Krisenmanagement auf HawaiiBiden erinnert sich an sein Einfühlungsvermögen
Joe Biden pflegt einen Ruf als empathischer Politiker. Dem wurde er während der Brände auf Hawaii nicht gerecht. Nun hat er Lahaina besucht – oder das, was von der Stadt übrig ist.

Es grenzt an ein Wunder, dass der riesige Banyan-Baum noch steht, neben den sich Joe Biden am Montag in Lahaina stellte. Ausnahmsweise verzichtete der US-Präsident für einmal auf jeden Witz über sein Alter, obwohl sich ein Vergleich mit dem 150 Jahre alten Wahrzeichen der hawaiianischen Königsstadt beinahe aufgedrängt hatte. Dieses ragt nun in gespenstischer Umgebung in den Himmel. Beinahe die ganze Stadt an der Westküste Mauis wurde am 8. August von einem Wildfeuer zerstört, mindestens 114 Menschen sind tot, mehr als 800 gelten als vermisst.
Nur der Baum, der befindet sich immer noch dort, wo er 1873 gepflanzt wurde, zur Feier der Ankunft protestantischer Missionare, zur Feier der Ankunft der ersten protestantischen Missionare 50 Jahre zuvor. «Er ist verbrannt, aber er steht noch», sagte Biden. «Der Baum hat aus einem Grund überlebt. Er ist ein mächtiges Symbol für das, was wir tun werden, um durch diese Krise zu kommen.» Das war der US-Präsident im Katastrophenmodus, der rettet, tröstet, alle erdenkliche Hilfe verspricht, eine Rolle als Landesvater, die Joe Biden geflissentlich pflegt. Tote Soldaten, Schiessereien, Morde: Stets wählt Biden die passende Reaktion, schüttelt Hände, umarmt, fühlt mit.
Biden am Strand: «No comment»
Nach der Feuerwalze von Lahaina ist das Biden für einmal nicht gelungen. Geblieben ist ein anderes Bild: jenes eines Präsidenten, der in seinem Strandstuhl in Rehoboth sitzt und «no comment» sagt, wenn er nach dem verheerenden Brand gefragt wird, der sich vom Schicksal der Menschen in der zerstörten Prachtsstadt auf der fernen Insel Hawaii nicht den Urlaub an der noblen Ostküste vermiesen lässt. Das war fünf Tage nach dem Brand, was nicht nur Republikaner zu scharfen Kommentaren verleitete.
Nun ist Biden zwei Wochen nach der Katastrophe nach Hawaii geflogen, um die Kritik an seinem Krisenmanagement zu zerstreuen. Nicht dass er damit allein wäre: Katastrophenbewältigung geht an wenigen US-Präsidenten schadlos vorbei. Donald Trump etwa hielt es für eine gute Idee, Hurrikan-Opfern in Puerto Rico gönnerhaft Papierrollen zuzuwerfen. Danach konnte seine Covid-Politik eigentlich nicht mehr überraschen. Und George W. Bush guckte aus sicherer Distanz vom Flugzeug hinunter auf das Chaos nach Hurrikan Katrina, das schwere Mängel bei der Katastrophenreaktion offenbarte.
Bidens Führungsqualitäten und seine Präsenz in Notlagen stehen unter besonders kritischer Beobachtung.
Einen besonders wunden Punkt trifft die Kritik bei Biden. Die Amerikaner erwarten im Weissen Haus einen starken und reaktionsfähigen Anführer. Der Demokrat hat zwar bisher bewiesen, dass er der Aktualität gewachsen ist. Aber wegen seines fortgeschrittenen Alters – zum Zeitpunkt der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr wird er beinahe 82 Jahre alt sein – sind seine Führungsqualitäten und seine Präsenz in Notlagen unter besonders kritischer Beobachtung.
Und diesmal hat Biden Fehler begangen. Wohl hat er umgehend Bundeshilfe zugesagt, als die von Hawaii verlangt wurde. Doch der Präsident hat sich viel Zeit gelassen, bis er sich öffentlich zu der landesweit schlimmsten Feuerkatastrophe seit Jahren äusserte. Das Weisse Haus begründete die Frist bis zu dem Besuch damit, Biden habe die Rettungsarbeiten nicht behindern wollen.

Nun aber hat Biden doch noch einen anderen Urlaub unterbrochen – die vergangenen Tage verbrachte er mit der Familie in einer Sommervilla am Lake Tahoe in den Bergen von Nevada –, um nach Hawaii zu fliegen. Und so stand er mit der First Lady nach einem Rundgang durch verkohlte Strassenzüge neben dem angeschwärzten Banyan und drückte sein Mitgefühl aus für diese «überwältigende Zerstörung». Biden wäre nicht Biden, hätte er nicht den Vergleich zu seinem eigenen Schicksal gezogen, zum Verlust seiner ersten Frau und der Tochter 1972, dazu, wie er sich aufraffte und neuen Mut schöpfte. Dabei wirkte er souveräner als beim Versuch, herunterzurattern, wie viele Hilfsmittel die Katastrophenschutzbehörde bereits geschickt hätten: 50’000 Mahlzeiten und 75’000 Liter Wasser, 1000 Bundesbeamte seien jetzt im Einsatz auf den Inseln.
Der 150 Jahre alte Baum wird umsorgt
Zu Tränen gerührt bedankte sich Hawaiis Gouverneur Josh Green für Bidens Besuch. Auch seine Behörden müssen sich Kritik gefallen lassen. Bereits den Posten räumen musste der Chef der Katastrophenschutzbehörde von Hawaii, weil er die Warnsirenen nicht in Betrieb setzen liess, als die Feuerwalze auf die Stadt zuraste.
Auch ob der Banyan-Baum wirklich durchkommt, ist nicht sicher. Die aus Indien stammende Pflanze ist nicht darauf angepasst, Wildfeuern zu widerstehen, ihre Rinde ist relativ dünn. Doch sei im Banyan von Lahaina noch Leben zu erkennen, berichteten Fachleute. Nun wird der Baum sorgfältig bewässert, um ihn über die Runden zu bringen.
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