaudiert im Ziel sogar Franz Klammer.
14. – Stefano Gross
Der routinierte Italiener war schon 2011 in Garmisch-Partenkirchen an der WM dabei. Mittlerweile 38, gehört er immer noch zur erweiterten Weltspitze. Aber der zweite Lauf ist ein Dämpfer, vor allem der letzte Sektor. Gross fällt auf Platz 9 zurück.
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