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Antwort auf Volksinitiativen
Wie das Parlament das Pestizid-Problem lösen will

Den Einsatz von Pestiziden reduzieren: Das wollen alle – doch wie stark und wie, ist umstritten.

Das Stimmvolk befindet im nächsten Juni über zwei Volksinitiativen, die den Einsatz von Pestiziden einschränken respektive ganz verbieten wollen. Einen offiziellen Gegenvorschlag zu den beiden Volksbegehren gibt es nicht, allerdings eine Art inoffiziellen – in Form einer parlamentarischen Initiative, die aus der Feder der ständerätlichen Wirtschaftskommission stammt. Die kleine Kammer hat darüber schon entschieden, am Mittwoch ist der Nationalrat am Zug.

Was will der Gegenvorschlag?

Erklärtes Ziel ist es, die Risiken beim Einsatz von Pestiziden zu senken, und zwar nicht nur im Grundwasser, sondern auch in Bächen, Flüssen und Seen sowie in Landwirtschaftskulturen. Bis 2027 soll es gelingen, die Bedrohung um 50 Prozent zu reduzieren, dies im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 2012 bis 2015. Die geplante Absenkung soll gesetzlich verankert und damit verpflichtend werden. Der Ständerat hat der Neuerung bereits zugestimmt, der Nationalrat dürfte in diesem Punkt nachziehen.

Wird das Trinkwasser besser geschützt?

Der Bund soll bei Pestiziden schneller als bis anhin überprüfen müssen, ob ihr Einsatz unter ökologischen Gesichtspunkten weiterhin verantwortbar ist. Konkret: Er muss die Zulassung des Wirkstoffs überprüfen, sobald in Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen oder dafür vorgesehen sind, der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Pestizide oder neu auch für alle ihre Abbauprodukte «wiederholt und verbreitet» überschritten wird.

Der Ständerat unterstützt diese Verschärfung. Die vorberatende Kommission des Nationalrats indes will die Regelung nur für Pestizide und ihre sogenannt relevanten Abbauprodukte, also die potenziell gesundheitsschädlichen. Nicht gelten soll der Passus aber für alle «nicht relevanten» Abbauprodukte – jene also, die nach aktuellem Wissensstand für Mensch und Tier nicht gesundheitsgefährdend sind. Eine links-grüne Minderheit will diese Aufweichung – gleich wie der Ständerat – nicht. Umstritten ist zudem jener Passus, gemäss dem der Bundesrat für eine «begrenzte Zeit» vom Entzug der Zulassung eines Pestizids absehen könnte, wenn andernfalls die Inlandversorgung durch wichtige landwirtschaftliche Kulturen «stark beeinträchtigt» würde.

Und was ist mit dem Grundwasser?

Die gleiche politische Konfliktlinie wie beim Trinkwasser gibt es auch beim Schutz jener Gebiete, aus denen der grösste Teil jenes Grundwassers stammt, das als Trinkwasser genutzt wird. In diesen sogenannten Zuströmbereichen dürfen nur noch jene Pestizide und all ihre Abbauprodukte eingesetzt werden, die im Grundwasser die Konzentration von 0,1 Mikrogramm pro Liter nicht übersteigen. So wollen es der Ständerat und die links-grüne Minderheit der vorberatenden Kommission des Nationalrats. Die Regel soll auch hier für die relevanten und neu auch nicht relevanten Abbauprodukte gelten. Die bürgerliche Kommissionsmehrheit will die nicht relevanten Abbauprodukte allerdings ausklammern.

Was wollen die beiden Initiativen?

Die Trinkwasserinitiative will nur noch jenen Bauern Direktzahlungen gewähren, die auf den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika verzichten und zudem ihre Tiere mit «dem auf dem Betrieb produzierten» Futter ernähren können. Die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» verlangt, dass der Einsatz von synthetischen Pestiziden verboten wird. Sie verlangt aber auch einen Importstopp für Lebensmittel, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind.

