US-Wahlen 2024Die Demokraten werden nervös – und Trump zieht seine «eigenartige Waffe»
Kann Joe Biden den Republikaner noch einmal schlagen? Laut einer Umfrage sinkt sein Zustimmungswert auf ein Rekordtief. Derweil macht Trump aus schlechten Nachrichten Geld.
Es wäre von jeher eine Übertreibung gewesen, zu behaupten, Joe Biden löse bei der Wählerschaft Begeisterungsstürme aus. Immerhin aber gelang dem Demokraten 2020 etwas, woran Hillary Clinton vier Jahre zuvor gescheitert war: Er besiegte den Republikaner Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen.
Den Trumpf des Einzigen, der gegen Trump gewinnen könne, hält Biden auch jetzt gern hoch. Er formuliert das inzwischen etwas vorsichtiger, doch bleibt er dabei, dass er seinem Gegenspieler überlegen sei. «Ich kenne ihn gut, und ich kenne die Gefahr, die er für unsere Demokratie darstellt, wir haben das alles schon einmal erlebt», sagte Biden in einem seiner seltenen Fernsehinterviews, kurz nachdem er seine neuerliche Kandidatur für die Präsidentschaft mit einem Video angekündigt hatte.
«Lasst uns den Job zu Ende bringen», sagte Biden da in die Kamera. Er meinte damit die gesamte Palette seiner politischen Vorstösse, obwohl die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler sich von ihm vor allem eines erhoffte: Trump vom Weissen Haus fernzuhalten.
Schlaflose Nächte bei Parteifunktionären
Nur wachsen schon wenige Tage später die Zweifel, ob der 80-Jährige dieser Aufgabe noch einmal gewachsen ist. Nicht nur, aber auch wegen seines fortgeschrittenen Alters schneidet Biden in Umfragen schlecht ab. Schlaflose Nächte hätten sie deswegen, sagte eine frühere demokratische Parteifunktionärin nach der jüngsten Befragung im Auftrag von «Washington Post» und «ABC News», wonach die Zustimmung zu Bidens Amtsführung auf ein Rekordtief von 36 Prozent gefallen ist.
Zu reden gab vor allem ein Punkt. Sogar im Direktduell mit Donald Trump schien Joe Biden zu verlieren, eine Mehrheit der Befragten zog den Republikaner vor. Die hypernervösen US-Medien sahen darüber hinweg, dass Trumps angeblicher Vorsprung im Fehlerbereich der Studie liegt, die überdies methodische Schwächen aufweist. Ohnehin ist es Unsinn, aufgrund einer Befragung von 1006 Personen achtzehn Monate vor dem Wahltermin Rückschlüsse auf das Verhalten von 170 Millionen Wähler ziehen zu wollen.
Ein aktuelles Stimmungsbild ergibt sich jedoch aus dem Durchschnitt der zahlreichen Umfragen sehr wohl, und auch dieses ist für Biden kein positives. Laut einer anderen Umfrage ist nur eine Minderheit der Amerikanerinnen und Amerikaner, rund 42 Prozent, mit seiner Amtsführung einverstanden. Der Präsident versucht das zu relativieren, indem er seine Noten mit jenen der Vorgänger vergleicht. «Die Umfragewerte aller bedeutenden Präsidenten, die ihre Wiederwahl gewannen, waren dort, wo jetzt meine sind», sagte er. Das stimmt zwar für Barack Obama, Bill Clinton und Ronald Reagan. Bidens Form lässt sich aber auch mit jenen Jimmy Carters und Donald Trumps vergleichen, die nach einer Amtszeit abdanken mussten.
Bidens Verteidiger sagen, die Demokraten hätten bereits die Zwischenwahlen 2022 gut überstanden. Die Umfragen zeigten lediglich, dass der Präsident seine Erfolge besser kommunizieren müsse: die Bewältigung der Covid-Pandemie, die Investitionen in den Klimaschutz, die Infrastruktur und den Sozialstaat, die Stärkung der Halbleiterindustrie und die Verschärfung des Waffenrechts. (Mehr dazu: Julie Chávez Rodríguez leitet Wahlkampf – Diese Latina soll Biden zu einer zweiten Amtszeit verhelfen)
Eine Alternative zu Biden haben die Demokraten bisher nicht, obwohl ihnen die Umfragen schlaflose Nächte bereiten.
