US-Pleiten und die FolgenDie Bankenkrise ist noch nicht ausgestanden
Haben die US-Behörden nach der Rettung der First Republic Bank die Lage im Griff oder kommt da noch mehr? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
In den USA ist schon wieder eine Bank kollabiert, wieso?
2023 sind in den USA bereits drei Banken zusammengebrochen. Die Silicon Valley Bank und die Signature Bank im März, am vergangenen Wochenende ist noch die First Republic Bank dazugekommen. Die Schwierigkeiten der First Republic sind ebenfalls hauptsächlich auf die steigenden Leitzinsen der US-Notenbank zurückzuführen. Steigen die Zinsen, ist das für Banken heikel. Vermögenswerte, die sie in ihrer Bilanz haben, können plötzlich an Wert verlieren.
Die Schwierigkeiten der First Republic Bank wurden schon im März öffentlich. Wie bei den beiden anderen Banken zogen Kundinnen und Kunden massiv Gelder ab. Um das Vertrauen wiederherzustellen, hatten damals unter anderem Grossbanken wie JP Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo dem Finanzinstitut 30 Milliarden Dollar an Liquidität zur Verfügung gestellt.
Zu wenig, wie sich nun gezeigt hat. Ende März lagen die Kundeneinlagen der First Republic Bank noch bei 104,5 Milliarden Dollar – ein Rückgang von rund 70 Milliarden Dollar seit Ende 2022. Die Bank konnte die Abflüsse nicht stoppen. Die kalifornische Finanzaufsicht hat die Bank am 1. Mai geschlossen und der Behörde für Einlagensicherung (FDIC) unterstellt. Anschliessend wurde der grösste Teil der Vermögenswerte von JP Morgan übernommen.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Banken?
Ja, auch wenn sich die konkreten Fälle unterscheiden. Die drei gescheiterten Banken teilten sich eine ähnliche Kundengruppe: Während die Silicon Valley Bank vor allem Unternehmer aus dem Technologiesektor bediente, haben sich die Signature Bank und die First Republic auf vermögende Kundinnen und Kunden spezialisiert. Bekannt waren bei der First Republic etwa die sogenannten «Jumbo Loans», also günstige Hypotheken für teure Immobilien in guter Lage. Unter anderem war Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, Kunde der Bank.
Um einen Bankensturm zu verhindern, hatte die Regierung von Joe Biden im März die Silicon Valley und die Signature Bank kurzerhand als systemrelevant bezeichnet. Das hatte zur Folge, dass auch Guthaben über der Grenze von 250’000 Dollar von der Einlagensicherung gedeckt wurden.
Deutlich werden auch Ähnlichkeiten zur Credit Suisse: Verantwortlich für das Scheitern der drei amerikanischen Banken waren letztlich nicht die Kundinnen und Kunden, die ihre Guthaben abzogen, sondern grobe Fehler in den Chefetagen der Banken selbst.
So schreibt die Einlagensicherungsgesellschaft FDIC in ihrer Analyse zur Signature Bank: «Das grundlegende Problem der Bank war schlechtes Management.» Die Führung der Bank habe nur auf rasches Wachstum gesetzt, ohne adäquates Risikomanagement und Kontrollen, wie es für die Grösse, die Komplexität und das Risikoprofil des Finanzinstituts angemessen gewesen wäre.
Ist die Bankenkrise damit vorbei?
Auf den ersten Blick scheint es so. Derzeit steckt keine Bank in den USA in derart drängenden Schwierigkeiten. Anders als im März, als der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank auf Europa und insbesondere die Credit Suisse überschwappte, blieb es an den Börsen heute ruhig.
In den Bilanzen der US-Banken schlummern jedoch nach wie vor grosse Risiken. Zum Beispiel bei Büroimmobilien. Nach der Pandemie ist der Bedarf bei vielen Unternehmen aufgrund von Homeoffice zurückgegangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Finanzinstitute hier in Zukunft weitere Verluste erleiden.
Im März sind die Aktien der US-Regionalbanken eingebrochen. Der S&P-Regionalbanken-Index liegt mehr als 30 Prozent tiefer als vor einem Jahr.
Wie wirken sich Bankenpleiten auf die übrige Wirtschaft aus?
Manchmal sind Bankpleiten bloss Einzelereignisse ohne gesamtwirtschaftliche Folgewirkungen, manchmal lösen sie eine Finanzpanik aus, wie im September 2008 der Fall der Investmentbank Lehman Brothers.
Wenn ein Unternehmen untergeht, freut dies meist die direkten Konkurrenten. In der Bankbranche jedoch ist die Freude meist getrübt: Die entstehende Unsicherheit wirkt oft ansteckend auf andere Banken. Weil niemand so genau weiss, welche Risiken in einer Bankbilanz stecken, können Aktionäre, Geschäftspartner und Kunden auch bei zunächst noch sicher scheinenden Banken argwöhnisch werden und Reissaus nehmen – und damit eine Finanzpanik auslösen.
In Krisenzeiten wird es für die Banken schwieriger und teurer, sich zu finanzieren. Ausserdem nimmt bei steigenden Zinsen das Ausfallrisiko auf ihren Kreditpositionen zu. Deshalb stehen sie bei der Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte auf die Bremse, um ihre Risiken zu senken.
Bankenkrisen führen deshalb fast immer zu Kreditklemmen. Die Wirtschaft wird nicht mehr so reichlich mit Kapital versorgt, die Unternehmen investieren weniger und die Konsumentinnen kaufen weniger. Das stürzt die Volkswirtschaft in eine Rezession.
Die Rezession wiederum verschärft die Probleme der Banken. Denn die Einnahmen der Unternehmen sinken, die Zahl der Firmenkonkurse nimmt zu – und damit steigen die Kreditausfälle.
Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Kreditvergabe im Euroraum zeigt «eine weitere erhebliche Verschärfung» der Vergabekriterien bei Krediten an Unternehmen und für den Wohnungsbau. Auch in den USA deuten Umfragen auf eine Verschärfung der Kreditvergabestandards hin.
Am Mittwoch wird die US-Zentralbank Fed bekannt geben, ob sie den Leitzins weiter erhöht, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Am Donnerstag folgt der Zinsentscheid der EZB. Die Prognosen gehen derzeit in beiden Fällen von einer Erhöhung um ein Viertelprozent aus. Die Situation der Banken dürfte sich damit nicht so schnell entschärfen.
Wie häufig sind eigentlich Bankpleiten?
Bankenpleiten sind nicht selten. Während der Savings-and-Loan-Krise der 1980er-Jahre waren in den USA mehr als 1000 Sparkassen untergegangen. Im laufenden Jahr sind es nun drei. Davor hatte es in den USA 868 Tage lang keine einzige Bankpleite gegeben – die zweitlängste Phase, seit der Einlagensicherungsfonds FDIC eine solche Statistik führt.
Gemessen an den Vermögenswerten der betroffenen Banken übersteigt die derzeitige Krise jedoch bereits das Ausmass der Pleiten 2009 und 2010, die auf die Finanzkrise folgten.
In der Schweiz sind Bankenpleiten selten. 1991 brach die Spar- und Leihkasse Thun im Zuge der Immobilienkrise zusammen, über 220 Millionen Franken Privat- und Geschäftsvermögen gingen verloren. Am 19. März wurde die gescheiterte Credit Suisse von der UBS übernommen.
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