Wer hat die besseren Karten?

Bundesrat und Parlament lehnen beide Volksbegehren ab. Ob das Stimmvolk dies im Lichte des skizzierten informellen Gegenvorschlags auch tun wird, ist offen. Umfragen bescheinigen den beiden Initiativen bis jetzt Zustimmungswerte deutlich über 50 Prozent – was in diesem frühen Stadium der Meinungsbildung allerdings nicht ungewöhnlich ist.

Unklar ist auch, welche Folgen die geplante Verschiebung der neuen Agrarpolitik ab 2022 hat. Diese enthält nämlich ebenfalls Massnahmen im Pestizidbereich. So etwa sollen im ökologischen Leistungsnachweise Pestizide mit erhöhtem Umweltrisiko künftig nicht mehr zugelassen werden. Der Ständerat entscheidet am 14. Dezember darüber, ob die Arbeiten an der Vorlage sistiert werden sollen. Er würde damit seiner vorberatenden Kommission folgen. Diese kritisiert, der Vorlage fehle der ganzheitliche Ansatz. Kritiker sehen darin jedoch nur den Versuch, Zeit zu schinden: Wird die Vorlage auf Eis gelegt, befindet das Stimmvolk in gut einem halben Jahr über die beiden Volksinitiativen, ohne den genauen Inhalt der AP22+ zu kennen – und damit auch nicht etwaige weitere Instrumente im Anti-Pestizid-Kampf.

Geht es um mehr als Pestizide?

Ja. Der inoffizielle Gegenvorschlag des Parlaments setzt auch beim Stickstoff und beim Phosphor an, zwei wichtigen Bestandteilen von Dünger. Massvoll eingesetzt, ist Dünger sinnvoll. Durch seinen Einsatz können Pflanzen besser wachsen, die Ernteerträge steigen. Allerdings werden wegen hoher Tierbestände und Importdünger teils deutlich mehr Nährstoffe, also Stickstoff und Phosphor, ausgetragen, als die Landwirtschaftsflächen aufnehmen können. Diese Überschüsse sind ökologisch problematisch, landen sie doch in der Umwelt – im Wasser, in der Atmosphäre oder im Boden. Dort schaden sie beispielsweise der Biodiversität und den Wäldern.

Der Ständerat will diese sogenannte Nährstoffverluste bis 2030 im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 2014 bis 2016 «angemessen» reduzieren. Über die konkreten Reduktionsziele soll der Bundesrat nach Anhörung der Branchenorganisationen entscheiden. Die vorberatende Kommission des Nationalrats unterstützt diesen Vorschlag. Eine links-grüne Minderheit verlangt jedoch einen klar definierten Absenkpfad: bis 2025 minus 10 Prozent, bis 2030 minus 20 Prozent. Im Gegensatz dazu beantragt eine Minderheit der bäuerlichen Vertreter in der Kommission, den gesamten Nährstoff-Absenkpfad zu streichen. Bauernvertreter wenden ein, die geplante Absenkung bedeute faktisch eine Reduktion von Nutztieren in der Schweiz und damit einen tieferen Selbstversorgungsgrad in unserem Land.

Sind die Güllen-Regeln verbindlich?

Nach dem Willen der links-grünen Minderheit sollen die betroffenen Branchen, also unter anderem die Bauern, in jedem Fall Massnahmen gegen die Güllenschwemme ergreifen und dem Bund darüber Bericht erstatten, das erste Mal bis spätestens Ende 2023. Demgegenüber will die bürgerliche Mehrheit eine «Kann»-Formulierung ins Gesetz schreiben. Weitere Massnahmen sieht sie nicht vor. Anders die links-grüne Minderheit: Ihr gemäss soll der Bundesrat 2025 alle «erforderlichen Massnahmen» treffen, um die Absenkung um 20 Prozent sicherzustellen, sollte sich bis dahin zeigen, dass die betroffenen Branchen nichts oder zu wenig unternehmen.

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