Verheerende Brände auf HawaiiNatur-Phänomen hat verheerende Feuerwalze auf Maui begünstigt
Innerhalb weniger Stunden zerstörte der Brand eine Stadt, über 2000 Häuser brannten ab, mehr als 90 Menschen kamen ums Leben. Ursache ist laut Experten eine verheerender «Gras-Feuer-Zyklus».
Viele Strassenzüge in Lahaina sind komplett abgebrannt. Innerhalb weniger Stunden wurde die Kleinstadt auf Maui von einer Feuerwalze überrollt. 96 Todesopfer, über 2000 verwüstete Gebäude – die Feuer auf der hawaiianischen Insel sind laut US-Medien die schlimmsten in der Geschichte der USA seit mindestens 100 Jahren. Und während die Feuerwehr die letzten Brandherde auf der Insel löscht und sich Hunderte Betroffene in Notunterkünften in Schulen und Krankenhäusern einrichten, läuft die Debatte darüber heiss, ob die Behörden nicht deutlich besser auf das Unglück hätten reagieren können. Und wer oder was die Brände verursacht hat.

Einen Schuldigen für die verheerenden Feuer haben Waldbrandexperten längst ausgemacht: Es sind nicht heimische Gräser – viele davon auf ehemaligen Zuckerrohrplantagen, die von Grossgrundbesitzern seit den Neunzigerjahren unbewirtschaftet gelassen wurden. «Wir befinden uns in der Post-Plantagen-Ära» schreibt Clay Trauernicht auf X, das früher als Twitter bekannt war.
Schon als der Westen von Maui im Jahr 2018 von einer Reihe von Bränden heimgesucht wurde, die 21 Häuser zerstörten, schrieb Trauernicht, gemäss «New York Times» einer der bekanntesten Waldbrand-Experten Hawaiis, in einem Brief an «Maui News», dass die Insel einer Gefahr ausgesetzt sei, gegen die es nur ein einziges Mittel gebe. «Der Zunder – all das Gras – es ist das Einzige, was wir direkt ändern können, um das Brandrisiko zu verringern», schrieb er.
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2016 schloss die letzte Zuckerrohrplantage auf Maui. Es war das Ende einer Ära, in der Zucker die Wirtschaft der Inselgruppe beherrschte. Sie lockte Arbeitsmigranten aus aller Welt an und prägte Hawaii fast 200 Jahre lang. Heute dominiert der Tourismus. Die Pflanze, die Hawaii einst Reichtum gebracht hatte, ging. Und sie machte Platz für eine weitere grosse Veränderung: Pflanzen wie Guineagras, Melassegras und Büffelgras, die ursprünglich aus Afrika stammen und als Viehfutter nach Hawaii eingeführt wurden, eroberten die brachliegenden, Tausende Hektar grossen Plantagen. Das Gras machte an deren Grenzen nicht halt: Inzwischen nimmt es fast ein Viertel der Landmasse Hawaiis ein.
Gras wächst 15 Zentimeter am Tag
Die invasiven Gräser, die bei Regen schnell wachsen und Trockenheit problemlos überleben, heizen die Waldbrände an. «Sie sind sehr aggressiv und leicht entflammbar», sagt Melissa Chimera. «Das ist ein Rezept für Brände, die viel grösser und zerstörerischer sind als das, was wir bisher kennen» sagt Chimera in der «New York Times». Sie koordiniert den Pacific Fire Exchange, ein auf Hawaii angesiedeltes Projekt, bei dem die Regierungen der Pazifikinseln ihre Kenntnisse über Brände austauschen.

Feuerspezialisten nenne es den «Gras-Feuer-Zyklus»: Starke Regenfälle auf den hawaiianischen Inseln lassen die invasiven Gräser an einem Tag um bis zu 15 Zentimeter in die Höhe wachsen. Dann kommt die Trockenzeit, und die Gräser brennen. Nach den Bränden spriessen die Gräser in bestimmten Gebieten schnell, breiten sich aus und verdrängen einheimische Pflanzen, die weniger an Waldbrände angepasst sind, wodurch der Kreislauf noch zerstörerischer wird.
In Lahaina, der 13’000 Einwohner zählenden Ortschaft, die im Feuer der vergangenen Woche fast vollständig zerstört wurde, bedecken die nicht einheimischen Gräser die Hänge oberhalb der Stadt und wachsen bis an den Rand der Wohngebiete heran.
Nadelbäume verstärken das Problem
Auch nicht heimische Bäume wie Mesquite, Weiden und in höheren Lagen Kiefern, die im 20. Jahrhundert gepflanzt wurden, um die Erosion zu stoppen und Holz zu liefern, stellen ein Risiko für Waldbrände auf der einst von tropischen Wäldern bewachsenen Insel dar. «Wir haben auf Maui ein Problem mit vielen Nadelbäumen» sagt Lissa Strohecker, eine Bildungsspezialistin des Maui Invasive Species Committee, einer Organisation, die sich um die Eindämmung hochgefährlicher invasiver Arten bemüht.
Als bei einem Brand auf Maui im Jahr 2018 einige Nadelbäume in Flammen aufgingen, explodierten deren Zapfen, was den Brand noch verstärkte, so Strohecker. Der Aufwind trug die Samen dann an neue Standorte, sodass in weiteren Teilen von Maui junge Nadelbäumchen entstanden – und damit neue Brandrisiken.
Klimaveränderung sorgt für mehr Dürren
Die Erderwärmung zusammen mit solchen Entwicklungen hat zur Folge, dass selbst ein tropischer Ort wie Hawaii, der für dschungelartige Regenwälder und grüne Hügel bekannt ist, immer anfälliger für Waldbrände wird. Auf den Inseln gibt es seit langem trockene Abschnitte mit Lavafeldern und trockenem Grasland, wobei die Niederschläge von einer Seite der Insel zur anderen variieren. In den letzten Jahren hat der US- Bundesstaat jedoch einen langfristigen Rückgang der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge, eine dünnere Wolkendecke und durch steigende Temperaturen verursachte Dürren erlebt.

Und so warnen Spezialisten für die Eindämmung von Waldbrandgefahren nun vor der wachsenden Anfälligkeit Mauis. In einem Plan zur Gefahrenabwehr aus dem Jahr 2020, heisst es, dass das Gebiet von West Maui – wo sich die Stadt Lahaina befindet – die höchste jährliche Wahrscheinlichkeit für Waldbrände aufweist.
Konkurrenz um Bundesmittel ist gross
Es gibt Möglichkeiten, wie die Behörden den zerstörerischen Kreislauf eindämmen können. Dazu gehört der Bau von Brandschneisen, die Einführung von feuerresistenterer Vegetation und die Möglichkeit, den Graswuchs durch Viehzucht auf einem überschaubaren Niveau zu halten. Seit Jahren fordern Trauernicht und andere Experten solche Massnahmen, um die Waldbrandgefahr auf Hawaii zu verringern.
Doch die Eindämmung invasiver Pflanzen auf den Inseln kann kostspielig und logistisch komplex sein. Und Hawaii konkurriert dabei mit mehr als einem Dutzend anderer westlicher Bundesstaaten der USA, in denen Grossbrände in der Regel mehr Aufmerksamkeit erhalten, um Bundeszuschüsse für deren Bekämpfung.
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