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Umweltbelastung in der Landwirtschaft
Bauern setzen weniger Gülle ein – so gelangt weniger Stickstoff in die Umwelt

Ein Landwirt duengt ohne Verteiler sein Feld, am Samstag, 1. Juni 2013, in Igis im Churer Rheintal. (KEYSTONE/Arno Balzarini)

Es ist eine Frage der Menge. Massvoll eingesetzt, ist Dünger sinnvoll: Pflanzen können besser wachsen, die Ernteerträge steigen. Wenn aber zu viel Dünger oder Kraftfutter verwendet werden, gelangen an vielen Orten deutlich mehr Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor auf die Felder, als die Natur verkraften kann.

Nach Höchstständen in den 1980er-Jahren sanken die Überschüsse, darauf folgte jedoch eine Phase der Stagnation. Bei Phosphor verharren die Überschüsse seit vielen Jahren bei etwa 5000 Tonnen pro Jahr, beim Stickstoff bei circa 95’000 Tonnen.

Nun aber zeigen neue Messungen: Die Überschüsse haben abgenommen. Oder anders ausgedrückt: Dem landwirtschaftlichen System sind im Mittel der Jahre 2019 bis 2021 nicht mehr so viel Stickstoff und Phosphor verloren gegangen. Die Reduktion beträgt seit der Periode 2014/16 je rund 10 Prozent, wie Agroscope am Dienstag bekannt gegeben hat.

Die landwirtschaftliche Forschungsanstalt des Bundes erstellt seit 1993 eine nationale Nährstoffbilanz, die ausweist, wie sich die Verluste über mehrere Jahrzehnte entwickeln.

Zum einen haben die Bauern weniger Futtermittel importiert, zum anderen haben sie weniger Mineraldünger verwendet.

Für die Abnahme nennt Agroscope zwei Hauptgründe: Zum einen haben die Bauern weniger Futtermittel importiert, zum anderen haben sie weniger Mineraldünger verwendet. «Das sind sehr gute Neuigkeiten», sagte Agroscope-Leiterin Eva Reinhard an einem Mediengespräch.

Doch es gibt ein Aber, wie Reinhard betonte: Noch ist nicht klar, ob der Trend anhält. Aufgrund der teilweise starken Jahresschwankungen wird man erst in einigen Jahren sehen, ob es sich um eine stabile Entwicklung handelt. Zudem muss sich die Abnahme verstärken, um die von der Politik vorgegebenen Ziele zu erreichen. «Die Herausforderungen für die Betriebe bleiben gross», resümierte Gabriele Schachmayr, Vizedirektorin des Bundesamts für Landwirtschaft. Der Bund will die Landwirte dabei unterstützen, unter anderem mit Merkblättern, die aufzeigen, wie Stickstoff und Phosphor möglichst effizient eingesetzt und so Verluste vermindert werden.

Ritter ist zuversichtlich

Der Befund von Agroscope löst in Bauernkreisen Freude aus. «Die positive Entwicklung zeigt, dass die Schweizer Landwirtschaft ihre Hausaufgaben macht», sagt Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands. Ritter geht davon aus, dass sich der Trend fortsetzt.

Der Mitte-Nationalrat verweist auf den vom Parlament beschlossenen Absenkpfad für Nährstoffe. Dieser entfalte «seine Wirkung ja erst». Dazu gehört etwa, dass der Schleppschlauch obligatorisch wird. Auch müssen die Betriebe künftig eine ausgeglichene Nährstoffbilanz ausweisen, der bislang goutierte Fehlerbereich von plus 10 Prozent fällt weg.

Es gibt aber auch mahnende Stimmen. «Wichtig ist, dass die Reduktionsziele jetzt nicht verwässert werden», sagt Grünen-Nationalrat Kilian Baumann, der die Kleinbauern-Vereinigung präsidiert.

Bundesrat schwächt Ziel ab

Rückblende. Vor zwei Jahren kamen die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative zur Abstimmung. Beide Volksbegehren ablehnen, im Gegenzug die Regeln für den Dünger- und Pestizideinsatz verschärfen: So lautete das – vom Stimmvolk später goutierte – Gegenangebot von Bundesrat und Parlament.

Der Bundesrat schlug in der Folge eine Reduktionsvorgabe vor: minus 20 Prozent bei Phosphor und Stickstoff bis 2030. Doch letztes Jahr hiess das Parlament eine Motion von FDP-Ständerätin Johanna Gapany gut, die eine Abschwächung des Ziels verlangte; dieses sei sonst nicht erreichbar. Der Bundesrat reagierte. Anfang November entschied er, beim Stickstoff die Vorgabe auf minus 15 Prozent zu senken, beim Phosphor beliess er es beim 20-Prozent-Ziel.

Grünen-Politiker Baumann sieht keinen Grund, die Ambitionen wie vom Parlament verlangt zu senken. Mitte-Politiker Markus Ritter dagegen sagt: «Wir möchten gern das Ziel von 15 Prozent erreichen und wenn möglich sogar übertreffen.» Dies sei motivierender für die Branche als Ziele, die so hoch angesetzt seien, dass sie kaum zu erreichen seien. «Die Kritik folgt dann jeweils umgehend.»

Herrens Initiative läuft gut an

Ritters Einschätzung ist umstritten. Franziska Herren, Urheberin der Trinkwasserinitiative, weist darauf hin, dass 16 Millionen Nutztiere in der Schweiz leben würden und die Hälfte davon mit Importfutter ernährt werde. Der Befund von Agroscope zeigt für sie: «Die Reduktion von Importfutter ist der grösste Hebel, um die Überdüngung der Schweiz mit Stickstoff und Phosphor in den Griff zu bekommen.» Denn damit sinke auch der Nutztierbestand auf ein verträgliches Niveau. «Doch gerade der Abbau der Nutztierbestände auf die Tragfähigkeit unsere Ökosysteme wird politisch verhindert.»

Herren will deshalb mit einer neuen Volksinitiative, der sogenannten Ernährungsinitiative, den Anbau von Pflanzenproteinen zulasten der Fleisch- und Milchproduktion stärken und so die Umweltbelastung der Landwirtschaft senken. Mitte Juni begann die Sammelfrist von achtzehn Monaten zu laufen. Bis Ende Jahr, sagt Herren, sollte die Hälfte der erforderlichen 100’000 gültigen Unterschriften beisammen sein. «Wir kommen gut voran.»