Das wiegt die Angst der Amerikaner vor einer nahenden Rezession jedoch nicht auf: Die Mehrheit traut Biden nicht zu, die Wirtschaft in Schwung zu halten, die hohe Teuerung belastet sein Image ebenso wie der verpatzte Abzug aus Afghanistan. Ebenso wenig reichen Bidens Erfolge, um wichtige Wählergruppen wieder von sich zu überzeugen, die ihm 2020 zum Sieg verhalfen und 2024 entscheidend sein könnten.
Für Junge etwa ist Bidens Anziehungskraft gelinde gesagt beschränkt. Für sie hat er ein wichtiges Anliegen erfüllt, als er den Erlass von Studienkrediten verfügte; dieser droht jedoch vor Gericht zu scheitern. Auch afroamerikanische Wählerinnen und Wähler sind von Biden wenig begeistert, trotz Kamala Harris, der ersten dunkelhäutigen Vizepräsidentin, an seiner Seite. Er hat zwar unter anderem eine Afroamerikanerin für das Oberste Gericht nominiert, die versprochene Absicherung der Wahlrechte und eine tiefgreifende Polizeireform lieferte er jedoch nicht.
Eine Alternative zu Biden haben die Demokraten bisher nicht vorgesehen, obwohl ihnen die Umfragen schlaflose Nächte bereiten. Biden liegt im Schnitt gegen Trump zwar nicht im Rückstand, doch startet er anders als 2020 auch nicht mit einem eindeutigen Vorsprung auf den ehemaligen Präsidenten. Auf jenen ehemaligen Präsidenten, der eben erst der mehrfachen Verletzung von Wahlfinanzierungsgesetzen angeklagt wurde, der das Resultat der jüngsten Präsidentschaftswahl noch immer als gefälscht bezeichnet, obwohl das nicht stimmt, der seine Anhänger deswegen zum Sturm auf das US-Capitol im Januar 2021 angestachelt hatte, weshalb ebenfalls mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihn laufen.
Nach Trumps Verurteilung steigen seine Werte
Schlechte Nachrichten seien Trumps «eigenartige Waffe», titelte das Nachrichtenportal Axios, kurz bevor eine Jury in New York ein Urteil gegen Trump erliess, das besondere Sprengkraft hat. Eine Jury urteilte, Trump müsse der Autorin E. Jean Carroll fünf Millionen Dollar Schadenersatz entrichten, weil er sie 1996 in einem Warenhaus sexuell missbraucht habe und sie 2022 deswegen öffentlich der Lüge bezichtigte. Wie sich dieses erste einschlägige Urteil gegen Trump, den schon mehr als zwei Dutzend Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt hatten, politisch auswirkt, ist offen.
Bisher scheinen die negativen Schlagzeilen dem Republikaner aber nicht nur keinen Schaden zuzufügen, sondern ihm im Gegenteil sogar zu helfen. Das ist zum Teil eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Statt in die Defensive zu gehen, nutzte Trump seine Probleme mit der Justiz, um Spendenaufrufe zu versenden, sich als Opfer einer Verschwörung zu inszenieren und zu behaupten, seine Umfragewerte würden steigen – was sie in der Folge auch taten. (Unsere Analyse dazu: Jede neue Anklage scheint Donald Trump näher ans Weisse Haus zu bringen)
Inzwischen liegt Trump so weit vor dem nächstplatzierten Ron DeSantis, dass kaum noch jemand daran zweifelt, dass er sich bei den Vorwahlen die Kandidatur der Republikaner sichern wird. Obwohl ihn das Parteiestablishment nur zu gern verhindern würde, und obwohl DeSantis als 44-Jähriger sich ebenfalls gute Chancen ausrechnen könnte, Biden zu besiegen. Zumindest gemäss den Umfragen.
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